Facebook, Twitter u.a. löschen im Schulterschluss mit EU-Behörden seit Jahren freiwillig und nach eigenen Spielregeln Kommentare und Beiträge. Ihr Hauptinteresse: Kosten sparen. Facebook hat jetzt die Anstellung weiterer Mitarbeiter angekündigt, um gegen den Hass im Netz vorzugehen.
In Sachen Meinungsfreiheit hört bei vielen der Spaß auf. »Zensur«, »Stasi-Methoden« oder »diktatorisches Mittel« – für die öffentliche Empörung gegen das Netzgesetz wurden in der Öffentlichkeit schwere Geschütze aufgefahren. Für sein Gesetz musste Justizminister Heiko Maas einiges an Prügel kassieren, selbst Teile des Bundestages sind in der Zwischenzeit auf die Idee gekommen, dass das Gesetz möglicherweise gewisse Inkompatibilitäten mit den eigenen Parteiinteressen aufweist. Es ist jedenfalls ein seltenes Phänomen, dass FDP, Linke und AFD inhaltlich an einem Strang ziehen. Doch es zeigt auch, dass die ganze Debatte mittlerweile mit einer gehörigen Portion Opportunismus gewürzt ist und der Protest gegen das NetzDG vor allem zur Schärfung des eigenen Profils erfolgt. Denn gerade an den Rändern des politischen Spektrums spielt man gerne mit grenzwertigen Posts, um bei anschließender Löschung öffentlich Stimmung gegen die politisch verordnete Zensur zu machen. In der aktuellen Debatte bleibt jedoch ein Aspekt unzureichend berücksichtigt: Im europäischen Rahmen löschen Unternehmen wie Facebook und Twitter bereits seit Jahren freiwillig munter Beiträge.
EU-Justizkommissarin Vera Jourová brachte die Vorzüge des europäischen Freiwilligkeitsmodells vergangene Woche gegenüber dem Spiegel schön auf den Punkt: »Ich habe die Internetunternehmen diszipliniert. Die Unternehmen tun, was wir von ihnen erwarten.« Da fragt man sich doch gleich: Warum tun die das? Zum einen sicherlich, um dem politischen Zwang eines Gesetzes zu entgehen, das wie das NetzDG klare zeitliche und inhaltliche Löschvorgaben macht. Zum anderen, weil genau dieser Entscheidungsspielraum den Unternehmen die Möglichkeit einräumt, selbst die Spielregeln festzulegen, nach denen Löschungen im Internet erfolgen. Betriebswirtschaftlich betrachtet hat das wiederum einen entscheidenden Vorteil: Es ist die kostensparendste Lösung. Anstatt rechtlich qualifiziertes Personal anstellen zu müssen, haben die Betreiber großer Plattformen in den vergangenen Jahren gemeinsam eine Datenbank mit extremistischen Postings angelegt und einen Algorithmus entwickelt, der die automatisierte Löschung von Inhalten – und vermutlich auch verdächtigen Profilen – im Netz ermöglicht.