Pionier des Cloud Computings: Rafael Laguna de la Vera im Portrait
Rafael Laguna ist seit dem 17. Lebensjahr als Unternehmer und Investor tätig. Bei Suse Linux und Bäurer half er mit, die strauchelnden Firmen wieder auf Kurs zu bringen. Als CEO von Open-Xchange erobert der Westfale heute den Markt für E-Mail-Hosting und hat bereits den Fuß auf dem US-Markt. Bei aller Weltläufigkeit bleibt Laguna seinen Sauerländer Wurzeln treu.
Rafael Laguna lenkt die Aufmerksamkeit auf die bronzene Figur des geschäftigen Handwerkers: »Das ist übrigens der Panneklöpper «, klärt er den Besucher auf. Die Skulptur auf dem Marktplatz von Olpe erinnert an die Privilegien der Pfannenschmiede und die große Rolle, die diese Zunft einst in der Sauerländer Kleinstadt spielte. Über Jahrhunderte prägten Bergbau und Hüttenwesen das Gewerbe, und noch heute sind dort vor allem fertigende Betriebe ansässig. In die Phalanx drangen bislang zwei Software- Firmen ein: Dicomputer und Open-Xchange. An beiden ist Rafael Laguna de la Vera beteiligt.
Anders als es der südländisch klingende Name vermuten lässt, ist der 44-Jährige fest in der nordrhein-westfälischen Provinz verwurzelt. Er wohnt 40 Kilometer entfernt bei Gummersbach. Seit er zu Beginn des Jahres bei Open-Xchange vom Aufsichtsrat auf den Chefposten gewechselt ist, steht sein Schreibtisch wieder im Sauerland. »Mir gefällt es hier, und ich lebe gern auf dem Land«, beharrt er. »Außerdem komme ich viel in der Welt herum.«
Als CEO von Open-Xchange und profilierter Kopf der Open Source-Szene ist Laguna nicht nur hierzulande auf Branchen- Events gefragt, sondern auch in Übersee, wo er zuletzt als Sprecher auf der HostingCon in Chicago auftrat. Im Frühjahr schloss Open-Xchange in den USA einen spektakulären Deal mit dem Hosting- Provider Network Solutions ab, der E-Mail-Postfächer auf Basis der Olper Software vermietet. Hierzulande hatte das Unternehmen bereits Anfang 2007 mit 1&1 den Branchenprimus als Partner gewonnen. Seit der Provider aus Montabaur mit dem »MailXchange «-Angebot auch in den USA an den Start gegangen ist, arbeiten die Westfalen dort mit dem drittund dem sechstgrößten Anbieter zusammen.
Lagunas Bodenständigkeit verträgt sich gut mit einer souveränen Weltläufigkeit. Tatsächlich prädestiniert ihn schon seine Herkunft ebenso wie seine ausgeprägte Kontakt- und Kommunikationsfreude zum Kosmopoliten. Als Sohn eines spanischen Vaters und einer Mutter mit holländischen Wurzeln kam er in Leipzig zur Welt. Dort besaß der Urgroßvater noch zu DDR-Zeiten eine Fabrik für Schuhmaschinen. 1974 reiste die Familie in die Bundesrepublik aus und blieb im Sauerland hängen.
Nach der frühen Kindheit im Osten eignete sich Laguna schnell den westlichen Lebensstil an. Den Schüler zog es regelmäßig nach Kalifornien, wo ein Cousin der Mutter erfolgreich Saunen verkaufte. In den Sommerferien half Laguna im Geschäft aus und brachte aus den USA stets neuste Computer-Technologie mit nach Hause. Das Interesse an der IT war bei ihm früh erwacht. Die Mutter förderte die Neigung und schenkte dem Zwölfjährigen einen Mikroelektronik-Lehrgang.
Der Teenager zeigte nicht nur Talent beim Programmieren, sondern bewies zugleich Geschäftssinn. Bereits mit 16 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen, Elephant Software, das Programme für den TRS 80-Rechner vertrieb. Das Unternehmertum scheint in der Familientradition verankert. Nicht nur der Urgroßvater betrieb ein Gewerbe, beide Eltern arbeiteten als freiberufliche Dolmetscher. »Das Angestelltendasein habe ich in meiner Familie nicht kennen gelernt.« Auch über Selbstvertrauen verfügte er früh: 1983 reiste Laguna nach München, wo er Microsoft- Gründer Bill Gates bei einem Kongress traf, um ihm Verbesserungen für dessen Programmiersprache Basic vorzuschlagen. Nach dem Abitur versuchte sich der leidenschaftliche Cineast zunächst aber als Kinobetreiber. Während er in Olpe bei der AWO seinen Zivildienst leistete, führte er nach Dienstschluss gemeinsam mit einem Freund das Apollo im benachbarten Attendorn. Damals fehlte es ihm offenbar noch an kaufmännischer Weitsicht: Als die Jungunternehmer nach überaus hartem Winter im Frühjahr die Heizölrechnung erhielten, waren sie pleite.
Um die Schulden abzuarbeiten, bot der gescheiterte Kinobesitzer dem damals einzigen Software- Unternehmen in Olpe seine Dienste an: Die Firma Dicomputer stellt bis heute ERP-Systeme für den Getränkehandel her. Von den Fertigkeiten des Nachwuchsprogrammierers waren die Inhaber so überzeugt, dass sie ihm kurz darauf nicht nur einen Job, sondern auch ein Drittel der Firma anboten. Laguna, der gerade sein Informatik-Studium begonnen hatte, ließ die Uni nach drei Wochen Uni sein und griff zu.
Bei Dicomputer habe er alles gemacht: vom Entwickeln übers Präsentieren und Verkaufen bis zum Implementieren und Warten, berichtet er. »Das waren meine Lehrjahre.« Mit 24 Jahren wollte der frühreife Entrepreneur schließlich »die Welt jenseits des Sauerlands sehen« und heuerte als Berater bei der Bonner Software- Firma Micado an. Dort stieg er in die Geschäftsführung auf, wurde Teilhaber und blieb alles in allem zwölf Jahre. Als der Rivale PMSC, der heute zu CSC gehört, Micado kaufte, verpflichtete sich Laguna, noch fünf Jahre für das US-Unternehmen zu arbeiten. Bald darauf schossen die Start-ups wie Pilze aus dem Boden, und ein geborener Unternehmer wie Laguna musste als angestellter Manager zuschauen.
Da Investoren damals leichtfertig Geld verbrannt hatten, waren erfahrene Leute aus der ITBranche gefragt, welche die Markttauglichkeit von Technologien einschätzen konnten. Wieder frei, fing Laguna Ende 2000 als Berater bei der Münchner Risikokapital- Firma Ad Astra an. Unter anderem übernahm der Investor 2003 den insolventen ERP-Anbieter Bäurer, wo Laguna bei der Restrukturierung half.
Für seine Laufbahn bestimmend war das Ad Astra-Investment bei Suse Linux. Der umtriebige Berater ging 2002 als Interimsmanager nach Nürnberg. Damals kam der Kontakt zum Collaboration- Anbieter Netline zustande, der zufälligerweise in Olpe saß und dessen Software seither als Suse Linux Openexchange Server (SLOX) vertrieben wurde. Nach dem Kauf von Suse durch Novell kündigte der US-Anbieter den SLOX jedoch ab. Neustart mit Netline
Laguna, der an Netline glaubte, beteiligte sich finanziell. Das Unternehmen firmierte in Open- Xchange um und baute für sein Server-Produkt einen Channel auf, der rasch auf 100 Partner anwuchs. Anfang 2006 stieß Laguna die Entwicklung der Hosting Edition an. Ein riskantes Projekt, wie er rückblickend zugibt: »Das war eine Wette auf den Fortbestand von Open-Xchange«. Aber Unternehmen sind nach seiner Überzeugung gezwungen, solche Risiken einzugehen. »Technologie-Anbieter müssen sich disruptiv weiter entwickeln, sonst sterben sie einen langsamen Tod auf Raten.«
Die bisherigen Erfolge geben ihm Recht. Neben den Hostern in Deutschland und den USA zählen inzwischen auch die Nummer eins in Frankreich (OVH) und der Schweiz (Hostpoint) zu den Open- Xchange-Partnern. Mit weiteren Abschlüssen rechnet der CEO in den kommenden Monaten. Große Erwartungen knüpft er ebenso an Version 6 des Basis-Produkts, das über den Channel vertrieben wird. Die »Open-Xchange Server Edition« erbt Mandantenfähigkeit und Skalierbarkeit von der Hosting-Software. »Die neue Version verfügt über Features, die wir ohne die Arbeit an der Hosting- Edition nie entwickelt hätten «, schwärmt Laguna.
Wie seinerzeit der Jugendliche, begeistert sich der Software- Experte immer noch für Technologie, nennt sie sogar sein Hobby. So kann er sich stundenlang mit Gadgets wie iPhone oder EEE-PC beschäftigen oder mit anderen über Markttrends diskutieren. Sein eigenes Haus hat der Westfale intelligent vernetzt. Im Keller stehen zwei Racks mit Servern, auf denen er zum Spaß neue Software- Produkte ausprobiert. »Ein mitteständisches Unternehmen könnte ich schon mit Rechenleistung versorgen«, scherzt er.
Sein Horizont beschränkt sich allerdings nicht auf Technik. Trotz der frühen Pleite ist die Liebe zum Kino (»Lieblingsfilm: »Das Leben des Brian«) geblieben. Leidenschaftlich gern hört er Rockmusik. Für ein Konzert seiner Lieblingsband Radiohead flog er im Juni mit Ehefrau Susanne nach Dublin. Auch die Spitzen- Gastronomie der westfälischen Provinz weiß der Unternehmer zu schätzen, der zwar hart arbeitet, dem aber der Hedonismus nicht ganz fremd ist. »Mit Rafael Laguna kann man nicht nur gut zusammenarbeiten, sondern auch sehr gut feiern und dabei viel Spaß haben«, berichtet Petra Heinrich, ehemalige Vertriebschefin von Open-Xchange. Vor allem schätzt die Red Hat-Managerin am Kollegen aber die Fähigkeit, Visionen zu entwickeln, ohne dabei die Bodenhaftung und den Blick fürs Machbare zu verlieren. In der Hinsicht ist Laguna pragmatisch wie ein Sauerländer Handwerker geblieben.
Der Mensch: Rafael Laguna wird am 11. Juli 1964 in Leipzig geboren. Nach der Ausreise aus der DDR lässt sich die Familie im Sauerland nieder. Als Schüler gründet Laguna mit 16 Jahren sein erstes Unternehmen. Nach dem Zivildienst steigt er als Teilhaber bei Dicomputer in Olpe ein. 1988 wechselt Laguna zur Software-Firma Micado in Bonn. Dort avanciert er 1992 zum Geschäftsführer, der er nach dem Kauf des Anbieters durch PMSC (1995) bleibt. Ende 2000 fängt der Software-Experte als Berater beim VC-Unternehmen Ad Astra an. Seit 2005 begleitet er die Neuaufstellung von Open-Xchange als Aufsichtsratsvorsitzender. Laguna führt das Unternehmen seit Anfang 2008 als CEO. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Das Unternehmen: Open-Xchange wird 1996 als Netline in Olpe gegründet. Der Hersteller entwickelt Collaboration- Software, die seit 2002 als Suse Linux Openexchange Server (SLOX) vertrieben wird. Nach der Übernahme von Suse durch Novell Anfang 2004 lockert sich die enge Zusammenarbeit. 2005 wird Netline neu ausgerichtet und firmiert in Open-Xchange um. Anfang 2007 stellt der Open Source-Anbieter eine Hosting Edition seiner Software fertig, die inzwischen bei Providern in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, den USA und Japan im Einsatz ist.