Privat wie auch beruflich verbringen zahlreiche Mitarbeiter immer mehr Zeit mit Social Media. Deshalb sorgen sich viele Unternehmenslenker um Firmengeheimnisse, den guten Ruf des Unternehmens und die Konzentration der Kollegen auf ihre Arbeit. Guidelines fördern den vernünftigen Umgang mit Social Media.
Viele kennen Social Media vor allem aus dem privaten Umfeld: in der Form von Blogs, Social
Networks, Youtube, Twitter und Co. Aber auch immer mehr Unternehmen führen Social Software für den
internen oder kundenorientierten Gebrauch ein. Dazu setzen sie auf Microsoft Sharepoint (demnächst
in Version 2010 um zahlreiche Social-Features erweitert), IBM Lotus Connections (und künftig wohl
auf Information-Workplace-Software aus dem Projekt Vulcan), Novell Pulse ("Google Wave für
Unternehmen", derzeit Beta), EMC, Open Text oder einen der vielen Social-Software-Spezialisten wie
Jive, Atlassian oder Siteforum.
Social Media – auch gern als "Mitmach-Web" bezeichnet – lebt von User-Generated Content: von
Inhalten, die die Benutzer selbst posten – häufig wie bei Twitter spontan und en passant. Damit
sind die Zeiten vorbei, in denen Unternehmen nach außen mit einer einzigen Stimme sprechen konnten
("One-Voice Policy"): Zu durchlässig ist der Kommunikationsraum geworden, zu allgegenwärtig der
Austausch von Informationen und Informationshäppchen.
Privat und beruflich genutzt
Hinzu kommt, dass eine klare Grenzziehung zwischen privater und beruflicher Nutzung der
Social-Technik schon längst nicht mehr möglich ist. Damit gibt es vier Aspekte, unter denen Social
Media für Unternehmen relevant sind. Der erste Aspekt ist die berufliche Nutzung in der
Arbeitszeit: Einerseits setzen immer mehr Unternehmen auf hausinterne Social-Software-Plattformen
mit der Zielsetzung "Enterprise 2.0" (effizientere Zusammenarbeit mittels Web-2.0-Technik),
andererseits gehört das öffentliche Bloggen und Twittern zum Berufsalltag zum Beispiel von PR- und
Marketing-Mitarbeitern.
Hinzu kommt zweitens die berufliche Social-Media-Nutzung in der Freizeit. Für viele
Mitarbeiter endet die Arbeitszeit längst nicht mehr mit dem Verlassen des Büros, nicht mal mehr mit
dem Zuklappen des Notebooks im Home Office: Via Iphone, Blackberry und Co. ist man auch unterwegs
und letztlich rund um die Uhr erreichbar. Gerade Knowledge-Worker sind zudem oft so für ihr Thema
engagiert, dass sie sich auch privat in Foren und Blogs zu ihrem Fachgebiet äußern.
Drittens die private Nutzung in der Arbeitszeit: Das Chatten, Twittern und Youtube-Gucken im
Büro, das so viele Vorgesetzte fürchten – und bei dessen Bekämpfung sie dank zunehmender
Verbreitung von Smartphones auf verlorenem Posten stehen, auch wenn sie dies oft noch nicht zugeben
wollen. Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Jenen Mitarbeitern, die Arbeitszeit mit Social
Media verdaddeln, gelänge dies ebenso gut ohne Youtube, Twitter und Co.; denn dies ist kein
Technikproblem, sondern eines der Arbeitseinstellung. Im Übrigen gibt es durchaus
Enterprise-2.0-Ansätze, die vorsehen, dass Mitarbeiter auf unternehmenseigenen
Collaboration-Plattformen Privates einbringen können. Denn auch dies dient – bei moderater
Dosierung – der Unternehmenskultur und fördert den Austausch über Team- und Abteilungsgrenzen
hinweg.
Last, but not least: die private Nutzung in der Freizeit. Manch ein Mitarbeiter mag hier spontan
denken: Das geht doch den Arbeitgeber nichts an! Doch die "Consumerization" (Grenzverwischung
zwischen beruflicher und privater IT-Nutzung) wirkt in beide Richtungen. Wenn jemand privat unter
seinem richtigen Namen postet und twittert (statt unter einem Alias oder Pseudonym), woher soll das
Gegenüber dann wissen, dass ein Eintrag nun eben nicht vom Unternehmenshandy abgesetzt wurde,
sondern vom privat erworbenen Gadget? Wie privat kann ein Blog-Post sein, wenn ich weiß, er stammt
von einem hochrangigen Mitarbeiter der Firma XYZ? Hinzu kommt, dass zum Beispiel auch private
Tweets öffentlich sind – was schon manchen über den Chef schimpfenden Tweeter seinen Job gekostet
hat.
Richtlinien sollen?s richten
Die Sorge um unangebrachte, unbedachte oder auch exzessive Nutzung von Social Media ist häufig
berechtigt, und darum geben immer mehr Unternehmen Social Media Guidelines heraus. Anders als bei
den vielen Vorschriften, Richtlinien und Verhaltenskodizes der Business-Welt verkompliziert sich
die Lage in Fall der Social Media dadurch, dass es sich wie oben beschrieben eben nicht um eine
rein firmeninterne Angelegenheit handelt. Deshalb müssen Unternehmen hier – wie etwa auch im Fall
der Security-Awareness – besonders darauf achten, ihre Mitarbeiter zum verantwortungsvollen Umgang
mit den sozialen Medien zu motivieren, statt die mit Verboten, Vorschriften und dem Androhen von
Konzequenzen zu verprellen (siehe dazu die Glosse "Social-Networking-Richtlinien: Notwendig, übel
oder notwendiges Übel?",
bit.ly/aIP15W).
Vor diesem Hintergrund schrieb Jamie Kelly von Gazetteonline.com 2009, sie beschränke ihre
Social-Media-Richtlinie auf zwei Punkte: "Wenn Sie einen Account für Arbeitsaufgaben verwenden,
geben Sie sich als Angestellter der Gazette zu erkennen. Wenn das Posten Sie oder das Unternehmen
beschämen oder Ihre berufliche Reputation in Zweifel ziehen würde, DANN POSTEN SIE ES NICHT."
(Hervorhebung durch J. Kelly, Anm. d. Red.)
"Ein Unternehmen braucht auf jeden Fall Social-Software-Richtlinien! Denn diese können auch erst
einmal zur Nutzung motivieren, indem sie Unsicherheiten abbauen", so Prof. Michael Koch von der
Fakultät für Informatik der Hochschule der Bundeswehr in München im LANline-Interview (siehe "
http://llschnuerer.cmpdm.de//articles/best_practices_beim_social-software-einsatz:/2010004/02m.html">Fallstudiensammlung
für das Enterprise 2.0", LANline 04/2010, Seite 10?ff.). Den minimalistischen Ansatz à la Jamie
Kelly konnte er allerdings nicht gutheißen: "Als Best Practice würde ich es erachten, die
wichtigsten zehn Punkte in jeweils einem Satz ausformuliert zu kommunizieren." Neben dem Gebot der
Kürze betonte Koch, die Richtlinen sollten zudem eine "Anregung für den Umgang mit Social Software"
geben. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW e.V. hat kürzlich einen Gratis-Leitfaden namens "
Social Media Richtlinien: 10 Tipps für Unternehmen und ihre Mitarbeiter" vorgestellt, der als
Grundlage für unternehmenseigene Handlungsvorgaben dienen soll (erhältlich unter
bvdw.org).
Viele Unternehmen haben bereits verstanden, dass sie Mitarbeiter coachen müssen und nicht nur
Verbote aussprechen können. Dennoch findet man häufig Guidelines à la "Hauptsache, wir haben?s mal
schwarz auf weiß mitgeteilt". Doch es gibt zum Glück Beweise, dass es auch anders geht. Ein zurecht
gern zitiertes Beispiel ist die Social-Media-Broschüre von Kodak: Sie ist kompetent
zusammengestellt und sehr ansprechend aufbereitet (Bild). Um eine weitere Anregung zu geben, wie
man Social-Media-Guidelines freundlich und mit einem kleinen Augenzwinkern darstellen kann, haben
der LANline-Cartoonist Wolfgang Traub und der Verfasser dieses Beitrags unter Verwendung diverser
LANline-Titelgrafiken einen kleinen Social-Media-Leitfaden erstellt. Er ist auf Slideshare
kostenlos abrufbar (bit.ly/byOcAG). Mit solchem "
Communitainment" – also unterhaltsamer, Community-gerechter Information – können Unternehmen ihre
Mitarbeiter hoffentlich dazu anregen, sich verantwortungsvoll zu verhalten.
IBMs Social Computing Guidelines sind im englischen Original zu finden unter
www.ibm.com/blogs/zz/en/guidelines.html.
Das hier aufgeführte Executive Summary (Übersetzung: wg) – dem eine ausführliche Erklärung
folgt – entspricht nicht ganz Prof. Kochs Forderung höchstens zehn kurzer Sätze, enthält aber
bei gut überschaubarem Umfang klare Handlungsempfehlungen und kann damit durchaus als
Best Practice gelten:
1. Beachten und befolgen Sie IBMs Business Conduct Guidelines.
2. IBMer sind für die Inhalte, die sie auf Blogs, Wikis und jeder Art von User-generated Media
veröffentlichen, selbst verantwortlich. Bedenken Sie, dass von Ihnen Veröffentlichtes sehr lange
öffentlich zugänglich sein wird – schützen Sie Ihre Privatsphäre.
3. Geben Sie sich zu erkennen – namentlich und, falls relevant, mit Ihrer Rolle bei IBM – wenn
Sie IBM oder IBM-bezogene Angelegenheiten diskutieren. Und schreiben Sie in der ersten Person. Sie
müssen klarstellen, dass Sie für sich sprechen und nicht im Namen von IBM.
4. Falls Sie Inhalte auf einer Website außerhalb von IBM veröffentlichen, was Ihre Arbeit bei
IBM oder Personen, die mit IBM im Zusammenhang stehen, betrifft, verwenden Sie einen Disclaimer wie
diesen: "Die Postings auf dieser Site sind meine eigenen und repräsentieren nicht notwendigerweise
die Position, Strategie oder Meinung von IBM."
5. Respektieren Sie das Urheberecht, Fair-Use-Vorgaben und börsenrechtliche Bestimmungen.
6. Machen Sie keine vertraulichen oder geschützten Informationen über IBM oder jemand anderem
öffentlich. Bitten Sie um Erlaubnis, wenn Sie zu Konversationen posten wollen, die als privat oder
IBM-intern gedacht sind.
7. Zitieren Sie keine Kunden, Partner und Lieferanten ohne deren Zustimmung und verweisen Sie
nicht auf diese. Wenn Sie auf etwas verweisen, verlinken Sie wann immer möglich auf die Quelle.
8. Respektieren Sie das Publikum. Vermeiden Sie rassistische Äußerungen, persönliche
Beleidigungen, Obszönität oder Verhalten, das am IBM-Arbeitsplatz nicht akzeptabel wäre. Schenken
Sie der Privatsphäre anderer sowie Themen, die – wie Politik oder Religion – als anstößig oder
provokativ gelten könnten, angemessene Beachtung.
9. Finden Sie heraus, wer sonst noch zu Ihrem Thema bloggt oder publiziert, und zitieren Sie
diese(n).
10. Seien Sie sich in Social Networks Ihrer Bindung an IBM bewusst. Wenn Sie sich als IBMer zu
erkennen geben, stellen Sie sicher, dass Ihr Profil und verwandte Inhalte dazu passen, wie Sie sich
Kollegen und Kunden gegenüber darstellen wollen.
11. Fangen Sie keinen Streit an, korrigieren Sie Fehler unverzüglich, und ändern Sie vorherige
Posts nicht ohne Verweis auf die Änderungen Eingriff.
12. Versuchen Sie, Mehrwert zu schaffen. Liefern Sie wertvolle Informationen und Perspektiven.
Die Marke IBM ist am besten durch seine Mitarbeiter repräsentiert, und was Sie publizieren, könnte
auf IBMs Marke zurückfallen.
Nützliche Zusammenstellung von Guidelines:
www.digitalpublic.de/25-social-media-guidelines
Online-Datenbank mit 122 Social-Media-Policies:
socialmediagovernance.com/policies.php
Social-Media-Broschüre von Kodak:
www.kodak.com/US/images/en/corp/aboutKodak/
onlineToday/Kodak_SocialMediaTips_Aug14.pdf