FTTH - optische Datenautobahn für den Endkunden

Es werde Licht

19. August 2007, 22:00 Uhr | Joachim Brunzel/jos Joachim Brunzel ist Carrier Product Manager bei ADC Krone.

Europa ist für Netzbetreiber und Service-Provider ein Markt, der viele Möglichkeiten bietet, gleichzeitig aber auch enorme Herausforderungen an die eingesetzte Netzwerkinfrastrukturtechnik stellt. Verbreitete, auf Kupferleitungen basierende Übertragungstechniken in den Teilnehmerzugangsnetzen wie ISDN oder ADSL stoßen bereits heute an ihre Leistungsgrenzen, zukünftige Services werden sie vollends überfordern.

Es besteht kein Zweifel, dass die Nachfrage nach höheren Bandbreiten weiter steigt. Allein neue
Videodienste für einen Haushalt mit zwei bis drei Fernsehgeräten konsumieren bald mehr Bandbreite,
als die meisten Endkunden heute über xDSL-Techniken bekommen können. Anwendungen wie HDTV, IPTV,
Video on Demand, IP-Telefonie (VoIP), Digitalradio, E-Learning, E-Medizin, Highend-Gaming werden
selbst die über Hochgeschwindigkeits-VDSL erreichbaren 50 MBit/s pro Anschluss bald
überschreiten.

Wenn die Kapazität der Kupferleitungen ausgeschöpft ist, bleibt nur der Weg, verstärkt optische
Übertragungsmedien einzusetzen. Vor dieser Herausforderung stehen sowohl etablierte als auch
alternative Carrier. Der Fiber-to-the-Home-Council Europe vertritt die Einschätzung, dass 2010
jeder Haushalt einen symmetrischen Zugang mit 100 MBit/s je Richtung verlangen wird – also die
doppelte Datenrate, die beispielsweise VDSL maximal als Downstream-Geschwindigkeit
bereitstellt.

Angesichts dieser Entwicklungen stellen sich Netzbetreiber die Frage, welche Übertragungstechnik
sich am besten für den Aufbau von zukunftssicheren, robusten und flexiblen Infrastrukturen zur
Übermittlung neuer Services eignet. Viele beantworten sie mit der Abkürzung FTTx: Optische
Leitungen, möglichst bis in die unmittelbare Nähe der Haushalte oder sogar bis zum Endkunden
verlegt, gespeist mit moderner optischer Übertragungstechnik. Die Signalübermittlung über
Glasfasern bietet gegenüber Kupferkabeln den Vorteil einer ungleich höheren Bandbreite: 100 MBit/s
bis 1 GBit/s pro Teilnehmer und deutlich mehr sind ohne weiteres erreichbar.

Damit können Carrier auch Kunden gewinnen, denen bislang über Kupfer-DSL-Leitungen nur relativ
langsame Zugänge zur Verfügung stehen. Denn die xDSL-Technik kämpft mit einem lästigen
Leitungslängenproblem: Mit zunehmender Distanz sinkt die erzielbare Datenrate drastisch. Eine
Versorgung der Teilnehmer über eine typische Entfernung von drei bis sechs Kilometern zwischen
Vermittlungsstelle und Nutzer ist per xDSL zwar möglich, doch fließen die Daten dann nur mit
wenigen MBit/s – ein Tröpfeln statt des gewünschten Datenstroms. Für moderne, Umsatz versprechende
Dienste viel zu wenig. Will man hohe Datenraten – etwa 50 MBit/s – mit VDSL zum Nutzer übertragen,
darf die Kupferleitung nicht viel länger als etwa 400 Meter sein. Die Glasfasern rücken also immer
näher zum Endkunden.

Bereits heute sind rund zwei Millionen Haushalte in der EU plus Schweiz und Norwegen direkt per
FTTH (Fiber to the Home) über hochkapazitiven Glasfasern erschlossen – Tendenz stark steigend.
Selbst pessimistische Auguren gehen davon aus, dass die Erschließungsrate (Homes passed) auf etwa
4,5 Millionen Teilnehmer im Jahr 2010 steigt. Weniger pessimistische Einschätzungen liegen bei etwa
zehn Millionen Anschlüssen, optimistische gar bei 19 Millionen. Dies macht deutlich: Hier eröffnet
sich ein enormes Marktpotenzial, sowohl für die Betreiber als auch für die
Infrastrukturlieferanten.

FTTN und FTTH/P

FTTN (Fiber to the Node) ist eine Evolutionsstufe auf dem Weg zur rein optischen Anbindung der
Endkundenhaushalte per "Fiber to the Home" beziehungsweise "Fiber to the Premise" (FTTH/P). Bei
FTTN werden die Glasfasern zunächst nur bis zu den Kabelverzweigern (KVz, auch MSAN) verlegt. Die
Versorgung der Konsumenten erfolgt schließlich über das bestehende Kupferteilnehmerzugangsnetz.
Fast ausschließlich kommen dabei verschiedene xDSL-Techniken zum Einsatz, die die Kupferleitungen
zu den Haushalten nutzen. Der Vorteil dieses Ansatzes: Da die Kupferkabel des Außennetzes bereits
im Boden liegen, sind keine Erdarbeiten zum Erschließen der Haushalte nötig. Und da sich die KVz in
der Nähe der Teilnehmer befinden, lassen sich ausreichend schnelle Verbindungen realisieren.

Zuvor in den Vermittlungsstellen montierte aktive Netzwerkkomponenten wie DSLAMs (DSL Access
Multiplexer) rücken in die Außennetze vor. Sie erfordern eine Stromversorgung und Kühlung. Dafür
müssen die alten, rein passiven KVz gegen größere Verteilerschränke ausgetauscht werden, die Platz
für die neuen Komponenten bereitstellen. Moderne Überbauschränke vereinfachen das Vorgehen. Mit der
FTTN-Technik ist es möglich, das maximale VDSL-Tempo für einen Großteil der Endkunden verfügbar zu
machen.

Steigt der Bandbreitenbedarf weiter, können die Kupferkabel im Zugangsnetz in einer späteren
Ausbaustufe Glasfasern weichen. Der Carrier legt die Lichtwellenleiter dabei direkt bis in
unmittelbare Nähe des Endkunden, beispielsweise in den Keller eines Wohnhauses oder Bürokomplexes.
Der Aufbau der FTTH-Topologie als passives optisches Netz (PON) erweist sich als besonders günstig,
da es dem Betreiber bei verhältnismäßig geringen Investitionskosten maximale Flexibilität und
Zukunftssicherheit gewährleistet. Per Definition kommt das PON ohne elektronische oder optische
Leistungskomponenten aus. Es überträgt die in der Vermittlungsstelle eingespeisten Signale rein
passiv. Während die Nutzungsdauer von elektronischen Übertragungskomponenten bei durchschnittlich
etwa sieben Jahren liegt, bleiben PON-Strukturen- und Komponenten rund 30 Jahre im Einsatz.

Außennetz

Für den Aufbau von FTTH-Infrastrukturen müssen Netzplaner eine Topologie entwerfen, die ein Maximum an Flexibilität bietet. Gleichzeitig sollen die Kapitalausgaben und langfristigen Betriebskosten so niedrig wie möglich sein. Heutige Entscheidungen haben dabei eine große Tragweite: Sie bestimmen, wie gut die FTTH-Netzstruktur zukünftige Anforderungen erfüllen kann. Zudem sollten FTTH-Netzstrukturen genauso zuverlässig und flexibel sein wie robuste optische Weitverkehrstransportnetze. Das setzt die Verlegung redundanter, also doppelter ausgeführter Leitungen voraus - was allerdings nicht ohne weiteres möglich und nicht in allen Fällen sinnvoll ist.

Die in Europa vorherrschenden Kupferaußennetze (Outside Plants, OSPs) haben eine Baumstruktur, die sich von den Vermittlungsstellen aus zum Endkunden hin immer feiner verästelt und dabei mehrere Verzweiger verbindet. Diese Architektur ist leider denkbar ungeeignet für den Aufbau redundanter Glasfaserarchitekturen, die bevorzugt als Ringtopologie ausgeführt werden. Ein Verzicht auf Redundanz ist eine Option, wenn hautsächlich Privatkunden versorgt werden. Bereiche mit vorwiegend Geschäftskunden verlangen allerdings nach redundanten Glasfaserlösungen, die möglichst den vorhandenen Kabelführungen der alten Baumstruktur folgen und mit denen sich dieselben Gebiete kostengünstig erschließen lassen.

Netzwerkplaner müssen zudem entscheiden, wie viele Lichtwellenleiter zu jedem KVz verlegt werden sollen, um auch zukünftige Bandbreitenforderungen mit dem passiven Glasfasernetz (PON) erfüllen zu können. Dünnere Glasfaserkabel bieten beim Ausbau Vorteile: Sie lassen sich leichter durch die Leerrohre ziehen, außerdem vereinfachen sie den Aufbau redundanter Strukturen mit parallel liegenden Strängen.

Eine besondere Bedeutung fällt der Verbindungstechnik für die Verbindung der Glasfasern zu: In Europa verbinden die meisten Carrier die Fasern direkt per "Splicing" in so genannten "Enclosures" - hermetisch geschlossenen Gehäusen, die direkt in der Erde verlegt werden. Diese Technik hat ihre Berechtigung in erster Linie dort, wo Leitungen zum Beispiel Vermittlungsstellen unmittelbar verbinden.

Mehr Flexibilität und eine leichtere Fehlerbehebung - gerade in Umgebungen mit vielen Endkundenanschlüssen - hält hingegen der Patch-Ansatz bereit. Beim Patchen werden die Glasfaserkabel in Verzweiger geführt und auf Verteilerfelder (Cross Connects oder Interconnect) aufgelegt. Hier können Techniker die Leitungen flexibel über Steckverbinder verschalten. Ein Main Fiber Cross Connect (MFCC) bietet einen Patch-Zugriff auf die Hauptleitung und erhöht die Flexibilität der Infrastruktur.

Zentrale Vermittlungsstelle - Fiber Distribution

Besondere Anforderungen stellt FTTH/P auch an die zentrale Vermittlungsstelle (Central Office,
CO): Hier müssen Unternehmen die Entscheidung treffen, wie das optische Equipment (Optical Line
Terminal, OLT) mit den Glasfaserkabeln der Außennetze verbunden werden soll. Eine wichtige
Überlegung dabei: Die Betreiber wollen OLT-Schnittstellen (Line Cards) so effizient wie möglich
nutzen. Sie erreichen eine maximale Flexibilität, wenn alle von den Line Cards und aus dem
Außennetz eintreffenden Lichtwellenleiter auf Glasfaserverteiler (Optical Distribution Frame, ODF)
gelegt werden. Der OMX600-ODF von ADC Krone beispielsweise verfügt über eine besonders hohe
Anschlussdichte bei gleichzeitig kompakter Bauform und ermöglicht sowohl einen einfachen Zugriff
als auch Cross Connect-Verbindungen.

Ein WDM (Wavelength Division Multiplexer) führt Daten-, Sprach- und Videosignale in einer
Glasfaser zusammen – und ist damit ein Schlüsselelement der FTTH-Infrastruktur. Darüber hinaus
werden optische Splitter eingesetzt, um die Signale zu den Endkunden zu verteilen. Die Platzierung
dieser Komponenten im CO oder im OSP –zentralisiert oder kaskadiert – ist von strategischer
Bedeutung und bestimmt entscheidend sowohl die Flexibilität des Netzes als auch die Kosten.

Eine weitere Anforderung: Zum Testen des FTTH-Netzwerks dürfen laufende Services möglichst nicht
unterbrochen werden. Dies erfordert den Einsatz von Monitoring-Modulen oder
Optical-Switch-Lösungen, die unterbrechungsfreie Remote-Prüfungen ermöglichen und
Überwachungsfunktionen bieten.

Die Verteilung der aus der Vermittlungsstelle zu den KVz im Zugangsnetz übertragenen Signale
erfolgt über passive Splitter in den Fiber Distribution Hubs (FDH). Hier herrschen zwei
Konfigurationen vor: Kaskadiert oder zentral eingesetzte Splitter. Der kaskadierte Ansatz arbeitet
typischerweise mit einem 1×4-Splitter im FDH der eingangsseitig direkt über einen ODF im CO mit dem
OLT-Port verbunden ist. Ausgangsseitig sind weitere Eingänge von 1×4- oder 1×8-Splittern, die in
einem zweiten Verteilerpunkt installiert sind, angeschaltet. Deren Ausgänge führen zu den ONTs in
den Häusern beziehungsweise Wohnungen. Der zentralisierte Ansatz dagegen verwendet nur einen
Splitter (1×16,1×32,1×64 je nach erforderlicher Bandbreite pro Teilnehmer) an einem zentralen Punkt
(FDH ). Dieser Ansatz erweist sich als flexibler, da er die optimale Ausnutzung der OLT Line Cards
im CO ermöglicht und einen leichteren Zugriff für Testsgeräte bietet. Die kaskadierte Architektur
lässt Ports in den Line Cards ungenutzt, wenn nicht alle erschlossenen Haushalte den Zugang
tatsächlich in Anspruch nehmen.

Fazit

FTTH ist die logische Konsequenz aus steigenden Bandbreitenanforderungen und der mittlerweile
nahezu ausgereizten kupferbasierenden Übertragungstechnik im Teilnehmerzugangsnetz. Der Aufbau von
FTTH-Infrastrukturen stellt die Betreiber jedoch sowohl im Außennetzbereich als auch in den
Vermittlungsstellen vor neue Herausforderungen. Ein passives Außennetz mit Verteilerzugängen und
zentralen Splittern und die Ausrüstung der Vermittlungsstellen mit hochdichten Optical Distribution
Frames bildet die flexibelste Lösung. Sie bietet zudem einen günstigen Migrationspfad für
zukünftige Gigabit-PON-Techniken.


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