HP Pro Curve positioniert sich klarer gegen Cisco: Der ganz normale WAN-Sinn. Pro Curve Networking, die Netzwerksparte des HP-Konzerns, wagt sich mit zwei Routern nach langen Jahren erstmals wieder aus dem LAN-Markt heraus. Die WAN-Produkte sowie zusätzliche Sicherheitsfunktionen und -Module sollen den Anspruch unterstreichen, langfristig die klare Nummer zwei im Netzwerkmarkt zu bleiben.
In HPs Netzwerkwelt ging es bislang eher beschaulich zu: Streng orientierte sich das Unternehmen an den Industriestandards, neue Funktionsmerkmale wurden nur nach und nach eingeführt. Preisgünstige und unkomplizierte Produkte standen im Vordergrund, die Entwicklungsabteilung konzentrierte sich darauf, robuste und verlässliche Funktionen anzubieten. Mit dieser biederen Produkt- und Entwicklungspolitik schaffte es der HP-Netzwerkbereich in den vergangenen Jahren dennoch, im großen Markt der mittelständischen Unternehmenskunden rasch Marktanteile zu gewinnen: Hier zählten eben nicht ausschließlich technologische Argumente, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit waren mindestens ebenso wichtig: Bis der breite Markt endlich nach einer neuen Funktion verlangte, hatte auch HP sie in seine Produkte übernommen.
Mit dieser beschaulichen Strategie stießen aber die HP-Partner in letzter Zeit immer öfter an Grenzen: Da sich das Unternehmen ausschließlich auf den LAN-Markt konzentrierte, war es unumgänglich bei größeren Projekten, in denen Zweigstellen angebunden oder mehrere Standorte verbunden werden mussten, immer auch andere Hersteller mit ins Boot zu nehmen. Außerdem gestaltete sich die Verwaltung solcher Umgebungen schwierig, da mit den HP-Tools am WAN-Interface Schluss war. »Wir wollten uns erst einmal eine solide Position im LAN-Markt erarbeiten, bevor wir unsere Entwicklungskapazitäten neuen Bereichen zuwandten«, erklärt Bill Johnson, Entwicklungsleiter bei Pro Curve Networking. Diese neuen Bereiche standen jedoch in den vergangenen zwei Jahren auf seiner Tagesordnung. Das Ergebnis wurde jetzt vorgestellt. Im Frühsommer sollen mit einer Veranstaltungsreihe auch die deutschen Partner und Kunden Gelegenheit haben, sich die Neuheiten anzusehen: Mit zwei Routern, die klar gegen Ciscos 1.800er- und 2.800er-Serien positioniert sind, einem Access Controller Module für den Pro Curve Switch 5300xl, mit dem sich HP gegen die Wireless-Switch-Angebote anderer Anbieter richtet und einer patentierten »Virus Throttle«-Technologie, die ungewöhnlichen Netzwerkverkehr drosseln und so die Ausbreitung von Viren erschweren soll.
Auf Letzteres ist Johnson besonders stolz, ist es doch sein eigenes Patent: »Damit können unsere 5300er-Switches nun in Maschinenzeit auf Virenattacken reagieren.« Alles was derzeit im Anti-Virenumfeld getan werde, sei an der »Menschenzeit« orientiert, kritisiert Johnson: Viren erkennen, Signaturupdates schreiben und diese an die betroffenen Maschinen zu versenden, sei einfach ein zu langwieriger Prozess. Selbst wenn er nur wenige Stunden dauert, sind bereits zahllose Rechner infiziert. Die »Virus Throttle«-Technologie soll da Abhilfe schaffen: Sie erkenne den typischen Verkehr im Netzwerk, und stelle markante Abweichungen dazu fest. Ungewöhnliche Verkehrsspitzen, wie sie oft von Virenausbrüchen verursacht werden, bremst sie einfach aus, indem den ungewöhnlich aktiven Sendern weniger Bandbreite zugestanden wird, beziehungsweise der Port komplett geblockt werden kann. Ein Allheilmittel ist das nicht, es kann jedoch die Reaktionszeit erhöhen und die Folgen von Virenattacken eindämmen.
Die Technologie wird Kunden, die einen Pro Curve Switch 5300xl und die Software Pro Curve Manager Plus besitzen, zum kostenlosen Download angeboten, wann sie für weitere Switches verfügbar wird, ist derzeit noch unklar.
»Wir verlassen uns auch bei unserer Sicherheitsstrategie auf Standards und unser Augenmerk liegt darauf, den Zugang zum Netzwerk abzusichern«, betonte Wenceslao Lada, Vice President und General Manager EMEA bei Pro Curve Networking. »Mit der Virus-Throttle-Technologie schaffen wir uns aber ein zweites Standbein. Switches können und sollen in Zukunft den Datenfluss im Netzwerk kontrollieren.« Ansonsten verlässt sich Lada auf die von der Trusted-Computing-Initiative angestoßenen Entwicklungen, von einem Konzept, wie es Cisco mit NAC (Network Admission Control Program) verfolgt, hält er nichts.
Eine Erfahrung, die auch 3Com machen musste, hat nun HP dazu getrieben, im Routermarkt den Kampf gegen den übermächtig erscheinenden Branchenprimus Cisco aufzunehmen: Ab einer gewissen Projektgröße genügt es den Kunden einfach nicht mehr, lediglich die einzelnen LANs mit den Netzwerkprodukten eines Herstellers auszustatten, auch die WAN-Verbindung sollte aus einer Hand stammen. Und sowie 3Com nach dem Joint-Venture mit Huawei zunächst einmal die Rückkehr ins Routergeschäft anstrebte, um auch bei Großkunden wieder ins Gespräch zu kommen, so rüstet nun auch HP im Kampf um Platz zwei im Netzwerkmarkt an dieser strategischen Stelle auf. Andreas Hausmann, Chef der deutschen HP-Netzwerker, sieht erhebliches Potenzial in den neuen Produkten: »Schon seit Jahren fragen unsere Partner immer wieder danach, es ist großartig, dass wir nun endlich etwas bieten können, was sowohl vom Funktionsumfang als auch vom Preis her konkurrenzfähig ist.«
In Stückzahlen werden die beiden HP-Router zwar erst im April auf den Markt kommen, aber auch die Distribution reagiert bereits jetzt überwiegend positiv. »Die geplante Produkterweiterung war ein lang erwarteter Schritt und passt optimal in unsere VAD-Strategie. Technologie und Preis-Leistungs-Verhältnis haben die Pro Curve-Familie längst etabliert. Damit wird nun noch stärker unser fokussierter Kundenkreis angesprochen, der bezahlbare High-End- Technologie verlangt«, ist sich Andreas Bichlmeir, Business Group Manager Network & Communication bei Ingram Micro, sicher.
______________________________________________
Die Pro Curve »Secure Router 7000dl«-Serie wird dem Zusatz »Secure« durch eine Stateful Firewall, Access Control Listen, VLAN-Support und Unterstützung für 802.1x gerecht. Als Zusatzoption ist IPSec VPN-Terminierung möglich.
Die Reihe besteht zunächst aus den zwei Modellen »7102dl« und »7203dl«, soll aber künftig noch um je ein Modell nach oben und nach unten ergänzt werden. »7102dl« besitzt zwei Einschübe für modulare WAN-Schnittstellenkarten bis hin zu E1-Verbindungen. »7203dl« kann dagegen bis zu zwölf E1-Verbindungen aufrechterhalten.
Die Serie unterstützt die gängigen Standardprotokolle wie etwa RIP, RIPv2, OSPF, BGP4 und IGMPv2. Auch für die beiden Router bietet HP ebenso wie für seine Switches die lebenslange Garantie mit Austausch am nächsten Werktag an. Der Listenpreis für die im April verfügbaren Router liegt bei 1.270 Euro für das Modell »7102dl«, »7203dl« soll voraussichtlich rund 2.558 Euro kosten.