Ein digitaler Zwilling hilft auch, alternative Baustoffe zu erforschen. Bislang kommt kaum ein Neubau ohne Beton aus, dessen Herstellung jedoch jährlich Milliarden Tonnen klimaschädliches CO2 verursacht. Hinzu kommt: Beton braucht als Hauptzutat Sand vom Meeresgrund, der inzwischen mit bis zu 50 Milliarden Tonnen pro Jahr laut dem UN-Umweltprogramm (UNEP) einer der wichtigsten Handelsrohstoffe weltweit ist. In der Folge kommt es durch den unregulierten Abbau zu schweren Umweltschäden, weshalb die Verwendung bauchemischer Alternativen immer stärker in den Mittelpunkt rückt.
Eine entscheidende Rolle spielen in einer Smart City zudem hybride Energiesysteme, in denen die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von erneuerbaren Energien „barrierefrei“ zwischen Gebäuden, Stromnetz, Wärmenetz und Nutzern fließen kann. Idealerweise kombiniert man diese mit ökonomischen Anreizsystemen wie Mietstrom-Modellen, die den Nutzer als Konsument und Produzent in das System einbinden.
Parallel ermöglichen digitale Zwillinge, die Energieeffizienz eines Neubaus zu steigern: Mit den bauphysikalischen Daten aller Gebäudeelemente sowie den relevanten Daten zu Energieversorgung, Beleuchtung, Brandschutz und Gebäude-Management lässt sich die Klimabilanz eines Hauses bereits vor Baubeginn optimieren.
Ein weiterer Punkt ist das Mobilitäts-Management: Wie lassen sich Staus reduzieren? Wo soll eine Stadt neue Fahrradspuren anlegen? Wie kann sie den öffentlichen Nahverkehr verbessern? Ein digitales Abbild einer Stadt oder einer Region ermöglicht es Planern, diese Fragen in einem virtuellen Modell durchzuspielen und alle möglichen Szenarien zu testen. Durch die Kombination der verschiedensten Transportmodelle mit Echtzeitdaten erhalten die Verkehrsbetriebe zudem ein starkes Werkzeug zur Vorhersage, Optimierung und Steuerung des gesamten Netzes.
Wenn sich zum Beispiel ein Unfall ereignet, ist das System in der Lage, Optionen für mögliche Maßnahmen wie Straßensperrungen oder Umleitungen zu geben. Das verbessert den Verkehrsfluss, trägt aber auch zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Reduzierung von Emissionen bei. Aber auch die Auslastung öffentlicher Verkehrsmittel lässt sich mit Hilfe solcher Planungsmodelle besser steuern.
Daten auf Stadtebene sind inzwischen im Überfluss vorhanden. Sie sinnvoll zu verknüpfen, ist allerdings ein komplexes Unterfangen. Viele Erkenntnisse lassen sich nicht gewinnen, weil die unterschiedlichen Datenquellen nicht nahtlos in einem kohärenten Rahmen integriert sind. Eine Smart City mit all ihren eingebetteten IoT-Szenarien wie intermodaler Mobilität und digitalem Gebäude- und Energie-Management ist nur dann erfolgreich, wenn bisher geschlossene Einzelsysteme aus Prozessen und IT-Lösungen zu Ökosystemen zusammenwachsen. Gleichzeitig ermöglicht eine Smart City ihren Bewohnern mehr Transparenz: Anhand der vorhandenen Daten lässt sich quasi mit einem Klick erklären, warum und wo welche Maßnahmen erforderlich sind, was sie kosten und welche Folgen sie haben.
Marcus Giehrl ist Director Digital Transformation bei NTT.