ERP für Fertiger: Kunden packen ihre Fertigungslösungen an

22. April 2004, 0:00 Uhr |

ERP für Fertiger: Kunden packen ihre Fertigungslösungen an. Einige Anbieter von ERP-Lösungen beobachten bereits seit der Cebit erste zarte Anzeichen, dass Kunden neue Investitionen planen, wenn auch die Budgets immer noch nicht freigegeben sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass Fertigungsunternehmen komplett neue Lösungen anschaffen werden. Viele wagen sich nun aber an Integrationsprojekte bestehender Produkte, die längst erledigt sein sollten. Verstärkt rücken außerdem kleine mittelständische Unternehmen ins Zentrum der Anbieterinteressen und erhöhen so die Umsatzmöglichkeiten mittelständischer Fachhändler im Fertigungsumfeld.

ERP für Fertiger: Kunden packen ihre Fertigungslösungen an

Zuletzt haben die meisten Firmen 2000 und 2001 in ihre ERP-Systeme investiert. Argumente für die Investitionen lieferten der Jahrtausendwechsel ebenso wie die Euroumstellung. Da der Produktlebenszyklus der Softwarelösungen allgemein auf sieben Jahre geschätzt wird, erwarten Hersteller die nächste Umsatzwelle 2006 beziehungsweise 2007.

Erste Gespräche zwischen Kunden und Anbietern fanden bereits zur Cebit statt. Auch die IT-Budget-Studie unserer Schwesterzeitschrift Informationweek kommt zu dem Ergebnis, dass 2004 17,5 Prozent von 496 Befragten Unternehmen in ihre ERP-Lösungen investieren wollen. Und der Druck ist hoch: Bei 10,5 Prozent nämlich steht ERP an siebter Stelle der Projekte, die im Jahr 2003 verschoben wurden. Damit Anwender sich allerdings entscheiden, tatsächlich Mittel freizugeben, muss die Wirtschaftslage weiter anziehen. »Unsere Kunden analysieren die jüngsten Konjunkturkoordinaten sehr aufmerksam. Insbesondere deutsche Kunden warten zunächst aber noch auf ein klares Wachstumssignal«, erklärt Dieter Roskoni, Director Marketing bei Peoplesoft Deutschland. Dies gilt insbesondere für mittelständische Fertigungsunternehmen.

Während Anwender mit den Neuinvestitionen noch abwarten, nutzen sie die Gelegenheit, ihre Unternehmensprozesse zu strukturieren. Ein lukratives Feld für Fachhändler, die ihre Kunden unterstützen können, verschiedene, an einem Prozess beteiligte Module zu integrieren. Technisch wäre es auch schon vor 20 Jahren möglich gewesen, beispielsweise CAD-Produkte an das ERP-System anzubinden, allerdings hat in den 80er Jahren kaum ein Anwender die Notwendigkeit gesehen, prozessübergreifend zu implementieren. Um Produktionsabläufe zu straffen und dadurch konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Fertiger dieses Versäumnis heute bei sämtlichen Prozessen dringend nachholen. »Die Fertigung muss schneller an die Nachfrage angepasst werden. Das wird nur dann erfolgreich sein, wenn ERP-Systeme, Materialwirtschaft, Produktionsplanung, Fertigungssteuerung und Logistik zusammenspielen«, bestimmt Wolfgang Grahnert, Leiter Geschäftsbereich Fertigungsindustrie bei SAP Deutschland, das Ziel, das auch mittelständische Kunden langfristig erreichen sollten. Doch nicht nur innere, auch äußere Faktoren treiben Unternehmen dazu, ihre Prozesse zu integrieren. »Im Sinne von Basel II verlangen auch Betriebsprüfer und Banken durchgängige Systeme. Insellösungen werden beim IT-Rating als Nachteil gewertet«, erläutert Harald Witte, Vorstandsvorsitzender von AP. Auch Themen wie SCM oder CRM beschäftigen momentan viele Firmen. Laut Markus Wild, Vorstand bei Bäurer, haben Fertigungskunden inzwischen erkannt, dass es nicht mehr reicht, ihren Kunden einfach nur ein Produkt zu liefern. Stattdessen sind Service und Kundenbindung gefragt.

Die Königin unter den Softwarelösungen

Mit einzelnen Prozessintegrationen bereiten sich Unternehmen gleichzeitig auf die Königsdisziplin der betriebswirtschaftlichen Software vor: die Produktionsplanung und -steuerung (PPS). »PPS ist das Thema bei den Unternehmenslösungen, das Firmen als letztes anfassen, weil es teuer und aufwändig ist«, erklärt Gunter Strickert, Leiter Fachreferat Industrie bei MBS. Jedes Fertigungsunternehmen hat eine Finanzbuchhaltung, mit PPS allerdings tun sich die Firmen schwer und versuchen so lange wie möglich, mit teilweise eigenentwickelten Lösungen auszukommen, bevor sie sich für Standardprodukte der ERP-Anbieter entscheiden.

Unternehmen, die sich trotz knapper Budgets momentan entscheiden, ihre Fertigungslösungen auszubauen, treibt meist der Kostendruck. Eigenentwicklungen und Exceltabellen bieten nicht den notwendigen Einblick in die Ausgaben, die es zu minimieren gilt.

Gleichzeitig sorgt der Kostendruck dafür, dass auch mittelständische Unternehmen ihre Produktion verstärkt ins Ausland verlagern oder Vertriebseinheiten in den osteuropäischen Ländern aufbauen. Für Hersteller bedeutet das, weitere Sprachversionen zur Verfügung zu stellen. Hersteller und Fachhändler sind gleichermaßen gefordert, ihren Kunden eine elektronische Anbindung der Auslandsniederlassung zu ermöglichen. Auch Logistik-Konzepte und die Integration der Supply-Chain-Module sind gefragt, um trotz größerer Entfernung zuverlässige Produktauslieferungen zu gewährleisten.

Fertiger, die vor der Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern stehen, wählen nach Branchenkompetenz aus. »Unsere Branchenkompetenz verleiht uns auch einen Vorsprung vor neuen Anbietern. Industrie-spezifische Prozesse lassen sich erst nach langjähriger Erfahrung abbilden«, ist Michael Wockenfuß, Produktmanager SCM/Produktion bei SoftM, überzeugt.

Komplettlösungen für den Mittelstand

Bei den engen Budgets haben vor allem ERP-Anbieter, die den Bereich PPS über ein Modul abdecken, gute Chancen. Eins dieser Unternehmen ist beispielsweise Sage, das zum ersten Mal auf der Hannover-Industrie-Messe vertreten sein wird. »Wir adressieren natürlich zunächst unsere Office-Line-Kunden und bieten ihnen unser PPS-Modul an. Gleichzeitig hoffen wir aber auch, über diesen Ansatz Neukunden aus der Fertigungsindustrie zu gewinnen«, erklärt Eckhardt Weinholz, Produktmanager Office Line von Sage. Zurzeit führt der Hersteller Telemarketingaktionen in einzelnen Branchen durch. 70 Fachhändler haben sich bereits für das Thema PPS entschieden.

Auch Softengine bietet ein PPS-Modul an, und zwar bereits seit 1998. Vorteile sieht Herbert Duhm, Leiter Support bei Softengine, eindeutig für die ERP-Anbieter mit PPS-Erweiterung: »PPS-Spezialisten fehlt die zugehörige Warenwirtschaftskomponente, wir stellen ein Komplettsystem zur Verfügung.« Dabei ist die Lösung schlank genug, um auch für wenig Geld den gewünschten Nutzen zu bringen.

Auch Microsoft, seit zirka fünf Jahren im PPS-Umfeld vertreten, setzt auf Komplettlösungen. »Die wenigsten Kunden entscheiden sich für uns, weil wir so gut im PPS-Bereich sind. Ein ERP-Produkt ist aber erst dann vollwertig, wenn auch die PPS-Komponente gegeben ist«, stellt Strickert fest.


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