"40 Jahre und die Zukunft noch vor sich", das waren die Worte beim Festvortrag von Bob Metcalfe zu Ethernet anlässlich der offiziellen 40-Jahr-Feier. Zur Geburtstagsfeier eingeladen hatte das LAN-und-MAN-Standard-Komitee IEEE 802.Während der Herbstkonferenz in Dallas überreichten die Veranstalter eine Geburtstagstorte an die drei Ethernet-"Erfinder" Dave Boggs, Bob Metcalfe und Ron Crane. Der launige Vortrag von Bob Metcalfe beschäftigte sich zunächst mit der Historie. Er erinnerte unter anderem an die Umstände, unter denen Ethernet ein Standard wurde. Damals bekam die Antitrust-Behörde Wind von dem konspirativen Treffen der DIX-Herren von DEC, Intel und Xerox und unterband das Meeting wegen Trust-Bedenken. Der Rat des Metcalfe-Anwalts lautete, einen offenen Standard zu entwickeln, was zu jener Zeit durchaus nicht im Trend lag. Und so wandte man sich an das IEEE-Gremium, das gerade den IEEE-488-Standard aus der Taufe gehoben hatte. Das Institut begrüßte das Vorhaben, und so wurde Ethernet zum Standard. Aber nicht nur die Historie lag Bob Metcalfe am Herzen, die Zukunft war der zweite Schwerpunkt. Dabei stand das Thema Mobilität ganz oben: Im Automotive-Bereich (oder amerikanisch "Vehicular") stehen viele Entwicklungen in der In-Car-, Car-Car- und Car-Internet-Technik an. Diese Themen, die vor allem auch mit der Drahtlostechnik zu tun haben, werden Ethernet weiter beflügeln. Die Experten feierten selbstverständlich nicht nur Geburtstag, sondern arbeiten auch an den Alltagsthemen weiter. Dabei stehen in der IEEE 802.3, die nun offiziell wieder "Ethernet" heißt, die Themen Geschwindigkeit und Stromversorgung im Fokus. Die Erhöhung der Geschwindigkeiten steht dabei sowohl im Glasfaser- als auch im Kupferbereich an: Das Glasfasertempo erhöht sich auf 400 GBit/s, und bei Kupfer arbeiten die Experten an 40 GBit/s. Bei der Stromversorgung mittels PoE (Power over Ethernet) gibt es heute bereits zwei Standards: 802.3af als DTE Power (15 W) und 802.3at als Extended DTE Power (30 W) je Leitung. Beide Standards verwenden jeweils zwei Paare für die Stromübertragung. Es liegt daher nahe, dass die beteiligten Experten darüber nachdenken, noch mehr Leistung zu übertragen und dazu vier Paare zu nutzen: 49 W sind das Ziel von 802.3 4PPoE 4 Pair PoE. Vor allem im Industriebereich gibt es eine Anforderung nach 802.3 1PPoDL (ausgesprochen "Pudl") 1 Pair Power over Data Lines. Dort erfolgt die Energieübertragung während der Sendepausen. Weitere Aktivitäten von 802.3 sind: 100 GBit/s Ethernet auf Backplanes und Twinax-Kabeln (802.3bj), Next Generation Ethernet 100 GBit/s Optics (802.3bm), Ethernet über Kabel-TV-Netze (802.3bn), Reduced Twisted Pair Gigabit Ethernet (802.3) und Interspersing Express Traffic (früher Distinguished Minimum Latency Traffic, Preemption). Im Jahr 2013 verabschiedeten die Experten die Standards Ethernet MIB Revision (802.3.1a) und Extended Ethernet Passive Optical Network (802.3bk). In der Hardwareentwicklung hat die Technik gerade eine nächste Stufe erreicht. Heute ist es möglich, anstelle der 10GBit/s- eine 25GBit/s-Technik für die Kommunikationsinterfaces zu verwenden. Dies erlaubt neue preiswertere Schnittstellen. In der Optik haben diese Entwicklungen besondere Auswirkungen. Dort arbeitet die IEEE 802.3bm an folgenden Konzepten: 100GBase-SR4 über Multimode Fiber (100m) und 40GBase-ER4 über Singlemode Fiber (4 WDM, 40km). Dies sind die Techniken, auf die sich die Experten zunächst einigen konnten. 100GBase-LR4 (100GBit/s über Singlemode Fiber, 500m) und 100GBase-SR4 (100GBit/s über Multimode Fiber, 20m) sind dagegen erst einmal zurückgestellt. EEE (Energy Efficient Ethernet) nach 802.3az ist wie bei allen neuen Ethernet-Versionen mindestens eine Option. Mit dem Streichen der beiden 100GBit/s-Varianten ist der Zeitplan wohl haltbar, bis März 2015 den Standard zu veröffentlichen. Die Arbeitsgruppe 802.3bj sieht 100GbE für Backplanes und Coax-Schnittstellen als Erweiterung der 40/100GBit/s-Technik. Damit reduziert sich die Anzahl der Lanes bei 100GBit/s von zehn auf vier. Ein Beispiel dafür sind 100GBase-CR10 und 100GBase-CR4. CR steht für Coax (Twinax) und die Zahl dahinter für die Anzahl der Lanes. Im Einzelnen wurden folgende neue Interfaces definiert: 100GBase-KR4 Backplane Interface (IL ? 35 dB at 12.9 GHz), 100GBase-KP4 Backplane Interface (IL ? 33 dB at 7.0 GHz) und 100GBase-CR4 Twin-Axial Interface mit mindestens fünf Metern Länge. Der Standard ist fertig und geht gerade an den Sponsor (IEEE Standards Organisation) weiter, der ihn nochmals prüft und in eine Form bringt, in der er veröffentlicht werden kann. Als Veröffentlichungstermin ist Juli 2014 vorgesehen. Neuerungen im Bereich der Zugangsnetze Die Zugangsnetze gehören bei 802.3 zu den Subscriber Access Networks. EPON (Ethernet Passive Optical Network) hat sich in diesem Bereich durchgesetzt. Der Standard zur Erweiterung des passiven Glasfasernetzes EPON (802.3bk) ist fertig. Die Beteiligten arbeiten auch an einer "EPON"-Coax-Technik, und zwar als 802.3bn. Passive Technik verteilt die Information per (optischem) Splitter auf eine bestimmte Anzahl von Häusern. Mit den bisher bekannten EPON-Verfahren lassen sich maximal 16 bedienen. Die Arbeitsgruppe 802.3bk hat den existierenden 802.3av-Standard wie folgt erweitert: 1/10G-EPON mit einer Reichweite von 30 km, 1G-EPON mit maximal 64 Teilnehmern und einer Mindestreichweite von 20 km und 10G-EPON mit den gleichen Parametern. Die Arbeiten daran sind abgeschlossen und seit August 2013 veröffentlicht. Die Arbeiten an den Standards zu Kabelnetzen hingegen laufen noch. 802.3bn EPoC (EPON over Coax) erweitert den 802.3 Standard um physikalische Spezifikationen und Management-Parameter für die Kommunikation über TV-Netze. Die Ziele dieses Standards sind: ein Zugangsnetzwerk auf Basis von EPON, Broadcast-Radio-Frequenz(RF)-Verteilnetze auf aktiven oder passiven Coax-Medien, Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen auf Coax- und hybriden (Fiber/Coax)-Kabeln, Unterstützung von symmetrischen und asymmetrischen Datenraten mit einer bidirektionalen Übertragung, Kompatibilität mit 1G und 10G EPON wie im 802.3 Standard definiert, Verwendung der EPON-Protokolle wie Multipoint Control Protocol (MPCP) und Operation Administration and Management (OAM), unabhängige Konfiguration von Upstream- und Downstream-Parametern sowie Operation im Kabelspektrum ohne Beeinflussung der originären Services. Die Arbeiten befinden sich im Anfangsstadium (Draft D0.2). Die Hauptdiskussion geht derzeit um die Duplexverfahren (TDD oder FDD). Mit einem Abschluss des Standards ist für Juli 2015 zu rechnen. Industrienetze, zu denen auch die oben erwähnten mobilen Netze gehören, bekommen immer mehr Gewicht. Dieser Entwicklung trägt auch die 802.3-Gruppe Rechnung. In mindestens zwei Arbeitsgruppen geht man auf diese Thema direkt ein, nämlich Reduced Twisted Pair Ethernet (802.3bp) und Distinguished Minimum Latency Traffic (TMLT), oder wie man heute sagt: Interspersing Express Traffic (IET). Das Problem, dass Gigabit Ethernet nur über vier Paare verfügbar ist, behindert vor allem die Industrie. Die RTPGE-Gruppe (Reduced Twisted Pair Gigabit Ethernet) will dieses Problem lösen. Sie entwickelt ein 1-GBit/s-Ethernet für Automotive- und Industrieumgebungen. Zu den wichtigen Parametern dabei gehören EMC-Fragen und die Temperatur. Die Experten wollen zwei Techniken realisieren: Bei Automotive-Anwendungen eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung über weniger als drei Twisted-Pair-Adern mit maximal vier Steckern über 15 Meter so genanntes Balance-Kabel. Außerdem für Flugzeuge, Eisenbahnen, Busse und LKWs eine Technik für Kontrollfunktionen, Automation und Transport mit mindestens 40 Metern Reichweite. Das 802.3bp-Gremium hat gerade den Normierungsauftrag erhalten und bereitet die ersten Entwürfe vor (Draft D0.2). Abgeschlossen sein soll der Standard im März 2015. Nachdem die Gruppe DMLT (Distinguished Minimum Latency Traffic) beim letzten Meeting erhebliche Akzeptanzprobleme hatte, hat sie sich nun einen neuen Namen gegeben: Interspersing Express Traffic. Mit dem neuen Name ist es ihr gelungen, eine Genehmigung für ihre Ziele in der 802.3-Gruppe zu bekommen. Ziel ist ein Standard für industrielle Anwendungen, der bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s und höher die maximale Latenz innerhalb eines Knotens so weit reduziert, dass sie nahe der Zeit für ein minimales Paket (64 Byte) plus IPG (Inter-Packet Gap) liegt. In der Realisierung bedeutet dies, dass ein längerer Frame für die Übertragung eines IET Frames unterbrochen sein muss. Diese so genannte "Preemption" ist das Problem, an dem sich der Streit zwischen 802.1 und 802.3 ursprünglich entzündet hatte. Ganz beigelegt ist der Streit bis heute nicht. Die Abstimmung über den Normierungsauftrag brachte erhebliche Skepsis vor allem im Bereich der Marktakzeptanz ans Tageslicht. Dennoch hat die Ethernet-Arbeitsgruppe 802.3 den Vorschlag akzeptiert. Er ist nun noch vom LMSC 802 zu genehmigen. Dann steht dem Beginn der Normierungsarbeit nichts mehr im Weg. Das Thema Bandbreiten, das auch Bob Metcalfe in seiner Keynote ganz vorne anstellte, ist ein klassisches Ethernet-Thema. Quality-of-Service-Probleme wollte man schon immer mit Bandbreite erledigen. Diesem Thema widmen sich heute vor allem zwei Gruppen: 40GBase-T spezifiziert die nächste Generation von Base-T Protokollen, und 400 GBit/s sorgt für ausreichende Bandbreite, wie sie in drei Jahren nötig sein wird. Die wesentlichen Ziele der Arbeitsgruppe für 40GBase-T sind seit der Märzkonferenz stabil. Mit 802.3bq haben die beteiligten Fachleute auch den Normierungsauftrag erhalten. Die Ziele sind schnell definiert: Es gilt, Datenraten von 40 GBit/s am MAC/PLS-Service-Interface zu bewältigen und eine Entfernung von 30m zu überbrücken. Die restlichen Ziele entsprechen denen anderer Ethernet-Standards, zum Beispiel die Fähigkeit zur Full-Duplex-Operation. Außerdem gefordert: die Unterstützung von 802.3 und des Ethernet-Frame-Formats sowie minimale und maximale Frame-Größen nach dem 802.3 Standard. Der Teufel steckt allerdings wie immer im Detail. Nach wie vor umstritten ist die Frage nach dem zu verwendenden Kabeltyp. Aus ISO/IEC kommt die klare Aussage, dass man mit der existierenden Klasse 7A (bei Erhöhung der Frequenz auf 1.6 GHz) eine ausreichende Reichweite erzielen kann. Die Amerikaner (speziell die TIA Gruppe TR-42.7 "Copper Cabling Systems") setzen auf eine neue Cat. 8 (2.0 GHz), die auf Cat. 6 basiert. In den Zielen hatte man sich bereits auf beide oben erwähnten Spezifikationen geeinigt. Vor Kurzem stellten die Experten die ISO/IEC-Lösung allerdings wieder in Frage, und zwar mit dem Hinweis auf die Chiphersteller, deren Technikvorgaben 2.0 GHz fordern würden. Diese Diskussion stellten die Beteiligten in Dallas zunächst aber zurück. Sie soll auf dem nächsten Meeting aber umso heftiger ausgetragen werden. Ein Call for Interest (CFI) hatte im Juli ein überwältigendes Ergebnis erhalten, 132 Experten aus den unterschiedlichsten Firmen wollten sich an der Entwicklung von 400 GBit/s beteiligen. Daher entstand eine Study Group, die den Normierungsantrag formuliert. Über die Ziele gab es bereits Einigkeit: eine MAC-Datenrate von 400 GBit/s, geeignete Unterstützung durch das OTN (Optical Transport Network), optionale 400-GBit/s-AUI-Interfaces für Chip-Chip- und Chip-Modul-Anwendungen. Zu den physikalischen Spezifikationen für unterschiedliche Leistungsklassen zählen Reichweiten von mindestens 100 m über MMF, mindestens 500 m über SMF, mindestens zwei Kilometer über SMF und mindestens zehn Kilometer über SMF. Aus den weiteren in Ethernet üblichen Zielen sticht die Fehlerrate (BER) hervor, die von sonst üblichen 10?12 auf 10?13 zu verbessern ist. Die Väter der Ethernet-Technik wird es gefreut haben, dass beim 40. Geburtstag immer noch die Bandbreite im Vordergrund steht. Mit den 40 GBit/s über Twisted Pair und den gestarteten 400 GBit/s über Glasfaser folgen die Experten von 802.3 dem eingeschlagenen Weg. Damit ist das LAN-und-MAN-Standards-Komitee IEEE 802 im Hochgeschwindigkeitsbereich sehr gut aufgestellt. Die nächste Technikgeneration mit 25 GBit/s pro Leitung kommt in den neuen Standards bereits vor. Auf Basis eines anderen Konzepts lassen sich 400 GBit/s nämlich kaum realisieren. In einer 10-GBit/s-Technik bräuchte man 40 Leitungen Auch 100 GBit/s Ethernet wird mit dieser Technik erheblich preiswerter - und damit seine Marktchancen erheblich besser. Auch 40 GBit/s über Kupfer gehören zum Credo. Allerdings ergibt sich dabei die Frage, wie dort die Killerapplikation aussieht. Gewiss haben RZs einen extremen Bandbreitenbedarf. Aber ist dieser nicht besser durch Glasfaser zu decken? Dagegen spricht der Respekt der Anwender vor der Glasfasertechnik. Zwar sind die Kosten vergleichbar geworden, und auch im Installationsbereich nähert sich die Komplexität an. Dennoch bleibt die Kupferinstallation nach immer die einfachere Variante. Spannend bleibt letztendlich, wer sich beim Kabel durchsetzen kann, ISO/IEC oder TIA. Auch im Zugangsbereich setzt Ethernet klar auf Glasfaser. Die in Konkurrenz zur europäischen DSL-Technik entwickelte Kupferzugangstechnik führt nicht nur in Europa ein Mauerblümchendasein. Passive optische Netze (EPON) sind der von Ethernet eingeschlagene Weg zum Internet. Fiber to the Home (FttH) ist der Ansatz, mit dem man den Bandbreitenhunger der Access-Kunden stillen will. In Deutschland tut sich diese Technik bekanntlich noch sehr schwer. Die Anbieter verkaufen - so lang es geht - die Telefontechnik DSL.