Was wären Formel-1-Piloten ohne elektronisches Cockpit? Gute Autofahrer, die nur mit Glück ihre Rennmaschinen beherrschen. Moderne Firewalls sind so komplex, dass ihre Administrierbarkeit zum Sicherheitsrisiko zu werden droht. Neue Bedienkonzepte wirken dieser Gefahr entgegen.
In Zeiten knapper Investitionsbudgets hat sich das Thema Ergonomie längst zum Kostenargument
entwickelt. Allerdings stellt sich die Frage, ob dieser Aspekt auf die Welt der Firewalls
übertragbar ist. Zwar werden diese Sicherheitslösungen immer komplexer, aber ihre Administratoren
sind in der Regel IT-Profis, für die Befehlszeilen und Code eine vertraute, lieb gewonnene Welt
darstellen. Doch ist das immer die beste Wahl?
Im Zeitalter des E-Business gleichen sich die Unterschiede bei den Sicherheitsniveaus in
Abhängigkeit von der Firmen- und Netzgröße immer mehr an. Darauf gibt es prinzipiell nur zwei
verschiedene Antworten: die Zahl der IT-Administratoren signifikant zu erhöhen oder die
Administration zu vereinfachen.
Wer letzteres will, muss den Menschen, seine Vorstellungen und Erwartungen in den Mittelpunkt
seiner Überlegungen zur Gestaltung der Administrationskonsolen von Firewalls machen.
Anhaltspunkte für die Qualität der Ergonomie von Firewall-Cockpits liefern die Dialogprinzipien
zur ergonomischen Softwaregestaltung, wie sie in der internationalen Norm ISO 9241, Teil 10
formuliert sind.
Ein Bildschirmdialog muss "aufgabenangemessen" sein.
Diese Regel bedeutet unter anderem, dass unnötige Arbeitsschritte vermieden oder vom System
automatisch ausgeführt werden sollten. Außerdem sollten nur diejenigen Informationen angezeigt
werden, die unmittelbar mit der vorliegenden Aufgabe zusammenhängen. Herkömmliche
Bedieneroberflächen von Firewalls stellen die verschiedenen Features und vielleicht noch die
Beziehungen der verschiedenen Einstellungen untereinander dar. Dies nützt aber wenig, wenn ein
Administrator einen neuen Benutzer anlegen will, der im Vertrieb arbeitet und daher den gleichen
Sicherheitsregeln unterworfen sein soll wie seine Abteilungskollegen. Eine "aufgabenangemessene"
Bedieneroberfläche stellt deshalb den neuen Benutzer und die Anwendergruppe, der er zugeordnet
werden soll, dar. Per Drag and Drop wird das Symbol des neuen Users in die Gruppe integriert und
erbt automatisch deren Sicherheitseinstellungen. Sollen für diesen Anwender, weil es sich zum
Beispiel um den neuen Vertriebsleiter handelt, teilweise abweichende Regeln gelten, so sollte ein
Mausklick auf das Symbol des Users genügen, um alle für ihn relevanten Funktionalitäten der
unterschiedlichen Firewall-Applikationen und ihre aktuellen Konfigurationen in einer konsolidierten
Darstellung anzuzeigen. Die Änderungen der Einstellungen müssten sich dann per Auswahlmenüs
vornehmen lassen.
Ein gelungener Dialog ist selbstbeschreibungsfähig
Eine Oberfläche, die das Kriterium der "Selbstbeschreibungsfähigkeit" erfüllt, sollte bei der
Wahl der Symbole ein Maß an Informationsgehalt erreichen, das deren Bedeutung möglichst einfach und
gleichzeitig eindeutig erkennen lässt. Das Symbol für einen Arbeitsplatzrechner sollte deshalb
seinem realen Gegenstück so weit wie möglich ähneln. Andererseits kann man bei der Darstellung
eines konkreten Anwenders auf eine grafische Symbolisierung verzichten und einfach dessen Vor- und
Zunamen verwenden, um Verwechslungen auszuschließen. Selbstbeschreibungsfähigkeit bedeutet darüber
hinaus, dass sich die Bedeutung eines Symbols nicht ändert, unabhängig vom Kontext, in dem es
verwendet wird. Kontextabhängige Bedeutungsunterschiede verlangen dementsprechend nach neuen
Symbolisierungen, um die Eindeutigkeit zu erhalten.
Die Steuerung eines Dialogs muss beim Anwender liegen
Um das obige Beispiel wieder aufzugreifen: Die Sicherheitseinstellungen für einen
Vertriebsleiter können von denen eines Vertriebsmitarbeiters so deutlich abweichen, dass es einen
Umweg und Mehraufwand bedeuten würde, dem Manager zunächst alle Sicherheitseinstellungen der
Abteilung zuzuordnen. Für diesen Fall muss die Administrationskonsole die Möglichkeit bieten, die
nötigen Konfigurationen direkt auf der Ebene des Users einzugeben.
Von besonderer Bedeutung ist das Kriterium der Erwartungskonformität
Es ist für einen Anwender unerträglich, wenn innerhalb ein und derselben Anwendungsumgebung
Informationen auf unterschiedliche Art und Weise dargestellt werden oder wenn sich das
Dialogverhalten und der Dialogwortschatz beim Wechseln von einer in die andere Anwendung ändern. So
gehören für den Anwender zum Beispiel URL- und Content-Filtering wie zwei Seiten derselben Medaille
zusammen, wenn in diesem Bereich Einstellungen auf Gruppen- oder User-Ebene anzuzeigen sind.
Natürlich wirken im Hintergrund zwei verschiedene Firewall-Applikationen, aber die entsprechenden
Auswahlmenüs und Konfigurationsmöglichkeiten sind in einer konsolidierten Darstellung
zusammenzufassen. Mehr noch: Auch die Nomenklatur beider Anwendungen müssen angeglichen werden.
Sollen etwa sexuelle Inhalte und Internetadressen, die auf entsprechende Seiten hinführen, geblockt
werden, so müssen die Rubriken sowohl der URLs als auch der Inhalte die gleiche Bezeichnung tragen.
Diese Forderung ist nicht trivial, denn gerade in diesem Bereich kommen vielfach OEM-Produkte
verschiedener Hersteller zum Einsatz. URL- und Content-Filtering ist übrigens ein hervorragendes
Beispiel für das Zusammenspiel aller bisher genannten Kriterien: Eine eindeutige und
allgemeinverständliche Nomenklatur eröffnet die Möglichkeit, die Konfiguration auch durch andere
Anwender als den IT-Administrator vornehmen zu lassen. Es mag nämlich durchaus Websites geben,
deren Domain-Name die Buchstabenfolge "sex" enthält und die daher geblockt werden, obwohl sie für
den Vertrieb wichtig sind. Wer aber kennt diese Websites besser als der Vertrieb? Können die
Einstellungen für URL- und Content-Filtering in einem einzigen Dialogfeld von einem Nichttechniker
für alle Nutzer der Gruppe "Vertrieb" vorgenommen werden, dann ist die Benutzerführung
aufgabenangemessen, selbstbeschreibungsfähig und steuerbar, weil den Kenntnissen des Anwenders
angepasst.
Das Benutzerkonzept von Firewalls muss sich durch Lernförderlichkeit auszeichnen
Die Forderung nach "Lernförderlichkeit" besagt, dass das Maß an technischem Wissen bei der
Administration so gering wie möglich gehalten werden sollte. So haben Filialen von
Einzelhandelsketten oder Banken, geografisch verteilte Produktions- und Vertriebsstandorte großer
Unternehmen, aber auch kleinere Unternehmen, die wie Anwaltskanzleien oder Steuerberaterbüros einer
besonderen Haftung beim Umgang mit persönlichen Daten unterliegen, ähnlich hohe
Sicherheitsanforderungen wie Konzernzentralen, verfügen aber nicht über das gleiche technische
Know-how. Daher ist es ratsam, Sicherheitsfunktionen – wo immer möglich – ohne technische
Begrifflichkeiten zu beschreiben. Einem im Umgang mit dem Internet geübten Anwender ist zum
Beispiel klar, dass die Zugriffsmöglichkeit aus dem Internet auf einen Rechner im eigenen Netz eine
große Gefahrenquelle darstellt. In einer grafischen Bedieneroberfläche kann diese Beziehung durch
ein Pfeilsymbol darstellt werden: Links vom Pfeil ist der Rechner dargestellt, der Pfeil zeigt nach
rechts, und dort ist das Internetsymbol platziert. Zur Erklärung muss ein Mausklick reichen, um
eine nähere Beschreibung einzublenden. Statt des technischen Begriffs "Stateful Inspection" reicht
dem Nichttechniker eine selbsterklärende Beschreibung völlig aus, etwa: "links darf auf rechts
zugreifen, rechts darf nur antworten". Mehr noch: Gerade durch solche Formulierungen sinkt das
Risiko fehlerhafter Eingaben.
Das ergonomische Design von Firewall-Cockpits schafft einen direkten Zugang zu den verschiedenen
Administrationsaufgaben und vermeidet Fehlerquellen durch anwendungsübergreifende Sichten und
Steuerungsmöglichkeiten. So wird auch das Delegieren von Administrationsaufgaben an
unterschiedliche Benutzergruppen möglich. Dies spart Zeit und Geld und erhöht ganz nebenbei das
Sicherheitsniveau – denn erst das Cockpit macht aus guten Autofahrern Formel-1-Piloten.