CRN: Wie haben sich durch Technologien wie Speichervirtualisierung, automatisches Storage-Tiering, Datendeduplizierung und -komprimierung die Gefahren für Daten und Datenträger verändert?
Engelland: Die Gefahren liegen nicht bei den Technologien an sich, vielmehr ist die Komplexität der eingesetzten Gesamtsysteme oft problematisch. Durch den Einsatz verschiedener unterschiedlicher Technologien wird es immer schwieriger für die verantwortlichen Mitarbeiter, den Durchblick zu behalten. Im Falle eines Ausfalls von Festplatten oder anderer Speicher im System sind die Administratoren dann nicht mehr in Lage, die richtigen Schritte einzuleiten und handeln oft überstürzt. Für die Datenretter bedeutet das immer öfter, faktisch von Null das gesamte System zu rekonstruieren, um überhaupt brauchbare Daten wiederherstellen zu können. Mit einem detaillierten Disaster Recovery-Plan, in dem jeder einzelne Schritt aufgeführt wird, was im Falle eines Ausfalls einer oder mehrerer Speicher zu tun ist, könnten viele Datenverlust-Fälle vermieden oder begrenzt werden.
CRN: Erschweren Speichervirtualisierung und Co. die Datenrettung?
Engelland: Die neuen Technologien im Speicherumfeld erschweren definitiv eine erfolgreiche Wiederherstellung. Sie erhöhen die Komplexität der Datenrettung in der Regel um ein Vielfaches. Mit der Virtualisierung ist beispielsweise eine zusätzliche Datenschicht im System hinzugekommen, die erst einmal bei einem Datenverlust zusätzlich lokalisiert und rekonstruiert werden muss, um zu der »normalen« Datenstruktur zu gelangen und die in der Virtualisierungsschicht vorhandenen Daten wiederherstellen zu können.
CRN: Wie stehen generell die Erfolgschancen für eine Datenrettung bei den unterschiedlichen Speichermedien?
Engelland: Die Erfolgschancen für eine Datenrettung sind nicht abhängig von dem Speichermedium, sondern von der Komplexität der vorhandenen Datenstruktur und ob bereits Daten vom System überschrieben wurden. Wenn der Speicher mechanisch ansprechbar oder reparierbar ist und keine ausgewöhnlichen Probleme auftreten, die nicht mit unseren spezialisierten Werkzeugen und unserem Knowhow aufgefangen werden können, bestehen in der Regel gute Chancen für eine Datenrettung.
CRN: Wie beschädigt darf ein Speicher sein, um überhaupt noch Daten wiederherstellen zu können?
Engelland: Generell kann man keine Rückschlüsse vom Grad der Beschädigung auf die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Datenrettung ziehen. Klar ist aber, dass der Speicher irgendwann auch ausgelesen werden muss. Bevor ein Speicher ausgelesen werden kann, muss er deshalb wieder mechanisch lauffähig gemacht werden. Wenn eine Festplatte einen Headcrash hatte, muss deshalb zunächst meist der Schreib-/Lesekopf ausgetauscht werden. In der Regel kann man sagen, dass die Daten fast aller Speicher wiederherstellbar sind, wenn die Beschädigungen nicht allzu gravierend sind. Wenn allerdings bei einem Tape das Magnetband verbrannt ist oder die eigentliche Disk der Festplatte in tausend Teile zersplittert ist – aus welchem Grund auch immer – kann hier auch der beste Datenretter nichts mehr machen.
CRN: Im Idealfall brauchen Unternehmen keine Datenrettung, weil sie auf geeignete Backup- und Archivierungsstrategien setzen. Inwieweit tun sie das ihrer Erfahrung nach tatsächlich, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, und welches sind die häufigsten Fehler?
Engelland: Gerade KMUs verfügen häufig nicht über ausreichende Backup-Maßnahmen. In vielen Fällen ist die Archivierungs- oder Backup-Strategie entweder nicht vorhanden oder lückenhaft. Vielfach können sich die Firmen gar nicht vorstellen, dass es auch bei einem RAID-System zu Ausfällen gleich mehrerer Platte kommen kann. Wenn dann kein Notfallplan vorliegt, gehen die eigenen Rettungsversuche vielfach schief.