Die Sperrung von Web-Seiten ist keine sinnvolle Maßnahme der Strafverfolgung

Informatiker kritisieren Web-Sperre gegen Kinderpornografie

8. April 2009, 22:58 Uhr |

Die von der Bundesregierung geplanten Sperrungen von kinderpornografischen Web-Adressen sind nicht nur wenig hilfreich, sondern überwiegend schädlich, warnt die Gesellschaft für Informatik (GI). Statt auf nutzlose Internet-Zensur zu setzen, sollte der Staat lieber alle auf diese Internetseiten zugreifenden Straftäter unverzüglich verfolgen. Eine Sperrung behördenbekannter Server durch das BKA lenke nur von der unzureichenden Strafverfolgung der Täter ab.

Bereits heute verfolgen Staatsanwaltschaften kinderpornografische Straftaten und auch die
Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie Ordnungsbehörden gehen gegen einschlägige
Diensteanbieter und gegen den Host-Provider vor und lassen auch Web-Seiten im Ausland sperren, so
die GI.

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Allerdings wolle eben nun die Bundesregierung durch das Bundeskriminalamt (BKA) auch in
Deutschland behördenbekannte internationale Internet-Adressen, auf denen Kinderpornografie
gespeichert ist, sperren lassen. Dazu sollen sich die deutschen Internet-Service-Provider (ISPs) in
einem Vertrag mit dem Bundeskriminalamt (BKA) verpflichten. Die Sperrung soll durch die ISP
entsprechend einer täglich aktualisierten Internet-Adresslisten des BKA erfolgen.

"Die Sperrung von Web-Seiten ist keine sinnvolle Maßnahme der Strafverfolgung", ärgert sich der
Informatikerverein. Es reiche keinesfalls aus, den Zugriff auf pädophile Inhalte im Internet zu
erschweren. Vielmehr muss von vornherein verhindert werden, dass solche Inhalte überhaupt erstellt
und dann auch noch veröffentlicht oder weitergegeben werden.

"Sperrungen bewirken nicht, dass diejenigen, die Verbrechen an Kindern begehen, gefasst und
verurteilt werden. Dies können nur Polizei und Staatsanwaltschaften erreichen", betont die GI. Sie
fordert daher die Strafverfolgungsbehörden nachdrücklich auf, Straftäter gemäß Paragraph 184 b des
Strafgesetzbuches (StGB) wirksam zu verfolgen.

Die Sperrung von Web-Seiten könne zwar einen ordnungswidrigen Zustand beseitigen, sofern dadurch
der Zugriff auf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten wirksam verhindert würde. Aber an dem
Erreichen dieses Ziel bestehen erhebliche Zweifel. Denn: Die Weitergabe kinderpornografischer
Inhalte erfolgt nicht oder kaum über Web-Seiten.

"Tatsächlich kann im Internet nicht direkt auf Kinderpornografie zugegriffen werden. Die
Adressen sind meist nur Eingeweihten bekannt und zugegriffen wird hauptsächlich in geschlossenen
Benutzergruppen über Peer-to-Peer Netzwerke. Vielfach erfolgt die Verbreitung auch über
Mobiltelefone", so die Informatiker.

Eine Sperrung behördenbekannter Server durch das BKA lenke von der unzureichenden
Strafverfolgung der Täter nur ab – zumal diese Sperrungen bisher ja eben schon durch die
Staatsanwaltschaften und die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie Ordnungsbehörden
erfolgen.

Zudem: "Interessenten an Kinderpornografie besitzen meist sehr viel Technikerfahrung und werden
diese Sperren sehr schnell zu umgehen wissen", verweist die GI auf die Nutzung von
Anonymisierungsservern oder schlichten Webzugriff über ausländische Provider. Sollten auf den
gesperrten Web-Seiten kinderpornograhische Inhalte angeboten werden, würden diese eben schnell auf
andere Web-Seiten verlagert.

Eine vollständige Blockade sei wegen der dezentralen Struktur des Internets ohnehin nicht
möglich. "Sie wäre nur zu erreichen, wenn das Internet grundsätzlich umgestaltet wird. Sollte dies
gewollt sein, müsste dieses viel weitergehende politische Ziel in der öffentlichen Debatte klar
benannt werden", fordern die Informatiker ein Spiel mit offenen Karten.

Armin Barnitzke/CZ


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