Fit für RFID?. RFID ist auf dem besten Wege, Barcode-Scanner abzulösen. Die Industrie erkennt zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten der Technologie. Datenschützer sehen vor allem Gefahren.
IBM, Sun und Siemens machen es, SAP sowie die Heerschar der ERP- und Supply-Chain-Anbieter tun es, und die Hersteller von Mobilfunkgeräten wie Sony, Philips und Nokia sind auch schon mit dabei. Die Rede ist von Radio Frequency Identification, kurz RFID. Die RFID-Technologie ermöglicht es, den Weg von Produkten und Materialien automatisch zu verfolgen. Anders als der klassische Barcode, der nur die Sorte eines jeweiligen Produkts bezeichnet, kann ein RFID-Tag jedem Produkt eine eindeutige Seriennummer zuordnen. "Das ist weit mehr als Warehouse-Management, sondern Supply Chain in Echtzeit", erklärt Andreas Lenkeit, Sector Manager Germany von Manhattan Associates, einem amerikanischen Anbieter von Supply-Chain-Execution-Software.
Das Prinzip von RFID ist einfach. Ein RFID-System besteht aus dem Transponder - dem RFID-Tag, dem Lesegerät mit Antenne und der Applikationssoftware. Die RFID-Tags sind kleine Chips, die auf kurzen Distanzen über Radiofrequenzen eine einzigartige Seriennummer senden. Beispielsweise an Paletten angebracht, kann eine RFID-Antenne am Tor eines Warenlagers diese Signale empfangen. Automatisch und in Echtzeit erhält so etwa das Warenwirtschaftssystem des Händlers die Information, dass die Palette im Lager angelangt ist. Mühsame manuelle Kontrollprozesse werden auf diese Weise ebenso reduziert, wie Kosten und unnötiger Lagerbestand.
Dabei ist RFID nicht neu. Anwendungsgebiete reichen schon weit vor 1977 zurück. Schon seit Jahren bemühen sich insbesondere Supply-Chain- und Logistik-Anbieter, die Prozesse entlang der Supply Chain zu verbessern. RFID soll das ermöglichen. "Früher haben sich die ERP-Anbieter aus diesem Thema stets rausgehalten", so Lenkeit. Mit Lagern, LKWs und Containern wollte man nichts zu tun haben, ergänzt der Manager. Dabei schlummern in den Logistikprozessen Einsparungs- und Optimierungspotenziale wie in kaum einem anderen Bereich.
Andreas Lenkeit, Sector Manager Germany Manhattan Associates: "RFID ist derzeit zu 95 Prozent eine Technologie für die Transportlogistik, die den Verbraucher nicht tangiert."
Foto: Manhattan Associatess
Seit der weltweiten Standardisierung des so genannten Electronic Product Code, kurz: EPC, sind erste Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten von RFID möglich. Darüber hinaus hat sich das EPC Global Center, ein Konsortium, dem beispielsweise Metro, Wal-Mart und Unilever sowie Technologieanbieter angehören, auf drei RFID-Frequenzen festlegen können. "Ende des Jahres erwarten wir sogar eine Einigung auf eine RFID-Frequenz, die es ermöglicht, Seriennummern zwischen verschiedenen Unternehmen auf allen Kontinenten eindeutig zu erkennen und zu verarbeiten", so Jan-Paul Boos, bei Manhattan Associates zuständig für das Partnergeschäft.
Der Kostenfaktor war bisher das größte Hindernis bei der Einführung von Funktranspondern. Deshalb bietet die Seeburger AG aus Bretten seinen Kunden die Transponder kostenlos an. Die Infrastruktur kann gemietet werden. Wen das nicht überzeugt, auf die Funktechnik umzusteigen, dem wird künftig unter Umständen Druck von oben nachhelfen. "Es ist gut möglich, dass in absehbarer Zeit große Unternehmen ihre Zulieferer nötigen werden, RFID einzusetzen", so Lenkeit. Beispiele dafür gibt es bereits. Wal-Mart verlangt von seinen Zulieferern, schon im nächsten Jahr auf RFID umzusteigen. Ebenfalls ab 2005 müssen alle Lieferungen an das amerikanische Verteidigungsministerium, egal, ob es sich um Uniformen, Munition oder Toilettenpapier handelt, mit Funketiketten ausgestattet sein.
Norbert Olbrich, Technical Manager Strategic Accounts RSA Security: "Die Funktransponder werden kommen. Mit ihnen aber auch weitere Sicherheitshersteller, die RFID zu verhindern wissen."
Foto: RSA
Ebenso wie die Euphorie der Technologieanbieter und Handelsunternehmen wächst der Druck der Datenschützer. Sie fürchten den "gläsernen Kunden", wenden sich gegen die weltweite Rückverfolgung gekaufter Produkte und fordern eine Blockierung der Daten nach Verlassen des Geschäfts. Ein besonderer Dorn im Auge ist ihnen, dass Kunden weder wissen, ob das gekaufte Produkt ein RFID-Artikel ist, noch, welche Daten dabei gesammelt werden. "Die Funktransponder sind so klein, dass man sie als Verbraucher kaum erkennen kann", moniert Norbert Olbrich, Technical Manager Strategic Accounts bei RSA Security. Er fordert die Firmen auf, das Vertrauen der Kunden nicht durch Heimlichkeiten bei der Einführung zu gefährden. "Transparenz ist das Gebot der Stunde, und die Lesbarkeit der Tags muss mit dem Verlassen des Ladens ebenfalls zu Ende sein", meint Oliver Brunner, Referent beim Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (siehe auch Kommentar Seite 12).
Die Hersteller-Fraktion hält die Bedenken der Datenschützer mehrheitlich für übertrieben. "Der Fokus von RFID liegt eindeutig auf der Optimierung von Geschäftsprozessen, die private Verbraucher und deren Datenschutzbelange überhaupt nicht antasten", winkt Axel Bülow, CIO bei der SAP Systems Integration AG ab (siehe auch Kommentar Seite 10). Auch Andreas Lenkeit von Manhattan Associates sieht noch lange nicht die Stunde gekommen, in der RFID bis auf Produktgröße verbunden mit der Möglichkeit, jeden Artikel eindeutig seinem Käufer zuordnen zu können, eingesetzt werden wird. "RFID ist derzeit zu 95 Prozent eine Technologie für die Transportlogistik, die den Verbraucher nicht tangiert", so der Sector Manager Germany. Frank Hemforth, Technology Business Consulting Europe bei Manugistics, glaubt gar, "dass RFID den klassischen Barcode schon aus Kostengründen nicht vollständig ersetzen wird".
Wie auch immer die Diskussion ausgehen wird: RSA Security hat schon mal einen Störsender entwickelt, der die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger blockieren soll. "Die Funktransponder werden kommen. Mit ihnen aber auch weitere Sicherheitshersteller, die RFID zu verhindern wissen", so Olbrich.