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Orwell lässt grüßen

Kaum Einwände gegen Überwachungsstaat

Autor:Peter Tischer • 25.5.2018 • ca. 1:15 Min

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum so viele Menschen hier offenbar kaum Einwände oder Ängste vor einem derart weitreichenden Überwachungsstaat haben. Wenn 95 Prozent der Leute etwas von einer technischen Entwicklung haben, wird sie hier einfach akzeptiert und umgesetzt - die restlichen 5 Prozent Kritiker finden in einem autoritär geführten Staat wie China ohnehin kein Gehör, ist das Erklärmuster in der Umgebung der Kanzlerin.

Doch die Entwicklung gibt auch Anlass für Befürchtungen. Die bekommt Merkel beispielsweise zu hören, als sie sich am Donnerstagabend in der deutschen Botschaft in Peking mit Bürgerrechtsanwälten und Angehörigen von Inhaftierten trifft. Auch die Kanzlerin dürfte die Vorstellung nachdenklich machen, wenn irgendwann eine Mehrheit der Menschen ihr Leben über Internetplattformen abwickeln. Einem Missbrauch durch die ohnehin in Menschenrechtsfragen nicht zimperliche chinesische Führung wäre Tür und Tor geöffnet.

In den nächsten 10, 15 Jahren könnte das Land nach Einschätzung von Experten zum führenden Anbieter von Technologie zur Nutzung künstlicher Intelligenz werden - falls das nicht klappen sollte, ist das Land jedenfalls einer der Staaten, in denen die Technik zuerst eingeführt geworden ist. Ausländische Beobachter und Menschenrechtler sehen den sorglosen Umgang mit Daten in China und die massive staatliche Überwachung kritisch. Eine öffentliche Debatte über Datenschutz wird im bevölkerungsreichsten Land der Welt praktisch nicht geführt.

Derzeit arbeitet die Regierung an einem Sozialpunktesystem, das alle möglichen Daten der Bürger zusammenführt und auswertet. Das nationale Bewertungssystem, das an die totale Überwachung in George Orwells Roman »1984« erinnert, soll ab 2020 zwischen guten und schlechte Bürgern oder Unternehmen entscheiden. Und damit auch darüber, wer etwa einen Job, einen Auftrag oder einen günstigen Kredit bekommt. Potenziell hängt davon sogar ab, wer ein Flugzeug nehmen darf.