Da die Entwicklung künftig benötigter Kühlkapazitäten in Rechenzentren schwer abzuschätzen ist, diskutieren Fachleute und Anwender seit Jahren eine zentrale Frage besonders intensiv: Welches Klimatisierungskonzept verspricht RZ-Betreibern langfristige Planungssicherheit? Viele schätzen immer noch die Vorteile des klassischen Doppelbodens, doch die Seitenkühlung ist auf dem Vormarsch.
Im Entscheidungsprozess für eine RZ-Klimatisierung spielt heute neben der Leistungsfähigkeit vor allem die die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. In Zeiten steigender Energiepreise gewinnen die Betriebskosten zwar an Bedeutung, das ausschlaggebende Kriterium für oder gegen eine Lösung sind jedoch meist die unmittelbaren Investitionskosten. Gerade in diesem Punkt gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Klimatisierungskonzepten.
Die Umluftklimatisierung mit Doppelboden benötigt zusätzliche Baumaßnahmen, was sie in der Anschaffung im Vergleich zu reinen Seitenkühlsystemen deutlich teurer macht. Darüber hinaus müssen RZ-Betreiber aber auch die prinzipbedingten Vor- und Nachteile der Klimatisierungskonzepte mit ihrem individuellen Anforderungskatalog abstimmen. Obwohl eine Doppelbodenlösung meist kostspieliger ist, bietet sie durch die strikte Trennung der empfindlichen Server-Hardware (Feintechnik) von Versorgungsleitungen (Grobtechnik) einige Vorzüge: Änderungen an der Server-Konfiguration und die Wartung von Klimatechnik, Netzwerkstrecken oder der Energieverteilung lassen sich so größtenteils auch im laufenden Betrieb durchführen - ein nicht zu unterschätzendes Argument.
Allerdings richtet sich der Blick der Anwender heute zunehmend auf flexiblere Lösungen wie etwa die Seitenkühlung. Wie der Marktanalyst IHS im Report "Data Center Cooling - 2014" feststellte, wuchsen die Packungsdichten und damit die Wärmelasten in den Rechenzentren zuletzt weniger stark als prognostiziert. Dies erklärt auch den seit einigen Jahren zu beobachtende Trend zum bedarfsbezogenen Ausbau der RZ-Klimatisierung.
Freikühlung im gleitenden Mischbetrieb
Nicht nur beim Klimatisierungskonzept, auch bei der Wahl des Kälteerzeugungssystems haben RZ-Betreiber einige Details zu beachten. In Rechenzentren kommen heute ausschließlich Präzisionsklimaanlagen zum Einsatz. Sie sorgen für konstante Werte bei Temperatur, Feuchte und Luftqualität. Die Kälteerzeugung erfolgt klassischerweise entweder nach dem DX- (Direct Expansion) oder dem CW-Prinzip (Chilled Water). Die Kompressorkühlung (DX) entzieht der Umgebungsluft durch Verdampfung eines Kältemittels Wärme, ein Verdichter fördert das Gas anschließend unter hohem Druck zu einem Kondensator, wo es sich unter Wärmeabgabe wieder verflüssigt. Reine Verdichtersysteme haben dabei den Nachteil, dass ihre Kühlleistung vom energieintensiven Kompressorbetrieb abhängt. Mittlere und große Rechenzentren lagern die Kälteerzeugung daher in externe Kaltwassersätze aus, die zusätzlich zum zentralen Verdichtersystem ein integriertes indirektes Freikühlsystem bieten.
Für den Abtransport der Wärme aus dem Gebäude sorgt ein Wasser-Glykol-Gemisch in einem Kaltwasserkreislauf. Das Kühlmittel nimmt die Umgebungswärme über die Wärmetauscher der Innengeräte auf und gibt diese am Kaltwassersatz wieder ab. Entscheidend für die Nutzungsmöglichkeit freier Kühlung ist das Verhältnis von Kaltwasser- und Außentemperatur. Erst wenn die Außentemperatur unter die Kaltwassertemperatur sinkt, kann anteilig die Freikühlung zum Einsatz kommen. Da konventionelle Kaltwassersätze in der Regel für niedrige Kaltwassertemperaturen optimiert sind, lässt sich bei diesen Anlagen die Freikühlung nur eingeschränkt einsetzen.
Moderne Anlagen sind dagegen speziell für einen Mischbetrieb von Verdichter und Freikühlung ausgelegt. Eine elektronische Regelung schaltet in Abhängigkeit von Wärmelast und Außentemperatur gleitend zwischen den Betriebsarten um. So kann der Betreiber das Freikühlsystem auch ganzjährig zur Kühlung heranziehen (Bild 1).
Freikühlung für niedrige Kühlanforderungen
Generell gilt: Je größer das Freikühlregister, desto höher sind die Kühlleistung, die mögliche Verwendungsdauer und damit die Energieersparnis durch das Freikühlsystem. Speziell für Rechenzentren konzipierte Kaltwassersätze mit ausreichend großen Registern können bei Außentemperaturen von bis zu 8° Celsius die komplette Kühlleistung allein über die Freikühlung bereitstellen. Steigen die Temperaturen weiter, schaltet der Verdichter im Mischbetrieb schrittweise zu. Bei kleineren Kaltwassersätzen sinkt dagegen die Effektivität des Freikühlsystems, da die Oberfläche der Register bauartbedingt abnimmt.
Für Rechenzentren mit niedrigeren Kühlanforderungen empfehlen sich daher hybride Präzisionsklimasysteme mit Kompressorkühlung, indirekter freier Kühlung und externem Rückkühler. Diese arbeiten bereits bei einer geringen Kühlleistung von etwa 50 kW äußerst effizient. Geeignete Lösungen bietet beispielsweise der Klimatisierungsspezialist Stulz mit seinen GES-Systemen für Seitenkühler und Umluftklimageräte an (Bild 2).
Im gleitenden Mischbetrieb erlauben die Anlagen eine annähernd kontinuierliche Unterstützung des Kompressors durch das indirekte dynamische Freikühlsystem. Großes Einsparpotenzial eröffnet dabei eine gezielte Anhebung der Rücklufttemperatur mittels Einhausung. Dadurch lässt sich der Mischbetrieb auch bei Außentemperaturen von über 30° Celsius nutzen. Auf diese Weise sinken die Kompressorlaufzeiten um bis zu 80 Prozent im Jahr. Die im Vergleich zu einem reinen DX-System höheren Investitionskosten für ein GES-System amortisieren sich durch den deutlich geringeren Energieverbrauch in kurzer Zeit (Bild 3).
Auch wenn Leistung und Effizienz eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für eine Klimatisierungslösung spielen, sind meist die architektonischen Voraussetzungen am Einsatzort, die Höhe der Wärmelasten und nicht zuletzt die Investitionskosten maßgebliche Kriterien. Vor allem Betreiber kleinerer und mittlerer Server-Umgebungen müssen noch vor der Wahl eines Kälteerzeugungssystems die Frage klären, welches Klimatisierungskonzept ihren Anforderungen am besten entspricht.
Doppelboden mit Umluftklimatisierung
Die Umluftklimatisierung des Rechenzentrums über einen Doppelboden ist eine bewährte Methode. Unterhalb der Server-Ebene ist je nach Wärmelast ein 0,5 Meter bis ein Meter hoher Druckboden eingerichtet, den Präzisionsklimageräte mit Kaltluft versorgen. Perforierte Bodenplatten leiten diese vor die 19-Zoll-Server-Racks, die üblicherweise in Kalt- und Warmgangkonfiguration aufgestellt sind. Die in den Schränken integrierten Ventilatoren saugen die Zuluft durch Schlitze in den Fronttüren an und führen die Abwärme an der Rückseite wieder hinaus. Gleichmäßige Wärmelasten von bis zu 15 kW pro Rack sind so bei ausreichender Luftumwälzung zu bewältigen (Bild 4).
Die Doppelbodenlösung erlaubt es, Kältemittelleitungen sowie Netzwerkstrecken unterhalb der Server-Ebene zu verlegen und die Umluftklimaanlagen am Rand oder außerhalb des Server-Raums aufzustellen. Die dadurch erzielte strikte Trennung von Grob- und Feintechnik bietet den Vorteil, dass Wartungsarbeiten, Umbauten oder die Verlegung von Netzwerkstrecken meist ohne Störung des RZ-Betriebs ablaufen können. Zudem lassen sich so Leckage-Schäden an der Server-Hardware praktisch ausschließen.
Doch hat das Doppelbodenkonzept auch Nachteile. Insbesondere bei extremen, punktuellen Leistungsdichten stößt es an seine Grenzen. Steigt die Zahl der Luftauslässe im Boden, reicht mitunter die umgewälzte Luftmenge nicht mehr aus. Zudem muss eine ausreichende Deckenhöhe gegeben sein. Bei der Verwendung von Standard-Racks mit einer Höhe von etwa zwei Metern ist das Einziehen eines Druckbodens in vielen Bestandsgebäuden nicht möglich.
Kritischer Punkt: Raumhöhe
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfiehlt in IT-Räumen mit Doppelboden sogar eine Gesamthöhe von dreieinhalb bis vier Metern. Zahlreiche Unternehmen betreiben ihre Server jedoch meist in gewöhnlichen Räumlichkeiten von bis zu drei Metern Höhe. Für sie ist die nachträgliche Installation eines Doppelbodens daher keine Option.
Gerade für kleinere und mittlere Server-Umgebungen, bei Modernisierungsmaßnahmen oder beim Einsatz von High-Density-Racks ist das Konzept der Seitenkühlung eine leistungsstarke und wirtschaftliche Alternative. Zwar bietet es nicht den Vorteil einer klaren Trennung von Grob- und Feintechnik, dafür ist sein Einsatz auch bei räumlichen Einschränkungen möglich, denn dort sind die Präzisionsklimageräte direkt in die Server-Reihen integriert.
Seitenkühlung: Die alternative Lösung
Dank regelbarer Radiallüfter und präziser Luftführung durch speziell entwickelte Luftleitbleche blasen Seitenkühlsysteme die Zuluft horizontal vor die gesamte Front der Racks. Anders als bei der vertikalen Zuleitung über die Schlitze des Doppelbodens entsteht so eine optimale Verteilung der Kaltluft vor der Rack-Ebene. Die Ventilatoren in den perforierten Schranktüren saugen diese an und leiten die Warmluft an der Rückseite wieder heraus (Bild 5). Durch ihre Nähe zu den Servern erreichen Seitenkühlsysteme ein großes Luftumwälzungsvolumen und damit eine sehr hohe Kühlleistung. Abwärme von 20 kW und mehr pro Rack stellen für sie kein Problem dar. Dank der direkten Integrierbarkeit in die Server-Reihe lassen sich auch hohe und punktuelle Wärmelasten gezielt bewältigen.
Bevor sich Betreiber auf ein Klimatisierungskonzept festlegen, sollten sie die eigenen Anforderungen sowie die Begebenheiten vor Ort genau prüfen. Spielen hauptsächlich Kriterien wie Präzisionskühlung, Skalierbarkeit, Platzmangel oder niedrige Investitionskosten eine Rolle, stellen Seitenkühler die optimale Lösung dar. Lassen sich künftig moderate, gleichmäßig verteilte Wärmelasten prognostizieren, bleibt der klassische Doppelboden bei günstigen Rahmenbedingungen eine sinnvolle Alternative.
Kombination mehrerer Konzepte
Mittlerweile gehen viele RZ-Betreiber dazu über, die Vorzüge beider Konzepte miteinander zu vereinen. Dabei arbeiten Seitenkühlersysteme in Ergänzung zu einer bereits vorhandenen Doppelbodenlösungen, um speziell voneinander getrennte Bereiche mit eingehausten High-Density-Racks zu klimatisieren. Unabhängig vom verwendeten Konzept empfiehlt sich in allen Fällen die Nutzung von Kälteerzeugungssystemen mit Freikühlung und Mischbetriebsfunktion. Mittel- und langfristig senkt die Nutzung indirekter Freikühlung nicht nur die Betriebskosten erheblich, sondern schont auch die Umwelt.
Hilfe durch Planungsbüros
Um eine passende Lösung zu finden, sollten Anwender fachmännische Beratung hinzuziehen. Planungsbüros mit RZ-Spezialisierung und Hersteller von Präzisionsklimageräten bieten beispielsweise individuelle Modellrechnungen an, die im Entscheidungsprozess eine wertvolle Hilfe sein können.