Der wohl bekannteste Whistleblower der Welt, der seine Position nutzte, um vor der ausufernden Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA zu warnen, veröffentlicht sein Buch. Er möchte als Enthüller und nicht als Verräter wahrgenommen werden.
Edward Snowden hatte als Teil des US-Überwachungsapparats die Macht, ins Leben anderer Leute zu blicken. Und eines Tages war da der Junge, den er im Visier hatte. Der US-Geheimdienst war eigentlich an seinem Vater interessiert, und zapfte die Kamera von dessen Notebook an. »Er saß vor seinem Computer wie ich vor meinem. Nur hatte er ein Kleinkind auf dem Schoß, einen Jungen in Windeln«, erinnert sich Snowden. Das Kind kicherte und blickte in die Kamera. »Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er mir in die Augen sah. Plötzlich wurde mir klar, dass ich den Atem angehalten hatte.«
Es sind Momente wie dieser, die Snowdens Memoiren »Permanent Record: Meine Geschichte» lebendig werden lassen. Was Edward Snowden getan hat, weiß jeder. Auch die Grundzüge der Geschichte, wie aus einem Nerd, der die Terroranschläge vom 11. September 2001 rächen wollte, der Whistleblower wurde, der das weltweite Überwachungssystem des US-Geheimdiensts NSA enthüllte, wurden schon oft erzählt.
Das Buch liefert nun die sehr ausführliche Hintergrund-Version dazu. Snowden fängt bei seiner Kindheit an. Sein Vater war bei der Küstenwache, seine Mutter arbeitete zeitweise für die NSA - als Büroangestellte bei einem unabhängigen Versicherungsunternehmen. Beide hatten eine Geheim-Freigabe. Eine prägende Erinnerung ist der Schnitt des Hauses seiner frühen Kindheit, in dem sein Bett in einem frischen Anbau mit einem inneren Fenster zum Fernsehzimmer der Familie stand. »Solange ich mich zurückerinnern kann, bestand meine Lieblingsbeschäftigung darin, den Vorhang zur Seite zu ziehen und durch das Fenster in das Fernsehzimmer zu spähen», schreibt Snowden. »Oder anders gesagt: Soweit ich mich zurückerinnern kann, war Spionage meine Lieblingsbeschäftigung.«
Über dieses Fenster beobachtete der kleine Eddie fasziniert, wie sein Vater einen Heimcomputer der Marke Commodore C64 an den Fernseher anschloss. Und später eine Nintendo-Spielekonsole - die sein Sohn bei einem (vermutlich unnötigen) Reparaturversuch zerlegte. Das bescherte Snowden ein weiteres prägendes Erlebnis: Bei seinen Bemühungen, das Gerät wieder zum Laufen zu bringen, nahm sein Vater ihn mit in seine Werkstatt auf der Arbeit. Dort war er fasziniert von der Reihen von Computer-Bildschirmen und kommunizierte erstmals selbst mit einem Rechner über eine Tastatur.
Als im Haus der Snowdens schließlich ein Compaq-PC mit Internet-Verbindung auftauchte, »waren der Computer und ich unzertrennlich«, schreibt er. Snowden schwärmt von der damaligen Netzkultur: »In den neunziger Jahren war das Internet noch nicht der größten Schandtat des Digitalzeitalters zum Opfer gefallen: den Bemühungen von Regierungen und Unternehmen, die Online-Identitäten eines Nutzers so eng wie möglich an seine tatsächliche Offline-Identität zu koppeln.«