Verkabelung mit Industrial Ethernet

Aus dem Blickwinkel der Produktion

31. März 2010, 3:00 Uhr | Bernd Horrmeyer/jos

Im Produktionsumfeld ist der Kommunikationsbedarf mit Leitrechnern, Steuerungen und intelligenten Feldgeräten in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die Durchgängigkeit der Informationen, Echtzeitverhalten und an die Umweltbedingungen angepasste Komponenten begründen den Erfolg von Industrial Ethernet. Es geht gleichermaßen um Technik wie um Konzepte. Dem Anwender stehen unter­schiedliche Verkabelungsphilosophien zur Auswahl - höchste Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen.

Diverse Organisationen bemühen sich um die Etablierung ihres Ethernet-basierenden Systems. Die Lösungen reichen von der Übertragung der generi­schen Kommunikationsverkabelung in den Industrie­bereich bis zu Ansätzen mit speziellen Komponenten und Topologien, ähnlich den etablierten Feldbussen. Normativ sind diese vom IEC (International Electrotechnical Commission) in mehreren Standards beschrieben. Innerhalb der Kommunika­tionsnetzwerke eines Unternehmens werden heutzu­tage typischerweise neben den anwendungsneutralen generischen Netzwerken gemäß der Norm IEC 11801/24702 zudem im Fertigungsbereich anwendungsspezifische Netzwerke innerhalb der so genannten Automation Islands gemäß der Norm IEC 61918 realisiert (Bild unten).

Industrieumgebung hat eigene Anforderungen

Industrial Ethernet wird oft rauen Einsatz­bedingungen ausgesetzt. Der Anwender muss daher neben den übertragungstechnischen Eigenschaften zusätzlich die Umgebungsbedingungen bei der Komponentenauswahl beachten. Eine systematische Beschreibung der Umweltbedingungen erfolgt mit dem MICE-Modell (Mechanical Ingress Climatic Electromagnetic) nach der Norm IEC TR 29106 für die Belastungen Mechanik, Fremdstoffe, Klima und EMV sowie den Schärfegraden 1,2 und 3 für Büro, leichter und schwerer Industriebereich.

Feldbusorganisationen haben hingegen eigene Definitionen, beispielsweise für in- und außerhalb des Schaltschranks. Ferner haben die Verwendung geschirmter Kabel, sowie das Erdungs- und Potenzial­ausgleichssystem erheblichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit des Netzwerks. Der Schirmanschluss der Leitungen für die elektrische Datenübertragung ist allseitig mit dem – vorzugs­weise vermaschten – Potenzialausgleichssystem zu verbinden. Potenzialdifferenzen zwischen den Erdungspunkten erzeugen Ausgleichsströme und diese wiederum Störungen in der Verkabelung. Falls kein ordnungsgemäßes Potenzialausgleichssystem besteht, sind optische Verbindungen sinnvoll.

Generische Verkabelung

Die für den Industriebereich entwickelte generische Verkabelung gemäß der Norm IEC 24702 nutzt das Modell der Referenz­installation – das aufgrund seiner leichten Planbarkeit in der Regel in der Gebäudeins­tallation zum Einsatz kommt. Das Modell der Referenzinstallation besagt, dass bei Verwendung bestimmter Komponenten sowie deren Anordnung eine bestimmte Güte erreicht wird. Zum Beispiel erhält man mit Komponenten für die symmetrische Verkabelung der Kategorie 5 einen Class-D-Channel, der für die Übertragung von Fast- und Gigabit-Ethernet geeignet ist. In diesem Beispiel dürfen die flexiblen Cords insgesamt maximal zehn Meter, die fest installierten Leitungen maximal 90 Meter sowie der Channel als Verbindung zweier aktiver Geräte insgesamt maximal 100 Meter lang sein. Da die Cords schlechtere Übertragungseigenschaften besitzen als das fest installierte Kabel, sind die Längenverhältnisse unbedingt einzuhalten. Die Verwendung höherwertiger Komponenten – beispielsweise der Kategorie 6 – oder die Reduzierung der Channel-Länge sind zur Kompensation längerer Cords zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber nur mühsam zu berechnen. Daher eignet sich diese Verkabelungsart lediglich für die Bereitstellung einer anwendungsneutralen Infrastruktur in einer Fertigungshalle – jedoch nicht für die Kommunikation innerhalb von Maschinen und Anlagen.

Die Anforderungen des Maschinen- und Anlagenbaus hinsichtlich Flexibilität und Anpassung an die spezifischen Anforderungen, wie zum Beispiel Teilstrecken mit Schleppkettenleitungen, sind dagegen deutlich höher. Hoher Planungsaufwand sowie eine große Fehleranfälligkeit wären bei Verwendung des Modells der generischen Verkabelung die Folge. Feldbusorganisationen gehen neue Wege: Sie erlauben auf Systemebene flexible Topologien und eine vereinfachte Auslegung der Verkabelung zwischen den aktiven Geräten. Der Anwender errichtet sein Netzwerk mit einfachen Regeln – ohne Berechnungen mit symmetrischen Kupferkabeln oder Lichtwellenleitern. Möglich wird dies durch ein durchdachtes System aufeinander abgestimmter Komponenten und Auslegungsregeln, das genau zu den übertragungstechnischen Anforderungen des Systems passt.

Dieses Vorgehen ist für anwendungsspezifische Netzwerke sinnvoll, da die Applikation festliegt und während der Nutzungsdauer des Systems auch nicht geändert wird. So nutzen die Systeme meist Fast-Ethernet, für das vier Adern reichen. Leitungen mit erhöhten Querschnitten erlauben eine Channel-Länge von 100 Meter, ohne sich mit Regeln für Cords und fest verlegten Leitungen auseinandersetzen zu müssen. Einige Systeme übertragen auch die Hilfsenergie über ein spezielles Adernpaar, sodass der Verkabelungsaufwand deutlich verringert ist. Zudem wird mit dem Anwender die Planung und Inbetriebnahme mit Steckverbindern erleichtert, die auf Leitungen und Umweltbedingungen abgestimmt sind.

Im Fall einer Maschine mit kurzen Leitungslängen ist eine sternförmige Verkabelung sinnvoll. Von einer zentralen Stelle, beispielsweise dem Schaltschrank, führt jeweils eine Leitung für die Datenübertragung zu den dezentralen Geräten. Bei verketteten Anlagen ist die bei Feldbussystemen übliche lineare Verkabelung von Vorteil. Mit Geräten, die über einen internen Switch verfügen, lässt sich die lineare Verkabelung problemlos aufbauen: Ankommende und weiterführende Leitungen sind jeweils an einen Ethernet-Port gesteckt. Um eine höhere Verfügbarkeit des Netzwerks zu erreichen, zum Beispiel bei Anwendungen im Safety-Bereich, kommt häufig eine Ringstruktur zum Einsatz.

Fazit

Ob Kupfer oder Lichtwellenleiter, Schaltschrank oder Gerät, Schweißbereich oder Chemieanlage – Industrial Ethernet lässt sich erfolgreich in der Automatisierungstechnik einsetzen. Mit einem erweiterten Installationskonzept der anwendungs­spezifischen Verkabelung lassen sich flexible Strukturen im Maschinen- und Anlagenbau leicht realisieren.

Vorteile von Profinet

Channel-Längen von 100 Meter lassen sich in beliebiger Kombination unter Verwendung der definierten Kabeltypen erreichen. Steckverbindungen im Channel können gemäß den industriellen Einsatz­bedingungen auch als Wanddurchgänge, Kupplungen oder Installationsdosen eingefügt werden. Das vereinfachte Planungsmodell ist erst durch die Verwendung eines erhöhten Adernquerschnitts von AWG 22 und darauf abgestimmten Steckverbindern möglich. Von besonderem Vorteil sind solche Steckverbinder, die zudem über eine Schnellanschlusstechnik verfügen, sodass sie sich ohne Spezialwerkzeug konfektionieren lassen. Im Gegensatz zur generischen Verkabelung mit acht Adern in Twisted-Pair-Anordnung nutzt Profinet einen optimierten Sternvierer, bei dem alle vier Adern miteinander verdrillt sind.

Bei den optischen Kanälen verhält es sich ähnlich. Die realisierbare Channel-Länge reicht von 50 Meter (POF) über 100 Meter (PCF) bis zu 2.000 Meter und 14.000 Meter (GOF-MM und GOF-SM). In diesem Zusammenhang sind Anschlusstechniken, die schnell im Feld konfektionierbar sind, ebenfalls von Vorteil. Dies gilt insbesondere für POF-Fasern, für die oft nur ein präzises Abschneiden der Faser erforderlich ist.

Eine Herstellererklärung garantiert die Eignung der Komponenten für Profinet und ermöglicht dem Anwender damit die einfache Planung und Installa­tion seiner Anlage. Im industriellen Umfeld hat das neuartige Installationssystem für Profinet somit deutliche Vorteile gegenüber der generischen Verkabelung.

Dipl.Wirt.-Ing. Bernd Horrmeyer ist im Product Marketing Pluscon bei Phoenix Contact in Blomberg tätig.


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