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WLAN-Lösungen im Industrieumfeld

802.11n nicht nur für das Büro

Nachdem der schnelle WLAN-Standard 802.11n nun endgültig verabschiedet ist, steht seinem Einsatz auch im industriellen Umfeld prinzipiell nichts mehr im Wege. Doch lohnt sich die Migration auf die neue Technik überhaupt? Welche Vorteile bringt sie gegenüber der bisherigen Funktechnik und welche neuen Einsatzgebiete eröffnet sie? Der Beitrag beschreibt die Anforderungen an WLAN-Equipment für unterschiedliche industrienahe Einsatzszenarien.

Autor:Hans-Dieter Wahl/pf • 28.1.2010 • ca. 5:55 Min

Bislang kam zur drahtlosen Anbindung von Geräten und Maschinen im Industrieumfeld, die aus der
Bürokommunikation bekannte und bewährte WLAN-Technik nach den Standards 802.11a/b/g zum Einsatz. Um
den hohen Anforderungen des Industrieumfelds gerecht zu werden, unterscheiden sich die Geräte für
den industriellen Einsatz allerdings in wesentlichen Punkten von ihren Pendants für den
Office-Einsatz. Dies gilt ebenfalls für Systeme nach dem neuen WLAN-Standard 802.11n, der auch in
diesem Umfeld deutliche Vorteile gegenüber der bisherigen WLAN-Technik mit sich bringt. Um den
Unterschied zwischen 802.11a/b/g und 802.11n für diesen Einsatzbereich zu verstehen, ist kurz ein
Blick auf wesentliche technischen Verfahren zu werfen, die der neue Standard benutzt.

MIMO (Multiple Input Multiple Output) ist ein wesentlicher Bestandteil von 802.11n und
verwendet mehrere Empfänger und mehrere Sender für die Funkkommunikation. Die meisten heute
verfügbaren Chipsätze unterstützen MIMO 2×3, beinhalten also zwei Sender und drei Empfänger. Die
MIMO-Technik verbindet verschiedene Verfahren miteinander: die Aufteilung der zu sendenden Daten
auf mehrere Streams (Sender) sowie den Mehrfachempfang über mehrere Antennen. Übertragungen von
zwei Streams verdoppeln dabei die Bruttodatenrate gegenüber einem Stream.

Ein weiteres Element von 802.11n ist die Erhöhung der Bandbreite für die
Bit-Übertragungsschicht von 20 MHz auf 40 MHz. Durch dieses einfache Verfahren lässt sich ebenfalls
eine Verdoppelung der Bruttorate erzielen. Die Nutzung der doppelten Bandbreite führt allerdings
dazu, dass ein 802.11n-Gerät, das mit 40 MHz betrieben wird, im 2,4-GHz-Band beinahe den gesamten
Frequenzbereich belegt. Im 5-GHz-Bereich ist dies unproblematischer, da hier insgesamt 19 Kanäle
mit jeweils 20 MHz Bandbreite zur Verfügung stehen.

Höhere Datenraten mit 802.11n

Darüber hinaus definiert 802.11n weitere Elemente, um die Bit-Übertragungsschicht zu
optimieren. Zu nennen ist im Wesentlichen die verbesserte OFDM-Modulation (Orthogonal Frequency
Division Multiplexing), die statt 48 nun 52 Datenträger enthält. Des Weiteren verwendet 802.11n
eine effizientere Medienzugriffssteuerung (Media Access Control), die ein MAC-Aggregation-Verfahren
umfasst, um kleinere Pakete in größeren Frames effizienter zu übertragen. Ferner kommt ein
Block–Acknowledge-ment-Verfahren zum Einsatz, das eine gleichzeitige Bestätigung mehrerer Blöcke
erlaubt und somit die Übertragung von Daten für Streaming-Anwendungen verbessert.

Derartig aufgebaute 802.11n-Systeme können eine Bruttodatenrate von bis zu 300 MBit/s
erreichen. Im Gegensatz dazu erreichen Systeme, die nur 802.11a/g unterstützen, lediglich eine
Bruttodatenrate von 54 MBit/s. Die mit 802.11n erzielbaren Reichweiten und Ausleuchtungen sind
dabei sogar geringfügig besser. Zum einen erhöhen die zusätzlichen Empfangsantennen den
Antennengewinn, und zum anderen kommen die Vorteile der MIMO-Technik durch die Ausnutzung von
Reflexionen an Wänden, Böden, Decken und Maschinenteilen speziell auch im industriellen Umfeld
positiv zum Tragen.

MIMO-2×3-Systeme benötigen drei Antennen, um mit voller Performance zu arbeiten. Allerdings
ist bei manchen Anwendungen im Industriebereich die Verwendung von drei (externen) Antennen
aufgrund des baulichen Aufwands oder technischer Gegebenheiten in der Praxis nicht immer möglich.
Die Tabelle 1 gibt unter anderem Aufschluss darüber, mit welchen Einschränkungen bei der
Reduzierung der Antennenanzahl oder der Nutzung lediglich eines Streams zu rechnen ist. Eine
Reduzierung von drei auf zwei Antennen hat bei einem MIMO-2×3-System immerhin keinen direkten
Einfluss auf die Bruttodatenrate, verschlechtert aber die Empfangseigenschaften geringfügig, da die
dritte Empfangsantenne fehlt.

Kompatibilität

Auch beim neuen Standard 802.11n ist das Thema Kompatibilität zu berücksichtigen. Die
Rückwärtskompatibilität zu vorhandenen Geräten, die nach 802.11a/b/g arbeiten, ist besonders
wichtig. Diese dürften in der Praxis in fast allen industriellen Installationen vorhanden sein. Bei
der Definition des 802.11n-Standards wurde bereits darauf geachtet, dass dieser die Bestandsgeräte
nach 802.11a/b/g ebenfalls unterstützt und darüber hinaus ein gleichzeitiger Betrieb möglich ist.
Besonders bemerkenswert ist dabei, dass sich die Performance der 802.11n-Geräte nur minimal
reduziert, wenn sich 802.11a/g-Geräte gleichzeitig im Netz befinden.

Der zweite wichtige Punkt ist die Kompatibilität von Geräten unterschiedlicher Anbieter. In
diesem Punkt bietet die Wi-Fi Alliance ein herstellerübergreifendes Zertifizierungsprogramm an. Sie
ist ein Zusammenschluss namhafter Hersteller von Wi-Fi-Chipsätzen und Wi-Fi-Geräten. Unabhängige
Testhäuser testen für die Wi-Fi Alliance nach umfangreichen Testspezifikationen die Kompatibilität.
Der Anwender, der ein durch die Wi-Fi Alliance zertifiziertes Gerät kauft, kann sicher sein, dass
dieses Gerät sich zu 100 Prozent standardkonform verhält und mit anderen 802.11n- und
802.11a/b/g-Geräten kompatibel ist. Da der finale 802.11n-Standard erst im September 2009
fertiggestellt wurde, befinden sich allerdings die meisten entsprechenden Produkte noch in der
Zertifizierung. Als ersten Anhaltspunkt sollte ein Anwender, der auf das Wi-Fi-Zertifikat Wert
legt, sich davon überzeugen, ob der Hersteller überhaupt Mitglied der Wi-Fi Alliance ist.

Einsatz in der Industrie

Zwar unterscheiden sich Access Points für Office-Anwendungen aus funktechnischer Sicht nicht
von denen, die für den industriellen Einsatz in Frage kommen, die Unterschiede der Anforderungen an
die Hardware selbst sind aber erheblich. Dabei hängen diese Anforderungen natürlich auch stark vom
jeweiligen Einsatzszenario ab. Auf folgende Merkmale sollte der Anwender je nach Einsatzgebiet der
Geräte achten:

staubgeschütze und stabile Indoor-Gehäuse mit Schutzklasse IP40,

Outdoor-Gehäuse mit IP65 oder einer höheren Schutzklasse für die direkte Montage im Freien,

Möglichkeit zur redundanten Stromversorgung,

Möglichkeit zur Stromversorgung über das Ethernet-Kabel (PoE nach 802.3af),

Möglichkeit, eine Glasfaserleitung als WAN-Interface einzusetzen,

Möglichkeit zur Montage auf DIN-Hutschienen beispielsweise in Schaltschränken sowie

erweiterter Temperaturbereich – zum Beispiel –25ºC bis +65ºC oder besser.

Geräte nach 802.11n sind im industriellen Umfeld auch besonders gut zum Aufbau hoch
performanter Richtfunkverbindungen geeignet. Die Montage eines Outdoor-Geräts direkt am Mast
ermöglicht die Verwendung sehr kurzer, verlustarmer Antennenkabel und verbessert dadurch die
ohnehin schon recht gute Performance dieser Technik. Bei Verwendung dualpolarisierter Antennen
ermöglicht es die 802.11n-Technik, zwei getrennte Datenströme über größere Entfernungen parallel zu
übertragen. Dualpolarisierte Antennen sind aus zwei Antennensegmenten aufgebaut, die orthogonal zu
einander polarisiert sind. Sie verfügen daher auch über zwei Antennenanschlüsse. 802.11n-Geräte
können so zwei getrennte Teilströme von A nach B – wie in 802.11n definiert – übertragen.
Verglichen mit der bisherigen 54-MBit/s-Technik lässt sich die Nettodurchsatzrate mehr als
verdreifachen. Auf Entfernungen bis zu 1.000 Meter waren bei Verwendung leistungsfähiger Antennen
mit der bisherigen Technik nicht mehr als 24 MBit/s realisierbar, die Verwendung von
802.11n-Geräten hingegen erlaubt – wie Beispiele aus der Praxis zeigen – Nettodurchsatzraten
(TCP/IP) von zirka 75 MBit/s. Gerade beim Aufbau von Bridge Links treten die Vorteile der neuen
802.11n-Technik deutlich zu Tage.

In einem anderen Anwendungsszenario ist beispielsweise ein großes Lager mit WLAN zu
versorgen, um dort drahtlose Handscanner an ein Warenwirtschaftsystem anzubinden. Dazu ist eine
WLAN-Infrastruktur nötig, die ein lückenloses Roaming ermöglicht. Daher sollten Access Points zum
Einsatz kommen, die IAPP (Inter Access Point Protocol) unterstützen und so in Verbindung mit einer
durchdachten Funkzellenplanung für ein optimiertes Roaming-Verhalten der Endgeräte sorgen.
802.11n-Technik ist in diesem Szenario zwar nicht zwingend notwendig, da die heutigen Handscanner
zumeist noch 802.11g-Technik verwenden. Der Einsatz modernster 802.11n-Technik mit den Chips der
aktuellsten Generation bringt aber auch in diesen Szenarien Vorteile mit sich. Beispielsweise
unterstützen viele ältere WLAN-Chips die für mobile Endgeräte wichtigen Stromsparmechanismen wie
etwa U-APSD (Unscheduled Automatic Power Save Delivery) oft nicht.

Ein weiteres interessantes Einsatzgebiet für WLAN-Technik ist der Betrieb in Fahrzeugen.
Anwendungsbeispiele sind das automatische Auslesen von Fahrgastdaten in Bussen und die
Aktualisierung von Fahrgastinformationssystemen bei der Einfahrt ins Busdepot oder an Haltestellen.
Zwingend notwendig ist dabei jedoch, dass die Geräte eine Typgenehmigung (E1-mark) vom
Kraftfahrt-Bundesamt besitzen, außerdem sollten sich die Geräte direkt aus der Fahrzeugbatterie
(zum Beispiel 24 V) mit Strom versorgen lassen. Gerade bei großen Datenmengen und kurzen
Aufenthalten, kann hier der deutlich höhere Datendurchsatz von 802.11n entscheidende Vorteile
bringen.

Investitionsschutz durch 802.11n

Ob die Vorteile von 802.11n wie der deutlich höherer Datendurchsatz und die bessere
Funkausleuchtung für die jeweiligen Anwendung in der Industrie voll zum Tragen kommen, hängt
natürlich von der spezifischen Anwendung ab. Ein Unternehmen sollte jedoch genau abwägen, ob es
heute noch eine Investition in die veraltete 54-MBit/s-Technik tätigt. In den meisten Fällen sind
die Geräte, die 802.11n unterstützen, nicht oder nur geringfügig teuerer als die bisherige
54-MBit/s-Technik. Mit 802.11n-Produkten erhält der Anwender in jedem Fall die modernste und
zukunftssichere Technik, die sich auch noch in einigen Jahren durch Software-Upgrades pflegen und
weiter verbessern lässt.

Dipl. Ing. Hans-Dieter Wahl ist Produkt-Manager bei Funkwerk Enterprise Communications.