E-Govermnemt ohne Strategie. Nach allen derzeit aktuellen Studien bewegt sich Deutschland beim E-Government international nur im Mittelfeld. Es fehlt an einer umfassenden Strategie und ausreichend fortgebildeten Mitarbeitern
Die Zukunft der Verwaltung liegt im E-Government. Darüber sind sich eigentlich alle Fachleute einig. Doch diverse Studien zeigen, dass diese Einsicht bisher in Deutschland noch nicht ausreichend konsequent in die Tat umgesetzt wird. Zudem hat sich herausgestellt, dass die erhofften Kosteneinsparungen durch elektronisierte Verwaltungsvorgänge weitgehend ausgeblieben sind - in Zeiten knapper Kassen eine herbe Enttäuschung.
Mit der Studie "E-Government 2003" untersuchte Accenture zum vierten Mal in Folge die Online-Auftritte von 22 Regierungen. Gegenüber dem Vorjahr ist Deutschland von Platz 9 auf Platz 10 zurückgefallen. Spitzenreiter Kanada dagegen hat nochmals dazugewonnen. Das Land hat, so Accenture, "die Bürger und Unternehmen ins Zentrum seiner E-Government Strategie gestellt" und sie mit zielgruppengerichteten Angeboten angesprochen. Wissenschaftliche Begleitforschung und Nutzerbefragungen sorgen dort dafür, dass der Anwender nie aus dem Blickfeld gerät. Rund ums E-Government wird die gesamte Verwaltung modernisiert. Der Trend geht in Kanada dahin, die Bürger als Kunden zu begreifen und die Beziehungen zu ihnen mit Hilfe von CRM (Customer Relationship Management) zu gestalten.
In Deutschland sieht es weniger rosig aus: 2003 nutzten 46 Prozent der Bevölkerung das Internet, mittlerweile sind es mehr als 50 Prozent. Laut der Accenture-Studie befindet sich Bund Online 2005, das E-Government-Projekt des Bundes, derzeit in einer Konsolidierungsphase. Bund Online 2005 sieht vor, dass alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung, es sind 370, bis 2005 über das zentrale Portal bund.de verfügbar sein sollen. Die Bundesregierung investiert in das Projekt 1,65 Milliarden Euro.
Vorwärts ging es in den letzten 12 Monaten laut Accenture vor allem bei der Datensicherheit, einem Lieblingsthema der Deutschen, wie in einer anderen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik festgestellt wird. Accenture bezeichnet die Sicherheitsbemühungen in Deutschland als "relativ aufwändig". Bei der Umsetzung des CRM-Gedankens dagegen ist Deutschland nach der Accenture-Studie, deren Ergebnis sich diesbezüglich mit anderen, früheren Untersuchungen deckt, eher schwach - international liegt es hier nur auf Platz 18.
Diese Einschätzung bestätigen Projekte wie der Online-Jobmarkt des Arbeitsamtes (er war während der Accenture-Untersuchung noch nicht fertiggestellt). Das Projekt sah sich bereits massiver Kritik von vielen Seiten ausgesetzt: zu langsam, zu unübersichtlich, sinnlose Konkurrenz zu privaten Online-Jobbörsen, lauten die wichtigsten Einwände.
Die Accenture-Analysten betonen die Diskrepanz zwischen zahlreichen Bundes-, Landes- und kommunalen Initiativen zum E-Government einerseits und der eher skeptischen Stimmung andererseits. So verschafften sich zwar rund 20 Prozent der Bürger online Informationen, sollen aber Daten übers Netz versandt werden, trauen sich nur noch vier Prozent. Wichtigster Grund dafür ist fehlendes Vertrauen: 81 Prozent der Anwender haben Angst vor Datenmissbrauch.
Bei der geringen Nutzung der Transaktionsangebote liege, so Accenture, ein Grund, warum die erhofften Kosteneinsparungen bisher ausblieben. Gleichzeitig, so Accenture, vernachlässigten die Kommunen das Finanzcontrolling ihrer E-Government-Projekte. Nur 17 Prozent ermitteln zum Beispiel die nötigen Investitionskosten, nur sechs Prozent Nutzen und Einsparpotentiale, ergaben Forschungen der Universität St. Gallen.
Um das Dilemma zu lösen, schlägt Accenture vor, massive Anreize für die Online-Angebote zu schaffen und zitiert entsprechende Beispiele - bis hin zu ermäßigten Gebühren oder Preisausschreiben. Weiter betont Accenture die Bedeutung von Private-Public-Partnerships - eine Einschätzung, die durch das Toll-Collect-Debakel wohl relativiert werden muss. Zumindest hapert es beiden Seiten ganz offensichtlich an der Fähigkeit, solche Partnerschaften auch für die öffentliche Hand und damit die Bürger profitabel auszugestalten.
Eine weitere aktuelle Studie, diesmal vom Deutschen Institut für Urbanistik (Helmut Drüke, Kommunales E-Government im internationalen Vergleich), sieht Deutschland ebenfalls eher im Mittelfeld. Besonders schwach ist danach der Transfer der teilweise beachtlichen Leistungen von besonders fortschrittlichen Kommunen in die Fläche. Die Untersuchung benennt länderspezifische Schwerpunkte für E-Government-Projekte. Bei Deutschland ist das Sicherheit, während in Ländern wie Finnland, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien oder USA eher kundenorientiert vorgehen, die Bürger besser beteiligen und mehr Transparenz erreichen wollen. In Japan liegt der Fokus besonders darauf, in den Informationstechnologien zur Spitze aufzuschließen und die Effizienz der Verwaltung zu steigern.
Für Deutschland kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass wesentlich mehr Menschen E-Government nutzen müssen, damit es erfolgreich wird. Dazu seien europaweite Standards zum transnationalen Geschäftsverkehr nötig. Deutschland brauche Anregungen im Projekt- und Change-Management, bei der Einbindung externer Partner und bei der Verbreitung guter E-Government-Praktiken. Stark sei Deutschland besonders bei Produkten, Lösungen und Wissen rund um Datensicherheit. Aus Deutschland kommen wichtige Beiträge zur Standardisierung und Interoperabilität von Anwendungen.
Deutschen Kommunen fehlen Geld und qualifizierte Mitarbeiter
Eine aktuelle Studie aus dem Deutschen Institut für Urbanistik untersuchte die E-Government-Anstrengungen in Kommunen. Einbezogen waren drei Städte, die von der Bundesregierung im Rahmen des Projekts Media@Komm gezielt auch finanziell gefördert wurden und mehr als 20 Gemeinden, die auf eigene Faust E-Government-Projekte entwickelt hatten.
Kommunen haben laut der Studie handfeste Gründe für E-Government-Projekte: Sie erhoffen sich in erster Linie mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung sowie mehr Effizienz in der Verwaltung.
Kritisiert wird, dass Projekte der Kommunen, die auf eigene Faust agierten, an gravierenden Mängeln leiden:
keine klare Strategie, keine geeigneten Konzepte für die Personalentwicklung, Mitarbeiter und Führungskräfte werden nur teilweise einbezogen, Organisatorische Steuerung und Controlling der Projekte sind mangelhaft, es fehlen Konzepte für Wirtschaftlichkeitsanalysen, Kooperationen und Public-Private-Partnerships werden unzureichend gemanagt, Interne Geschäftsprozesse werden nicht angepasst.
Die Gründe dafür, so die Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik, lägen nicht in der Unfähigkeit der Akteure. Vielmehr würde von den Kommunen einerseits immer mehr verlangt, andererseits würden ihre Handlungsmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt, zum Beispiel durch fehlendes Geld. Zudem arbeiteten Gemeinden anders als Industriebetriebe, zum Beispiel haben sie ein vielfältigeres Aufgabenspektrum.
Als wichtige Hindernisse, die von Anfang an erfolgreichen E-Government-Projekten im Wege stehen, benennt die Studie fehlende personelle und finanzielle Ressourcen (vor allem in kleineren Kommunen), Unlust der Mitarbeiter, fehlende rechtliche und technische Rahmenbedingungen und fehlende Akzeptanz bei den potentiellen Nutzern. Oft sträuben sich auch Fachamtsleiter dagegen, Bürger plötzlich als Kunden zu betrachten. Manche kommunale Vertreter bemängelten in der Befragung, dass sich eigene und Länderinitiativen im Wege stünden. Insgesamt scheint die föderale Struktur eher hinderlich als förderlich zu sein.
E-Government in Deutschland steckt noch in seinen Anfängen. Im internationalen Vergleich mangelt es vor allem an Kundenorientierung, einem effizienten Projektmanagement inklusive Controlling und der schnellen Verbreitung von Lösungen, die funktionieren. Es gibt eine Reihe von überzeugenden Einzellösungen, aber es wäre weit übertrieben, in Deutschland von einer voll entwickelten E-Government-Landschaft zu sprechen.