Die Macht gekaufter Freunde
Wozu sich noch mühsam echte Facebook-Freunde und Twitter-Follower halten - wenn es diese doch inzwischen auch bequem zu kaufen gibt?

Nicht nur in der Realwirtschaft treibt die Finanzkrise immer mehr Länder unter Rettungsschirme und lässt selbst wirtschaftliche Schwergewichte wie die USA mit einem Haushaltsloch von der Größe der BeNeLux-Staaten ringen. Auch in der virtuellen Welt der globalen Netzwerke ist die Inflation inzwischen angekommen. Der einzige Unterschied ist, dass die überstrapazierten Leitwährungen hier nicht Dollar oder Euro heißen, sondern »Likes« und »Follower«. Wer heute noch etwas in der Welt zu sagen haben will, muss zuallererst eine möglichst große Zahl virtueller Fans vorweisen, die ihm per Facebook, Twitter und Co rege die Treue aussprechen. Egal, woher diese kommen.
Denn während der Vorschlag der Prägung einer 1 Billion Dollar Gedenkmünze zur Aushebelung des US-Haushaltsdefizits in der Realität gescheitert ist, wird genau dieses Prinzip Online zunehmend salonfähig. Mehrere Anbieter wie Fiverr, FanMeNow, LikedSocial, und Viral Media Boost bieten inzwischen Pakete mit frei erfundenen Freunden und Fans an. Auf Bestellung liefern sie zwischen 1.000 und 1 Million Likes oder Follower an zahlungskräftige Kunden aus und verleihen ihnen damit die gewünschte Wichtigkeit. So verfünffachte etwa die FDP Anfang des Jahres fast auf einen Schlag ihre Twitter-Follower. Auch die Industrie nutzt solche Services ausgiebig und hofft dabei, dass der virale Verstärkungseffekt der Massen-Likes für ein Produkt besser ist als jede Werbung. Natürlich aus rein altruistischen Motiven. Zumindest umwirbt uns IBM derzeit damit, dass wir dank der geschickten Auswertung unserer sozialen Interaktion nicht mehr nur einer diffusen Zielgruppe zugeordnet, sondern endlich individuell auf unser Werbe- und Verkaufspotential hin erfasst werden. Was für ein »smarter Planet«.
--- forum[x|Wollen auch Sie endlich die Limited Edition Mainframes in Flieder und Pink?] ---Um sich für solche Großherzigkeit angemessen revanchieren zu können, empfiehlt die Kopfnuss den »smarten Verbrauchern« dringend, sich ebenfalls umgehend ein paar solcher Fake-Accounts zuzulegen. Denn wo der einzelne Freund nichts mehr wert ist, hilft nur die Flucht in eine Hyper-Inflation. Mit genügend virtuellen Stimmen und entsprechenden Like-Kaskaden kann man dann die Welt nach eigenem Gusto gestalten und beispielsweise IBM davon überzeugen, dass Massen von Konsumenten dringend nach rosa lackierten Servern mit aufgemalten Ringelschwänzchen verlangen. Oder auch Apple endlich den Wechsel auf Android nahe legen. I like.