Klimatisierung

Freikühlung im Rechenzentrum: Hype oder unverzichtbar?

7. März 2019, 9:40 Uhr | Autor: Thomas Nieschalk / Redaktion: Axel Pomper
© welcomia 113rf

Freie Kühlung ist im Rechenzentrum fast schon ein alter Hut. Kaum ein Betreiber kann es sich heutzutage leisten, das energetische Einsparpotenzial einfach brachliegen zu lassen. Doch wie funktionieren die verschiedenen Arten der freien Kühlung und wie effektiv ist Free Cooling wirklich?

Gemessen am Gesamtstromverbrauch der ITK-Branche fällt die Rolle der größten Verbraucher den Rechenzentren  zu. Ein erheblicher Teil der dort entstehenden Energiekosten geht dabei zu Lasten der Klimatisierung von Serverflächen. Der Einsatz der freien Kühlung, oder auch Free Cooling, ist daher nicht nur ein hervorragender Beitrag zum Thema Green-IT, sondern bietet den Betreibern von
Rechenzentren einen effektiven Weg, um sowohl Stromkosten als auch den CO2-Fußabdruck eines Standortes erheblich zu reduzieren.

Beim Prinzip der freien Kühlung macht sich das Klimatisierungssystem das Gefälle zwischen kühlerer Außenluft und der warmen Luft im Inneren des Rechenzentrums (RZ) zunutze. Dabei gilt: Bei Außentemperaturen, die oberhalb oder auf dem gleichen Niveau der benötigten Raumtemperatur liegen, kann die freie Kühlung nicht oder lediglich eingeschränkt genutzt werden. Die Kühlung wird dann bis zu einem Anteil von 100 Prozent durch Kompressorkühlung sichergestellt. Erfahrungsgemäß ist davon auszugehen, dass eine Außentemperatur von zwei bis zehn Grad Celsius unterhalb der Wasservorlauftemperatur benötigt wird, damit auf die mechanische Kälteerzeugung komplett verzichtet werden kann. Das energetische Einsparpotenzial der freien Kühlung ist dabei von besonderer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit eines RZ-Standortes. Nicht ohne Grund ist Island zu einem begehrten Ort für Rechenzentren avanciert.

Direkt oder doch lieber indirekt?
Die einfachste Art der freien Kühlung ist die direkte freie Kühlung. Dabei wird gefilterte kühle Außenluft über mit einem Klappensystem versehene Lufteinlässe in das Innere des RZ geleitet. Die Vorteile einer solchen Kühllösung liegen auf der Hand: Die Umsetzung einer direkten freien Kühlung ist verhältnismäßig günstig und das gebotene energetische Einsparpotenzial immens. Trotz der beeindruckenden Vorteile, hat die direkte freie Kühlung auch bauartbedingte Nachteile: So wird die Außenluft zwar mehrfach gefiltert bevor sie ins RZ geleitet wird, dennoch sind Standorte an vielbefahrenen Straßen, Baustellen oder großen landwirtschaftlichen Nutzflächen eher ungeeignet. Die Filter werden durch die Emissionen der Fahrzeuge, hohe Staubbelastung oder umherfliegende Pollen und Samen überdurchschnittlich stark beansprucht. Wenn die Wärmetauscher nicht penibel sauber gehalten werden, besteht ein drastisch erhöhtes Ausfallrisiko. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus das Thema Luftfeuchtigkeit: Strömt zu trockene Luft ein, können statische Aufladungen die Folge sein. Ist sie dagegen zu feucht, besteht die Möglichkeit, dass die empfindliche Technik oxidiert. Abhängig von der Inlet-Temperatur darf laut ASHRAE TC9.9 die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 20 und 80 Prozent liegen. Dementsprechend muss die Außenluft bei der direkten freien Kühlung nicht nur gefiltert, sondern auch aufwendig be- oder entfeuchtet werden, was zu einem nicht unerheblichen Anstieg der Anschaffungs- und Betriebskosten führen kann.

Die indirekte freie Kühlung funktioniert grundsätzlich nach dem gleichen Prinzip wie die direkte freie Kühlung. Allerdings gelangt die Außenluft bei diesem Kühlverfahren nicht in das Rechenzentrum hinein, der Wärmetransfer findet stattdessen zum Beispiel mittels eines außerhalb des Gebäudes installierten Luft-Wasser-Wärmetauschers statt. Dort wird ein Kühlmedium, meist ein Gemisch aus Wasser und Glykol, durch die Außenluft abgekühlt und in das Innere des RZ geleitet. Die heruntergekühlte Flüssigkeit wird dabei den im Innenraum installierten Umluftkühlungsschränken zugeführt. Ein integriertes Kühlregister entzieht schließlich der Umgebung die Wärme. Da die Umgebungsluft nicht direkt in den Innenraum des RZ gelangt, lässt sich diese Kühllösung unabhängig von den vorherrschenden Wetterbedingungen einsetzen. Auch in der Luft enthaltene Schmutzpartikel stellen bei dieser Lösung kein Problem mehr dar. Da für die Umsetzung einer indirekten freien Kühlung wenigstens ein zusätzlicher Wärmetauscher erforderlich ist, verschlechtert sich aufgrund von Übertragungsverlusten der Wirkungsgrad. Bei der direkten freien Kühlung ist dies nicht der Fall. Ab welcher Außentemperatur auf mechanisch erzeugter Kälte verzichtet werden kann, hängt maßgeblich vom Aufbau des Kühlsystems ab. Beim Einsatz von Kaltwassersätzen ist bei modernen Anwendungen bereits ab einer Außentemperatur von 15 Grad Celsius die komplette Kühlung des RZ durch Freikühlungsregister realisierbar.

Ist durch zu hohe Außentemperaturen ein Betrieb der freien Kühlung nur eingeschränkt machbar, besteht die Möglichkeit, durch die Anwendung des Mischbetriebs gegenzusteuern. Bei der direkten freien Kühlung wird der zugeführten Außenluft von Umluftkühlgeräten gekühlte Luft beigemischt, um so die geforderte Soll-Temperatur zu erreichen. Ganz ähnlich verhält es sich beim gleitenden Betrieb der indirekten freien Kühlung: Liegt die Außentemperatur deutlich unterhalb der benötigten Temperatur im RZ, können bis zu 100 Prozent der anfallenden Wärmelast durch die indirekte freie Kühlung abgeführt werden. Wenn die Temperatur dagegen nur einen teilweisen Betrieb der indirekten freien Kühlung erlaubt, greift die mechanische Kälteerzeugung unterstützend ein, um ein gleichmäßiges Temperaturniveau sicherzustellen. An besonders heißen Sommertagen ist es denkbar, dass eine indirekte freie Kühlung nicht mehr möglich ist. In diesem Fall sorgen die Umluftkühlgeräte dann für einen stabilen Betrieb im RZ und übernehmen 100 Prozent der anfallenden Wärmelast. Der Einsatz des Mischbetriebes kann bereits ab einer Außentemperatur erfolgen, zwei bis fünf Grad Celsius unterhalb der Rücklauftemperatur liegt.

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