Radio Frequency Identification: RFID ? ein Geschäft für Systemintegratoren. Die RFID-Technologie soll die Supply Chain am POS revolutionieren. Für Systemhäuser kann die Integration in betriebswirtschaftliche Systeme wie Warenmanagement oder SCM lohnend sein. In Deutschland warnen Datenschützer allerdings vor dem Missbrauch mit den Kundeninformationen.
Unter RFID (Radio Frequency Identification) versteht man die berührungslose Identifikation von Waren, Verpackungen und Paletten per Funk. Mittels kleiner Chips (Transponder oder Tags genannt), die an den Waren angebracht werden, können Informationen über diese Waren blitzschnell und bei Hunderten von Transpondern gleichzeitig abgerufen werden. Der RFID-Markt in Europa steht nach einer aktuellen Analyse des Marktforschungsinstituts Soreon vor einem Höhenflug. Insgesamt werde sich der Markt von heute rund 400 Millionen Dollar auf über 2,5 Milliarden im Jahre 2008 entwickeln.
Entscheidend getrieben werde dieses Wachstum durch die heute schon bekannten Planungen großer Handelskonzerne wie beispielsweise Metro in Deutschland oder Tesco in Großbritannien. Der Löwenanteil des Marktes liege dabei im Bereich der Transponder. Die Zahl der Transponder steige bei einem flächendeckenden Einsatz im Bereich der Supply Chain und bei einer punktuellen Nutzung für Einzelprodukte schnell über die Milliardengrenze. Der Einzelhandel in Europa vertreibe pro Jahr über 260 Milliarden Einzelprodukte. Soreon geht davon aus, dass bis 2008 rund fünf Prozent dieser Produkte zusätzlich zum oder anstatt des Barcodes einen RFID-Tag erhalten werden.
Eine steigende Bedeutung könnten auch Dienstleistungen für RFID-Systeme verbuchen: Die Integration von RFID-Datenströmen in etablierte betriebswirtschaftliche Systeme wie Warenmanagement oder Supply Chain Management mache den umfangreichsten Anteil an den Service-Umsätzen aus. Im Jahre 2008 können mit Services rund 500 Millionen Dollar umgesetzt werden. Etwa die Hälfte davon seien Integrationsleistungen. Führender RFID-Markt in Europa sei Deutschland mit einem Volumen von knapp 600 Millionen Dollar im Jahre 2008. Dies liege derzeit am Vorpreschen der Metro-Gruppe bei der Einführung von RFID. Ab Herbst 2004 sollen die größten Lieferanten der Handelskette bereits Kartons und Paletten mit RFID-Chips ausrüsten. Eine Reihe von Feldversuchen bei unterschiedlichen Tochtergesellschaften der Metro sind bereits im vergangenen Jahr durchgeführt worden.
Die großen IT-Konzerne sind auf den RFID-Zug längst aufgesprungen: SAP und IBM haben beispielsweise kürzlich die Ausweitung ihrer Zusammenarbeit im Bereich Einzelhandel angekündigt. Das gemeinsame Angebot von Produkten, Plattformen und Dienstleistungen soll IT-Infrastrukturen beim Kunden vereinheitlichen, und neue Technologien wie RFID schneller verfügbar machen. Sun Microsystems hat in der vergangenen Woche ein RFID-Testcenter in Dallas eröffnet. Sun präsentierte seinen Kunden und Partnern die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Technologie.
Während Marktforschungsinstitute der neuen Technologie glänzende Erfolge in Aussicht stellen, sehen Datenschützer darin ein Tor zur kompletten Ausspionierung der Kunden.
Die Kritik vom FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V) entzündet sich insbesondere am bisherigen Verlauf erster RFID-Einsatzversuche in Deutschland. So informierte die Metro, die in ihrem Futurestore bis vor kurzem RFID auf Kundenkarten testete, die Kunden nach Meinung von FoeBuD nicht oder nur unzureichend über den Einsatz der Technologie. Die Tiefe der Datenerfassung ermögliche Metro, mit Hilfe der Payback-Karten der Kunden individuelle Profile zu erstellen, ohne dass der Kunde diesbezüglich eine Wahl habe, moniert Rena Tangens, Vorstandsmitglied der Bürgerrechtsvereinigung. Zudem seien die Chips auch auslesbar, ohne dass der Kunde das überhaupt merke. FoeBuD hatte Metro wegen des RFID-Versuchs kürzlich den Big-Brother-Award, eine jährlich vergebene Anti-Auszeichnung verliehen. Der Handelskonzern hat daraufhin den Versuch mit RFID-Chips auf Kundenkarten fürs erste unterbrochen.
Doch die Industrie arbeitet bereits an Lösungen, welche die Vorbehalte der Verbraucherschützer zerstreuen könnten: RSA Security hat mit dem Blocker Tag auf der Cebit die erste Methode vorgestellt, RFID-Chips gezielt und partiell zu deaktivieren, um bestimmte Kundendaten zu schützen. Ein RFID-Leser, der versucht, RFID-Tags aufzustöbern, ohne autorisiert zu sein, wird von dem Tag daran gehindert. Das geschieht, in dem der Blocker-Tag massenweise irritierende Signale aussendet. Entfernt man das Blocker Tag, kann der RFID-Tag wieder normal gelesen werden.
Für Phil Calderbank, Vorsitzender des RFID-Forums und VP der Epc Group, die Firmen und Entwickler über RFID berät, überwiegen trotz der Sicherheitsbedenken eindeutig die Vorteile der neuen Technik: »Sie kann zum Beispiel bei Garantiefällen Kassenzettel oder Garantieschein ersetzen oder dem Händler helfen, in seinen Warenregalen Ordnung zu halten.«
Zudem ließen sich die üblicherweise verwendeten RFID-Tags nur aus zwei bis drei Zentimetern Entfernung lesen. »Mehr erlaubt ihre Sendeleistung nicht«, betont er. Ein vom Träger einer Karte unbemerktes Auslesen sei damit so gut wie unmöglich. »Wir können es uns gar nicht leisten, auf die Vorteile dieser Technologie zu verzichten«, so Calderbank.
Was bedeutet die revolutionäre RFID-Technik für den Handel? Zunächst sind RFID-Tags derzeit für einen breiten Einsatz noch zu teuer. Doch das wird sich mittelfristig ändern. Unternehmen, die über RFID im Endkundenbereich nachdenken, zum Beispiel Retailer oder größere IT-Händler mit Ladengeschäft, sollten vor allem einen offenen Informations- und Diskussionsstil mit ihren Kunden pflegen. Sie sollen rechtzeitig offenlegen, wo und wie sie welche Daten von wem sammeln. Dazu gehört auch, was mit den Daten geschieht, also welche Anwendungen damit unterstützt werden. Heimlichkeiten sind hier fehl am Platz. Wichtig ist es, gezielt auf die Vorteile von RFID aus Kundensicht hinzuweisen. Jeder Kunde sollte selbst entscheiden können, ob er an einem RFID-Feldversuch mitwirken möchte oder nicht. Denn nur wer weiß, worauf er sich einlässt und was er davon hat, sieht auch die positiven Seiten und nicht nur die Risiken. Das gilt besonders im Datenschutz-sensiblen Deutschland.