Praxis: Flexible Produktionsdatenerfassung

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31. März 2010, 3:00 Uhr | Philipp Koch und Ellen-Christine Reiff/jos

Wer auf Produktions- und Marktanforderungen reagieren will, kommt heute nicht darum herum, die Produktionsabläufe flexibel zu steuern und gleichzeitig die Produktionsdaten möglichst lücken­los zu erfassen, zu analysieren und zu archivieren. Sie bilden schließlich die Basis für eine bedarfsgerechte Produktions-planung, eine optimale Anlagenauslastung und ein umfassendes Qualitäts-Management.

Alle relevanten Produktionsdaten lassen sich mithilfe moderner Netzwerktechniken sammeln und mit
entsprechenden Softwarewerkzeugen analysieren, darstellen und dokumentieren. Wichtig für die Praxis
ist dabei, dass sich die beteiligten Produktionsdatenerfassungs- und Steuerungssysteme an die
spezifischen Gegebenheiten der Applikation anpassen lassen und einfach zu bedienen sind, denn nur
dann kann man sie im Arbeitsalltag effektiv nutzen.

Der Automatisierungsspezialist IFA liefert mit seinem Produktionsdatenerfassungs- und
Steuerungssystem Prodaisi ein Beispiel dafür, wie sich individuell auf die Applikation
zugeschnittene Lösungen zur Steuerung, Datenerfassung, Qualitätssicherung und Visualisierung
realisieren lassen, die obendrein auch noch einfach zu handhaben sein sollen. Das modular
aufgebaute ME-System (Manufacturing Execution), das auf einer SQL-Datenbank basiert, hat seine
Anpassungsfähigkeit laut Hersteller mittlerweile in den unterschiedlichsten Branchen beweisen. Dazu
gehören die Umwelttechnik ebenso wie die Luft- und Raumfahrt, der Maschinenbau oder
Einsatzbeispiele in der Verfahrenstechnik. Zu den typischen Applikationen zählt auch die Produktion
von Schutzhandschuhen für den Profibereich, die in einer neuen Anlage realisiert ist (Bild 1).

Im Beispiel geht es um die vollautomatische Produktion von Schutzhandschuhen in etwa 200
verschiedenen Modellen, angefangen vom anspruchsvollen Chemikalienschutzhandschuh bis hin zu
Speziallösungen für den Hitze-, Schnitt- und Kälteschutz sowie Schutzhandschuhen für den Einsatz
unter hohen elektrischen Spannungen. Dabei setzt der Schutzhandschuhspezialist auf moderne
Automatisierungstechnik und ausgeklügelte Verfahrensabläufe, die so konzipiert sind, dass die
Produktion jederzeit flexibel auf Kunden- und Vertriebsanforderungen reagieren kann. Für die
komplette Programmierung der Anlagensteuerung waren die Automatisierungsspezialisten von IFA
verantwortlich. Außerdem stimmten sie das dem Produktionsprozess überlagerte Datenerfassungssystem
auf die spezifischen Applikationsgegebenheiten ab.

Eine Schlüsselfunktion bei der Handschuhproduktion übernimmt ein Roboter, der die Formrahmen
abhängig von der hinterlegten Rezeptur zu den unterschiedlichen Tauchbecken, Trockenöfen,
Kontrollstationen und schließlich zur Abziehstation transportiert (Bild 2). Dabei können
rezepturabhängig etwa zehn bis 15 Formrahmen mit unterschiedlichen Handschuhvarianten gleichzeitig
die Produktion durchlaufen (Bild 3). Die Abwicklung der einzelnen Produktionsaufträge geschieht
über das ME-System, das über Ethernet mit der Anlagensteuerung kommuniziert, die wiederum dem
Roboter seine Fahrbefehle erteilt. Während die Formen eines Rahmens beispielsweise im Laugebecken
eine bestimmte Zeit getaucht sind, kann der Roboter eventuell schon einen anderen Formrahmen vom
Trockenofen zur Abziehstation am Produktionsausgang transportieren, wo sie gewendet und eine letzte
– manuelle oder visuelle – Qualitätskontrolle passieren, bevor sie, nach dem Schneiden und
Bedrucken, zur Auslieferung bereit gestellt werden.

Durch eine intelligente Auftragsabwicklung ließen sich die Anlagenausnutzung optimieren und die
zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestmöglich nutzen. Außerdem sind Testläufe für
Weiterentwicklungen und neue Produkte in den normalen Produktionsablauf integrierbar. Das ME-System
prüft, wann der entsprechende Auftrag einzuschieben ist, es entscheidet also für jeden Formrahmen,
was, wann und in welcher Reihenfolge zu geschehen hat. Ist dies zum Beispiel aufgrund der
Tauchbeckenauslastung nicht möglich, sperrt es den Auftrag vorübergehend und startet ihn erst dann,
wenn alle für ihn notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Natürlich koordiniert das System auch
im normalen Produktionsbetrieb jeden Transportauftrag mit allen notwendigen Parametern.

Gleichzeitig erscheint der gesamte Produktionsablauf für jeden Formrahmen dokumentiert und
grafisch aufbereitet. Ein Mausklick genügt, und man sieht etwa, welche Temperatur im Trockenofen
herrschte, ob und wer eventuell Tauchzeiten modifiziert hat, oder bei welchem Formrahmen wann, wie
viele und welche Fehler im Rahmen der Qualitätskontrolle auftraten. Schließlich sind bei jedem
Vorgang auch alle anfallenden Messwerte gespeichert. All diese Daten lassen sich zudem statistisch
auswerten und können jederzeit auch in anderen Formaten (zum Beispiel Excel) ausgegeben werden.
Trends sind dadurch einfach zu erkennen.

Bei Bedarf kann das ME-System dank zahlreicher Schnittstellen mit beliebigen übergeordneten
Systemen kommunizieren. Zwar macht der Produzent derzeit in der beschriebenen Anwendung noch keinen
Gebrauch davon, prinzipiell wäre aber dort eine Ankopplung an das ERP-System (zum Beispiel SAP)
ebenfalls jederzeit problemlos möglich. Aufträge, Prozessabläufe und Rezepturen lassen sich jedoch
auch manuell sehr komfortabel am PC anlegen und auf dem Datenbank-Server aufspielen.

Ohne Datenbankkenntnisse

Die Bedienung ist genauso einfach und benutzerfreundlich wie an den drei vor Ort in der Anlage
installierten Bedienterminals. Der Mitarbeiter kann sein verfahrenstechnisches Know-how ohne
Datenbank- oder Programmierkenntnisse umsetzen.

 

Philipp Koch ist Leiter Vertrieb und Entwicklung bei IFA Mess-, Regel- u. Elektrotechnik,
Ellen-Christine Reiff ist im Redaktionsbüro Stutensee tätig.


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