IT-Services und Geschäftsprozesse miteinander zu verzahnen und optimal aufeinander abzustimmen, ist für Unternehmen topp aktuell. Weniger gefragt ist eine Neuausrichtung des IT-Service-Managements auf einen Rutsch. IT-Services und Geschäftsprozesse können nur schrittweise über eine geeignete Methodik in Gleichklang gebracht werden.
Nicht ITIL steht in der Kritik, sondern eine Neuausrichtung des IT-Service-Managements nach dem Motto »Wir führen jetzt ITIL ein«. Damit maßgeschneiderte IT-Services nahtlos ineinander greifen und in ihrer Gesamtheit die Geschäftsprozesse des Unternehmens effizient unterstützen, müssen zuvor IT- und Geschäftsstrategie in Linie gebracht werden. Erst dann beginnt das oft mühevolle und hoch komplexe Aufbrechen in einzelne Projekte und Arbeitspakete. Werden an dieser Nahtstelle im Verlauf des Vorhabens falsche Weichen gestellt und falsche Tools ausgewählt, ist der Erfolg des Gesamtprojekts gefährdet und die Kosten explodieren. Die eigentlich erwartete Steigerung bei Effizienz und Transparenz bleibt auf der Strecke. Genau das können sich die Entscheider in Zeiten enger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nicht leisten.
Was ist also zu tun, um IT-Service-Management mit Augenmaß und in beherrschbaren Schritten zu planen und aufzubauen? ITIL als umfassende Best-Practice-Sammlung und Messlatte für ITSM-Tools kann dabei nur als grobe Orientierung dienen. Eine anforderungsgerechte Realisierung von IT-Services und ihr Zusammenspiel mit den Geschäftsprozessen setzt eine geeignete Methodik voraus. Sie muss den Bogen spannen über IT-Strategie, Business-Case und Tool-Auswahl bis hin zu Implementierung, Betrieb und Optimierung der Zielarchitektur.
Mit Blick auf die Tool-Auswahl heißt das: Die eingesetzte Methodik muss Transparenz in die wechselseitige Abhängigkeit von IT-Services und den darin abgehandelten Informationsflüssen bringen. Mehr noch: Mit Hilfe dieser Transparenz kann auf dem Markt für ITSM-Anwendungen die Spreu vom Weizen getrennt werden, was ihren Nutzen für den spezifischen Business-Case des Unternehmens betrifft. Die Methodik der Wahl muss zudem in der Lage sein, betroffene Fachbereiche in Kosten-Nutzen-Überlegungen einzubeziehen, auch wenn sie eher IT-fremd sind. In einem Produktionsunternehmen beispielsweise denkt und handelt die Ingenieurtechnik in vollkommen anderen Kategorien als die IT. Dennoch sind die Belange im Produktionsbereich von größter Bedeutung für die Ausgestaltung der IT-Services und des darunter liegenden Prozess-Rahmenwerks.
Keine ITSM-Anwendung kann den Anforderungen voll gerecht werden, wenn ihr Zuschnitt nicht zur IT-Strategie des Unternehmens passt. Daher muss die Methodik unterschiedliche Ausprägungen solcher Strategien berücksichtigen. Beispiele dafür sind der Bezug von allen Produkten aus einer Hand (One-Stop-Shopping) oder aus einer Cloud sowie die umfassende oder teilweise Einführung von IT-Service-Management mit oder ohne Einbindung in eine Service-orientierte Architektur (SOA). Nur auf Basis einer ausformulierten und konkret feststehenden IT-Strategie können geeignete ITSM-Anwendungen quantitativ und qualitativ hinsichtlich ihres Nutzens für das Unternehmen bewertet werden.
Die häufige Bezugnahme auf den Business-Case ist Absicht. Ohne ihn fehlen für das ITSM-Projekt die Kotflügel und der Motor. Der Business-Case muss unmittelbar aus der IT-Strategie abgeleitet werden, auch um konkret aufzeigen zu können, warum ein Projekt überhaupt ins Leben gerufen wurde. Weitere Kernelemente des Business-Case sind die innerhalb der IT-Organisation oder auch der Fachbereiche identifizierten Schmerzpunkte, die in Relation zum Projektgrund stehen. Ferner sind dies die Zielvorgaben zur Behebung der erkannten Missstände, der erwartete Nutzen aus der Zielerreichung sowie die Risiken der Projektdurchführung. Sind Nutzen und Risiken ebenso wie die Projektaufwände monetär bewertbar, fördert das die Budgetverhandlungen. Dieser Nutzen kann dafür ebenso in qualitativen Größen dargestellt werden.
Erst mit der Beachtung aller aufgeführten Bestandteile der Methodik können sich IT-Entscheider hinreichend sicher fühlen, mit ihrem ITSM-Projekt keinen kostspieligen Schiffbruch zu erleiden. Diese Projekte sind bis zur Erholung der Märkte und vermutlich darüber hinaus von Kostenoptimierung und Prozessverschlankung geprägt. Stimmen die Methodik und der Zuschnitt der ITSM-Anwendungen hinsichtlich der eingangs geforderten Verzahnung von IT-Services untereinander und mit den Geschäftsprozessen, können Unternehmen genau das von ihrer neuen ITSM-Lösung erwarten.
Martin Hagenauer ist IT-Service-Management-Experte bei Materna
E-Mail: Martin.Hagenauer@Materna.de