Digital Lifestyle: IT- contra UE-Kanal ? wer erobert den Wachstumsmarkt?. Digitale Unterhaltungselektronik ist derzeit der Wachstumsmarkt. Nicht nur Computerhersteller, auch IT-Distributoren und -Händler entdecken das Marktsegment für sich. Gegen die etablierte Konkurrenz des UE-Channels könnte IT-Händlern die zunehmende IT-Lastigkeit der Geräte und die verwirrende Vielfalt von konkurrierenden Standards zugute kommen.
Unterhaltungselektronik boomt. Die Ablösung der alten analogen durch digitale Produkte hat eine Vielzahl neuer Geräte hervorgebracht und eine gigantische Ersatzbedarfs-Welle ausgelöst. Flachbild-TVs, DVD-Recorder, MP3-Player, digitale Camcorder und Kameras waren aktuellen Marktanalysen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und des Branchenverbandes Bitkom zufolge die Hits im Weihnachtsgeschäft. Die Umsätze hätten rund zehn Prozent über dem Niveau des Vorjahres gelegen, so das Ergebnis einer Bitkom-Umfrage unter den Mitgliedsfirmen. Viele Hersteller konnten ihre Umsätze mehr als verdoppeln. »Die Kunden profitierten bei ihren Weihnachtseinkäufen von sinkenden Preisen bei vielen Geräten«, erklärte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. »Flachbildschirme oder DVD-Rekorder werden nicht nur immer besser, sondern auch immer günstiger.«
Und der wachsende Markt für Heim-Elektronik macht dem PC-Markt zunehmend Konkurrenz, so die Einschätzung des Marktforschungsinstituts Gartner. Kein Wunder, dass inzwischen fast alle großen IT-Hersteller in das lukrative Marktsegment drängen. Gegen die Dominanz der UE-Riesen, wie Sony, Panasonic oder Philips, haben sie den Vorteil, dass ohne IT inside bei diesen Geräten nichts mehr geht. Der schleppende Absatz der so genannten Media Center PCs hat gezeigt, dass die IT nicht die Wohnzimmer erobert, sondern nur das Innenleben der UE-Geräte, die das digitale Heim bevölkern.
Angesichts der seit Jahren schwächelnden Margen und sinkenden Nachfrage im IT-Segment haben sich auch die großen IT-Distributoren mit eigenen CE-Units auf den Trend eingestellt. So hat der Broadliner Ingram Micro Mitte vergangenen Jahres das Produktsegment LCD-TV und Konkurrent Tech Data die Sparte »Living IT« gegründet. Beim Lindener Grossisten COS ist man mit der Entwicklung der im Sommer 2004 gegründeten Business Unit »Entertainment Electronics« äußerst zufrieden. Das Zusammenwachsen der Bereiche IT und UE verspreche überdurchschnittliches Wachstumspotenzial und wesentliche Impulse für alle Handelskanäle, erklärt COS-Vorstandsvorsitzender Peter Becker. Darum will Becker den Bereich »Entertainment Electronics« auf bis zu 20 Lieferanten weiter ausbauen. Zurzeit arbeitet COS bereits mit den UE-Spezialisten Elta, JVC, Kenwood, LG, Mustek, Panasonic, Radix, Technisat und WS Spalluta, zusammen. Bei COS hat man aber auch einen hohen Informationsbedarf beim Fachhandel registriert. Um die Interessenten kompetent beraten zu können, hat der Distributor seine Mitarbeiter speziell zu den Produktespezifikationen, Einsatzmöglichkeiten und Anwendungen geschult. Zusätzlich hat COS im Abholerbereich »Shop IT« in Linden verschiedene Szenarien aus dem UE- und CE-Produktumfeld aufgebaut, um den Handelskunden komplette Lösungsangebote demonstrieren zu können. »Unter anderem unterstützen wir einen unserer Kunden bei der Projektabwicklung für ein Krankenhaus, in dem 120 LCD-TVs installiert werden sollen. Die Planung, Organisation und Durchführung wird von einem kompetenten COS-Ansprechpartner begleitet«, erklärt Becker. Den wachsenden Beratungs- und Servicebedarf der Konsumenten bei digitalen CE-Produkten sieht Becker als entscheidenden Vorteil für den IT-Fachhandel. Dessen Beratungsfunktion erweise sich als sehr wichtiges Kriterium für Kaufentscheidungen.
Auch die Marke Yakumo in Braunschweig hat den Trend erkannt und setzt seit vergangenem Jahr verstärkt auf CE-Produkte, wie TFTs, MP3-Player und DVD- Recorder, die jeweils zur Hälfte über den Fachhandel und über Retailer vertrieben werden. »Entertainment-Produkte werden in Zukunft sehr stark an Bedeutung gewinnen«, meint Geschäftsführer Jürgen Rakow. Beim Boomthema LCD-TVs hält er sich jedoch noch zurück. Rakow ist der Ansicht, dass dieses Geschäft zurzeit aufgrund der Preisentwicklung kaum »beherrschbar« sei. »Und ohne entsprechende Volumina kann ich unseren Händlern keine Produkte mit guter Qualität und gleichzeitig zu massenmarktfähigen Preisen liefern.«
Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin bei Actebis Peacock in Soest, rät den IT-Händlern dringend, sich mit neuen Themen zu befassen: »Ich gehe davon aus, dass beispielsweise auf der Produktseite Consumer Electronic 20 bis 30 Prozent vom klassischen IT-Geschäft auffressen wird.« Allerdings sei es nicht damit getan, einfach planlos ein paar CE-Produkte ins Sortiment aufzunehmen, warnt Schmidt. Vielmehr müsse sich der Handel Gedanken darüber machen, wie sich neue Märkte entwickeln ? und das für die nächsten zwei bis drei Jahre. Das Gleiche gelte für die Distribution. »Auch wir müssen weiträumig planen, also heute schon über die kommenden drei bis fünf Jahre nachdenken. Und da ist eine Entwicklung für den Fachhandel ebenso wichtig wie für die Distribution: Die Ausrichtung auf CE.«
Systemberatende Fachhändler müssten sich laut Schmidt außerdem darauf einstellen, in Zukunft immer häufiger in Konkurrenz zu High-Tech-Elektrotechnikern zu stehen. Denn der Elektrofachhandel bereite sich sehr intensiv auf seine Positionierung als Lösungsanbieter beim so genannten »Digital Home« vor. Und da müsse sich der IT-Fachhandel auch auf eklatante Preisunterschiede gefasst machen, warnt die Managerin: »Elektriker berechnen häufig für die Arbeitsstunde 30 bis 35 Euro, Systemhäuser 100 bis 150 Euro.«
Auch bei den Kooperationen und Verbundgruppen ist man auf den Trend aufmerksam geworden. Neben den traditionellen UE-Einkaufsgemeinschaften Euronics (früher RIC), Expert und der neue Planet, haben sich auch IT-Kooperationen, wie etwa PC-Spezialist und Akcent, des Themas angenommen. So hat die Fachhandelsgruppe PC-Spezialist im November vergangenen Jahres unter dem Namen »Digital Inc.« einen Shop in Wien eröffnet, der bei Erfolg in weiteren europäischen Ländern als Franchisesystem etabliert werden soll. Im Laden werden ausschließlich »Digital Lifestyle«-Produkte aus dem Umfeld von PCs, Notebooks, Home Entertainment, Digital Imaging & Printing, Mobility & Communication sowie Games World & Modding eingebunden in Anwendungsumgebungen präsentiert.
Einen kräftigen Wachstumsschub für den CE-Markt hat der Boom um die neuen Flachbild-Fernseher ausgelöst. Seit Plasma- und LC-Displays auch für Consumer erschwinglich sind, wächst die Nachfrage nach immer größeren Flachbild-Boliden. Im Jahr 2004 hat sich laut GfK der Absatz von LCD-Fernsehern im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Ein Viertel der Gesamtausgaben für den Kauf von Fernsehgeräten in Deutschland betreffen mittlerweile LCD- oder Plasmageräte. Allerdings hält die Preiserosion für diese Produkte weiterhin an und führt dazu, dass das Plus bei der Zahl verkaufter Produkte höher ausfällt als bei den Verkaufserlösen.
Riesen-Flat-TVs dominierten die Ausstellungsflächen der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas, wo Samsung den mit 102 Zoll derzeit größten Flat-TV präsentierte. Die Geräte verfügen zudem über immer mehr Zusatzfunktionen, wie beispielsweise Slots für Speicherkarten, um digitale Fotos direkt aus der Kamera auf dem TV anzusehen, oder integrierte Festplatten-Recorder. Neben der Vielzahl von Herstellern und Modellen konkurrieren in dem Marktsegment außerdem drei unterschiedliche Technologien: LCD, Plasma und die DLP-Technik, die bewegliche Miniaturspiegel nutzt, um die Signale auf einen Bildschirm zu projizieren.
Der neueste Trend heißt »High Definition«-TV (HD-TV), also Fernseher, die eine hochauflösende Bildqualität darstellen können. Solche Geräte wurden auf der CES bereits von einer Vielzahl von Herstellern, wie Samsung, Benq oder Panasonic, vorgestellt. Demnächst werden auch die ersten Filme in HD-Qualität auf DVD verfügbar sein. Für die Aufzeichnung und Wiedergabe von HD-Content konkurrieren derzeit zwei unterschiedliche Standards miteinander: Während Branchenschwergewichte wie Dell, HP, Samsung, Sony, Panasonic und Philips die »Blu-Ray Disc« als Nachfolger der derzeitigen DVD favorisieren, unterstützen NEC, Sanyo und Toshiba den HD-DVD-Standard (High Density DVD). Philips hat das erste PC-Laufwerk, das sowohl CD, DVD als auch die neuen »Blu-Ray Disc« lesen und beschreiben soll, für die zweite Jahreshälfte angekündigt. NEC hat bereits einen Prototyp des ersten PC-Laufwerks für HD-DVDs vorgestellt, das auch herkömmliche DVDs und CDs lesen und beschreiben kann. Die ersten Geräte werden voraussichtlich im September 2005 auch in Europa auf den Markt kommen. Auch ein HD-DVD-Brenner soll noch Ende 2005 kommen. Toshiba und Sanyo haben außerdem für den Herbst 2005 HD-DVD-Player angekündigt.
Verschiedene Standards gibt es auch bei mobilen Audio- und Videoplayern: Neben dem Kompressionsverfahren MPEG-Layer-3, kurz MP3, das dieser Produktkategorie ihren Namen gegeben hat, gibt es noch eine Reihe konkurrierender Formate, wie die Microsoft-Variante WMA und AAC, das bereits viele Music-Download-Services von Mobilfunkanbietern wie O2 oder Nokia nutzen. Auch für die wachsende Zahl der mobilen Videoplayer hat sich neben dem Kompressionsverfahren MPEG4 und dessen Derivat VivX, die Microsoft-Variante WMV9 etabliert.
Bereits auf der CES wetteiferten zahlreiche Aussteller darum, den ultimativen »iPod-Killer« zu präsentieren, der Apples Erfolgsmodell den Rang ablaufen soll. Auch auf der kommenden Cebit werden die mobilen Winzlinge an vielen Ständen zu sehen sein. Und die Produkte werden immer kleiner, leistungsfähiger und warten mit ausgefallenen Features auf. So erweiterte Creative seine farbenfrohe Produktfamilie Zen Micro um drei neue MP3-Player mit einem, vier und sechs GByte Speicherplatz, die MP3- und WMA-Dateien abspielen können. Der französische Hersteller Archos zeigte einen neuen portablen Audio-Videorekorder auf Linux-Basis. Der Pocket Media Assistant »PMA-400« mit WLAN-Funktionalität kann Videos direkt aus dem Fernsehen oder einer anderen Videoquelle aufnehmen und wiedergeben.
Für die wachsende Zahl mobiler Geräte steigt auch der Bedarf an mobilen Speicherprodukten. Nach Angaben der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu) wurden 2003 in Deutschland 4,8 Millionen Speicherkarten verkauft ? 86 Prozent mehr als im Vorjahr. Für das Jahr 2004 prognostizierte die gfu sogar 7,8 Millionen verkaufte Chipkarten, was eine Absatzsteigerung von mehr als 60 Prozent bedeutet. Obwohl auch hier die Preise sinken, wuchs der Gesamtumsatz um 59 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 248 Millionen Euro 2003 und sollte 2004 um mehr als 40 Prozent auf 354 Millionen Euro steigen. Auch hier gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Formate, wie Smart Media Card, Multimedia Card, Compact Flash Card, Secure Digital Card (SD) und die von Sony entwickelte Memory Stick-Familie, die nicht mit jedem Gerät kompatibel sind.
Ob die IT-Lastigkeit der neuen CE-Geräte, die wachsende Zahl der Schnittstellen und das verwirrende Nebeneinander verschiedener Standards den IT-Handel beim Vorstoß in das neue Produktsegment begünstigt, darüber scheiden sich die Geister. Akcent-Chef Frank Garrelts glaubt, dass der IT-Handel wegen seiner technischen Kompetenz gute Chancen hat, sich einen Anteil am wachsenden CE-Markt zu sichern (siehe Interview).
Benq-Geschäftsführer Michael Grote ist dagegen überzeugt: »Derjenige macht das Rennen, der seinen Kunden das richtige Sortiment anbietet, egal ob er aus dem IT-, CE- oder Fotofachhandel kommt.« Sowohl IT-, als auch UE-Händler müssten sich jetzt Gedanken machen, wie sie ihr Sortiment erweitern und wo die Sortimentsgrenzen liegen. Eindeutig im Vorteil sieht Grote dabei keinen von beiden: »Beide haben Handlungsbedarf, aber auch Chancen.« Auch Benq will laut Grote für sein breites CE-Sortiment nicht mehr ausschließlich auf seinen etablierten IT-Channel setzen, sondern arbeitet daran, seine Produkte auch über den UE-Kanal abzusetzen.
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Weil das Geschäft mit Computern seit Jahren wenig Freude macht, haben sich viele IT-Händler auf Lösungen für gewerbliche Kunden und Dienstleistungen fokussiert. Mit dem unerwarteten Nachfrageboom bei neuen digitalen CE-Produkten bekommt der IT-Handel jetzt von allen Seiten wohlgemeinte Ratschläge, doch Flat-TVs oder DVD-Recorder ins Sortiment aufzunehmen. Das ist leichter gesagt als getan. Denn viele IT-Händler haben ihr Ladengeschäft aufgegeben und kaum noch Privatkunden. Der rapide Preisverfall bei LCD- und Plasma-TVs wird hier bald zu ähnlichen Margenverhältnissen wie in der IT führen. Und auch die drückende Konkurrenz von Flächenmärkten und Food-Discountern, deren Billig-PCs den Händlern das Geschäft vermiesten, läuft sich mit dem neuen Produktsegment schon mal warm. Außerdem trifft der IT-Handel bei Consumer Elecronics auf einen seit Jahrzehnten etablierten UE-Kanal. Branchenkenner sehen IT-Händler allerdings bei einem Punkt klar im Vorteil: Sie sind an chronisch niedrige Margen gewöhnt und daher weit leidensfähiger als ihre Kollegen im UE-Kanal.
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Am Wolfsberg 17-19. D-28865 Lilienthal
Tel. 04298 919-3, Fax 04298 919-414
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Benq Deutschland GmbH
Große Elbstraße 39, D-22767 Hamburg
Tel. 040 822264-0, Fax 040 822264-100
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Bitkom
Albrechtstraße 10, D-10117 Berlin
Tel. 030 27576-0, Fax 030 27576-400
www.bitkom.de
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Nikolaus-Otto-Straße 11, D-35440 Linden
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Ingram Micro Distribution GmbH
Heisenbergbogen 3, D-85609 Dornach
Tel. 089 4208-0, Fax 089 423679
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