Leipzig gegen Köln

Duell der Gaming-Giganten

11. August 2009, 9:20 Uhr | Joachim Gartz
Nach einem schlechten ersten Halbjahr 2009 wollen die Spielehersteller zur Gamescom wieder so richtig durchstarten.

Köln will in diesem Jahr mit der neuen Spielemesse »Gamescom«, die vom 19. bis zum 23. August in Köln veranstaltet wird, Leipzig als Nabel der Gaming Welt ablösen. Die Leipziger haben ihre bisher sehr erfolgreiche »Games Convention« wegen der Konkurrenz aus dem Rheinland jedoch nicht komplett eingestellt, sondern werden stattdessen künftig den Fokus ausschließlich auf Online Spiele legen.

Die Messe Leipzig hat mit der Games Convention, die im Jahr 2002 ihr erstmalig veranstaltet wurde, eine kontinuierlich wachsende Anzahl von Ausstellern und Besuchern verzeichnen können. Doch nun sehen sich die Veranstalter gezwungen, dem Druck des Branchenverbandes BIU (Bundesverband für interaktive Unterhaltungssoftware) nachzugeben, der Köln als Standort gegenüber Leipzig vorzieht. Vom 31. Juli bis zweiten August waren in Leipzig ausschließlich Browser-, Client- und Mobile Games zu sehen. Die »GC Online« will mit ihrer Konzentration auf Online Gaming, einer direkten Konfrontation mit der Kölner »Games Com« aus dem Weg gehen und sowohl Fachpublikum, als auch Gamer ansprechen. Die Kölner Messe »Gamescom« wurde nach dem Ende der Games Convention 2008 als offizielle »europäische Leitmesse für die Spiele-Industrie« vom Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) ausgerufen. Zahlreiche Spiele-Hersteller wie die Branchengrößen Electronic Arts und Ubisoft gaben kurz darauf ihre Unterstützung für die »Gamescom« und ein Fernbleiben von einer möglichen Games Convention 2009 bekannt.

Rückenwind für ihr aus der Not geborenes Konzept erhalten die Leipziger durch eine aktuelle Bitkom-Studie der zufolge Online-Computerspiele bei den 14- bis 29-Jährigen besonders beliebt sind. Mit 45 Prozent nutzt fast jeder Zweite in dieser Altersgruppe die im Internet angebotenen Spiele. Fast 10,3 Millionen Bundesbürger über 14 Jahren haben demnach schon einmal online gespielt. Dies entspreche einem Anteil von 14 Prozent.

»Onlinespiele sind längst kein Nischenmarkt mehr, sondern aus der heutigen Video- und Computerspiel-Landschaft nicht mehr wegzudenken«, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Besonders beliebt sind Denk- und Strategiespiele, die von knapp der Hälfte der Onlinespieler ausgewählt werden. Von jedem Vierten (24 Prozent) werden so genannte Casual Games, Spiele mit leicht zu erlernenden Regeln für die kurze Ablenkung wie Sudokus, Kreuzworträtsel oder Wissensspiele: »Der Großteil der Online-Gamer hat mit Actionspielen nichts am Hut, sondern sind Denkspieler«, so Rohleder. Überdurchschnittlich hoch sei zudem der Anteil der Online-Spieler bei Menschen mit höherem Bildungsabschluss. Bei den Abiturienten und Hochschulabsolventen sind es 17 Prozent.

Messe Leipzig hat ihr Ziel nicht erreicht

Trotz der massiv zunehmenden Verbreitung von Online-Spielen hat die Messe Leipzig bei der Premiere der Games Convention Online ihr selbst gestecktes Ziel, 50.000 Besucher anzulocken, jedoch nicht ganz erreichen können. Es kamen im Endeffekt nur 43.000 Spielefans und Fachbesucher sowie 74 Aussteller aus acht Ländern nach Leipzig. Messechef Wolfgang Marzin gibt sich bezüglich der Zukunft der Online-Messe trotzdem optimistisch »Alle Zeichen für die Games Convention Online 2010 stehen auf Wachstum.«

In Leipzig wurden rund 150 Spiele gezeigt, darunter 50 Welt- und Europapremieren. Die vielfach in Kostümen aus ihren Lieblings-Spielen ausstaffierten Gamer hatten ausgiebig Gelegenheit, Neuheiten zu testen. Nach Messeangaben haben 90 Prozent der Aussteller angegeben, sie wollten 2010 wieder nach Leipzig kommen. Bei den Besuchern waren es 86 Prozent.

Absatzdesaster im ersten Halbjahr 2009

Neben der messetechnischen Spaltung der Branche zwischen Köln und Leipzig hat die Spieleindustrie im ersten Halbjahr 2009 zudem ein regelrechtes Absatzdesaster hinnehmen müssen. Die Branche reagiert offensichtlich wesentlich sensibler auf konjunkturelle Schwankungen als bisher angenommen. Die Hersteller wollen jedoch nun, pünktlich zur Gamescom, die mit einer Größe von 284.000 Quadratmetern (dies entspricht rund 38 Fußballfeldern) aufwartet, wieder so richtig durchstarten. Die vier Messehallen sind in Themenwelten aufgeteilt. Halle Sechs fungiert als Action- und Adventure-Zone. Halle Sieben ist ganz dem Thema Sport gewidmet. In Halle Acht geht es dagegen um das Thema Lifestyle, während in Halle Neun, wie in Leipzig, Online Gaming im Mittelpunkt steht.

Fachbesucher erhalten bereits am 19. August Zutritt zum Messegelände. In den Hallen vier und fünf steht für Reseller eine Business Area zur Verfügung, die täglich von neun bis 19 Uhr geöffnet ist, und in der zahlreiche Unternehmen mit einem zusätzlichen Stand präsent sind.

Ob sich die Kölner »Gamescom« allerdings tatsächlich als Konjunkturmotor für die zuletzt arg gebeutelte Spiele-Industrie erweisen wird, bleibt vorläufig offen: Im ersten Halbjahr 2009 entwickelten sich die Verkaufszahlen von Spielen und Konsolen stark rückläufig. Dies zeigt sich auch an den negativen Aktienkursen von Spielentwicklern wie Electronic Arts, Activision oder Take-Two. Selbst der marktführende Konsolenhersteller und Nintendo legte zuletzt enttäuschende Quartalszahlen vor. Der massive Einbruch der Branche ist jedoch nicht ausschließlich auf die Krise und eine wirtschaftlich bedingte niedrigere Nachfrage zurückzuführen. »Das geringere Wachstum im ersten Halbjahr 2009 erklärt sich auch dadurch, dass ein Jahr zuvor eine ganze Reihe von sehr großen Titeln neu erschienen ist, während sich die Neuerscheinungen nun gleichmäßig über das Jahr verteilen«, so Martin Lorber, Sprecher von Electronic Arts Deutschland.

Es sei allerdings davon auszugehen, dass sich der Markt für Computer- und Videospiele im Gesamtjahr 2009 durchaus positiv entwickeln werde. Obwohl die Absatzzahlen des Sektors nach Angaben der Marktforscher von NPD allein im Juni um über 30 Prozent geschrumpft sind, rechnet EA mit einer Erholung in den kommenden Monaten. »Wir haben ein starkes Line-up und gehen davon aus, dass wir ein sehr gutes zweites Halbjahr haben werden«, so Lorber.

Ähnlich optimistisch blickt der japanische Konsolenhersteller Nintendo in die Zukunft. Trotz eines Gewinneinbruchs um über 60 Prozent auf 42,3 Milliarden Yen (rund 316 Millionen Euro) hält der Konzern an seiner Gewinnprognose von 300 Milliarden Yen fest. Dabei steuerten die Japaner bislang noch vergleichsweise sicher durch die Krise und stiegen gegenüber den Konkurrenten Sony und Microsoft zum Weltmarktführer auf. Der Mangel an Neuerscheinungen ließ den Absatz der Nintendo Wii aber dennoch um knapp drei Millionen Stück auf 2,23 Millionen Geräte einbrechen, weshalb in der Branche bereits über mögliche Preissenkungen gemunkelt wird.


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