Nachhaltigkeitsbedarf verstärkt Trend

Beschaffungswesen im Wandel

18. November 2024, 12:52 Uhr | Autor: Barton Finn | Redaktion: Jörg Schröper
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Angesichts der sich ständig wandelnden Wirtschaft erfüllt das Beschaffungswesen eine zunehmend wichtigere und strategische Funktion, die weit über den Einkauf von Waren und Dienstleistungen hinausgeht.

Der Verantwortungsbereich von Einkäufern hat sich erheblich erweitert und umfasst nicht nur das Management von Lieferantenbeziehungen und die Kostenkontrolle, sondern auch die Umsetzung der Nachhaltigkeitsbemühungen und -Ziele der Organisation.

Hintergrund: Da ökologische, soziale und ethische Herausforderungen zunehmend einen zentralen Platz in der öffentlichen Debatte einnehmen, wachsen die Erwartungen an Unternehmen, verantwortungsvoll zu handeln. Alle Stakeholder – Verbraucher, Investoren oder auch Regulierungsbehörden – achten vermehrt auf die Geschäftspraktiken von Unternehmen und deren Auswirkungen. Gefordert werden mehr Transparenz und hohe Standards für soziale und ökologische Verantwortung. Dieser Druck hat Unternehmen dazu veranlasst, ihre Beschaffungspraktiken zu überdenken und die entscheidende Rolle der Einkäufer bei der Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen anzuerkennen.

Die zunehmende Bedeutung von Corporate Social Responsibility (CSR) spiegelt einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise wider, wie Unternehmen innerhalb ihres eigenen Ökosystems agieren. Gerade in puncto Umweltschutz können Unternehmen nicht mehr länger nur sich selbst betrachten, sondern müssen die gesamte Lieferkette in den Blick nehmen.

Lieferanten werden somit zu einem integralen Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie und sind gefordert sich an den Zielen der Unternehmen orientieren, damit diese die richtigen Daten erheben können, um so die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Insbesondere die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ist ein wesentlicher Bestandteil der CSR-Strategien von Unternehmen – allerdings nicht der einzige. Unter anderem aufgrund der Lieferketten, des Transports, der Produktnutzung bzw. der Entsorgung macht das Beschaffungswesen im Durchschnitt 80 bis 90 Prozent der Gesamtemissionen (Scope 3) einer Organisation aus. Folglich ist es mehr als offensichtlich, dass die Umsetzung einer nachhaltigen Einkaufspolitik von entscheidender Bedeutung ist, um den immer strengeren Anforderungen gerecht zu werden.

Einkaufsleiter als Fahnenträger der Nachhaltigkeitsstrategie

Angesichts dieser neuen Herausforderungen gewinnt der Einkaufsleiter somit an Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens. Daher dürfte es kaum überraschen, dass immer häufiger die Chief Product Officer (CPO) beziehungsweise die Einkaufsleiter Vorstandsmitglieder sind. Die Aufgabe, die sie zu bewältigen haben, ist nicht klein: Der Einkaufsleiter muss nicht nur die CSR-Ziele seines Unternehmens in die Einkaufsstrategie integrieren, sondern auch dafür sorgen, dass die Lieferanten dieselben Standards einhalten wie das Unternehmen selbst, indem er insbesondere Nachhaltigkeitskriterien gemäß der CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) in die Auswahlprozesse einbezieht.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass vermehrt Schulungen angeboten werden, damit die Einkäufer ihre Kompetenzen ausbauen und mit den neuen gesetzlichen Anforderungen in diesem Bereich Schritt halten können. Einkäufer haben die Aufgabe, die Einführung einer nachhaltigen Beschaffungspolitik in der gesamten Lieferkette zu fördern. Jede Phase des Prozesses, von der Auswahl der Lieferanten über die Logistik und den Vertrieb bis hin zum Vertragsmanagement, bietet Möglichkeiten, verantwortungsvolle Praktiken zu integrieren. So ist sichergestellt, dass die ausgewählten Lieferanten mit den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens übereinstimmen und der gute Ruf der Marke gewahrt bleibt.

Ein weiteres wichtiges Zeichen für die wachsende Bedeutung des Beschaffungswesens in Organisationen ist die Entstehung einer neuen Position: die des Managers für nachhaltige Beschaffung, der speziell für die Festlegung und Umsetzung verantwortungsbewussterer Einkaufspraktiken zuständig ist. Dies gilt beispielsweise für die Beschaffung von IT-Produkten, die einen großen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck haben und im Falle derer Einkäufer auf die strengsten Nachhaltigkeitszertifizierungen zurückgreifen sollten.

Die Schaffung einer solchen Stelle, die es vor fünf Jahren noch nicht gab, ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung, die der Beschaffung bei der Definition und Umsetzung von Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in Organisationen zukommt. Angesichts der Größe der Aufgabe ist es nur folgerichtig, die Einkaufsteams in diesen Themenfeldern zu stärken und zu strukturieren.

In Anbetracht des erweiterten Aufgabenbereichs, der Notwendigkeit, Kompetenzen aufzubauen, und der Interaktion mit neuen Ansprechpartnern sowohl intern als auch extern, mag die Aufgabe des Einkaufsleiters überwältigend erscheinen. Diese neuen Verantwortlichkeiten sind jedoch mit einem unbestreitbaren Einfluss verbunden, der den gesamten Berufsstand in ein völlig neues Licht rückt.

Barton Finn ist Purchaser Engagement Manager bei TCO Development, der Organisation hinter der Nachhaltigkeitszertifizierung TCO Certified.
 


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