Die Arbeit als IT-Fachjournalist wird immer spannender, die Themen brisanter.
Mit geringfügigen Änderungen ließe sich der ein oder andere Fachartikel bestimmt in Fachzeitschriften wie Network Computing, Wehrtechnik, Soldier of Fortune oder Guns and Ammo unterbringen. Der IT-Fachjournalist schreibt heute mehr über Angriff, Verteidigung, Strategie und Taktik, Spionage und Spionageabwehr, als die in den Krisengebieten der Welt stationierten Reporter großer Nachrichtenmagazine. Erfreulich, dass Network Computing fast ausschließlich über defensive Waffen, Techniken und Strategien, beispielsweise Firewalls, Verschlüsselung und Disaster-Recovery-Pläne, berichtet. Das ist aber nicht minder spannend – oder beunruhigend –, wie sich am Beispiel der in dieser Ausgabe besprochenen Bandverschlüsselung erkennen lässt. Da ist die Rede von Sicherungsbändern einiger Riesenkonzerne, die aus Lieferwagen, Hochsicherheitseinrichtungen und verriegelten Data-Centers gestohlen wurden.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich so etwas lese (oder schreibe), muss ich unwillkürlich an John Le Carré und Robert Ludlum denken. Da wurden Konzerne angegriffen, und Network Computing beschreibt nun, detailliert, wie es sonst nur Tom Clancy tut, die Waffen (Bandverschlüsselung), die zukünftig einen ähnlichen Angriff zwar nicht verhindern, dessen Auswirkungen jedoch abschwächen. Sehen Sie? Angriff, Verteidigung. Gegen Viren und Würmer, das IT-Äquivalent biologischer Waffen, ziehen wir mit Viren-Scannern zu Felde. Schon wieder: Angriff, Verteidigung. Militärische Fachausdrücke rollen uns schon lange locker über die Zunge, denken wir im Zusammenhang mit Firewalls nur mal an die DMZ: diese Abkürzung steht für »demilitarisierte Zone«.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es irgendwo eine militarisierte Zone gibt. Und tatsächlich: die ist unter anderem dort, wo sich unsere Firewalls befinden. Da ist die Front! Wir sind im Krieg, und alle Seiten rüsten auf.
Der IT-Fachjournalist ist Kriegsberichterstatter und Waffenexperte geworden. Ich persönlich möchte weder das eine noch das andere sein und plädiere dafür, das Wettrüsten zu beenden. In der Welt außerhalb der IT funktioniert das manchmal sogar. In der IT sind wir diesbezüglich immer noch im Mittelalter. Doch die Historie bis heute belegt, es wird leider nicht besser – militärische Wörter verankern sich zunehmend im Fachjargon der IT-Journalisten, die dann auch mehr und mehr zum Kriegsberichterstatter und Waffenexperten mutieren. Dem sollten wir alle gemeinsam gegensteuern.
Ihr Dirk Jarzyna