Intelligente Gebäudesteuerung in der Praxis

Mit dem Bus ins Badezimmer

4. April 2012, 6:00 Uhr | Frank Hummel/pf, Geschäftsführer bei Hummel Systemhaus, Frickenhausen/Nürtingen.

Intelligente Gebäudetechnik ist vor allem auch im Privatbereich auf dem Vormarsch und schickt sich an, die Lebensgewohnheiten der Menschen, aber auch die Branchen im Installationsgewerbe dauerhaft zu verändern. Der Beitrag beschreibt aus der Praxis, wie sich intelligente Gebäudetechnik etwa bei einem Neubau planen und technisch umsetzen lässt.

 

Die besten Voraussetzungen für die Integration intelligenter Gebäudetechnik und effizienten Energie-Managements bieten Neubauprojekte, da sich dann die entsprechenden Fragen bereits in einer frühen Phase diskutieren lassen. Im nächsten Planungsschritt stimmen die für die Installation Verantwortlichen die einzelnen Komponenten des Feldbussystems, auf denen eine zeitgemäße Gebäudesteuerung aufsetzt, aufeinander ab. In dieser Hinsicht bietet sich sowohl für Privathaushalte als auch für Gewerbeimmobilien eine täglich wachsende Zahl an Optionen. Als etablierte Hersteller im Bereich der EIB/KNX-Komponenten (Europäischer Installationsbus) gelten unter anderem etwa Gira und Hager. KNX-fähige Elektro-, Wasser-, Wärmemengen- und Gaszähler bietet beispielsweise der Hersteller Lingg & Janke.
 
Kommunikation über EIB/KNX
 
Bei einer modernen Gebäudetechnik nutzen die einzelnen Komponenten den Feldbus EIB/KNX, der zur Gebäudeautomation dient. Technisch betrachtet stellt KNX eine Weiterentwicklung des EIB dar – mit zusätzlichen Konfigurationsmechanismen und Übertragungsmedien. Der KNX-Standard gilt als offener Standard, dem sich mittlerweile mehr als 100 Firmen weltweit angeschlossen haben.
 
KNX trennt die Steuerfunktionen und die Energieverteilung. Alle Geräte, die über einen entsprechenden Anschluss verfügen, lassen sich über einen KNX-Bus miteinander verbinden und können so kommunizieren. Die Funktion der einzelnen Busteilnehmer ist durch ihre Programmierung bestimmt, die der Installateur jederzeit verändern und anpassen kann. Auch Geräte unterschiedlicher Hersteller lassen sich innerhalb eines Systems kombinieren, wenn sie eine Zertifizierung durch die KNX-Association aufweisen.
 
Gebäude-Server als Schaltzentrale
 
Aber auch Geräte, die das KNX-Feldbussystem selbst nicht unterstützen, kommen für eine intelligente Lösung infrage. Dort kann der Anschluss über die gängigen Schnittstellen erfolgen wie beispielsweise Binäreingänge und Umwandler, die dann beispielsweise aus dem Impulssignal eines Zählers einen Summenwert generieren. Dabei gilt es im Vorfeld, genau zu prüfen, wie und ob die einzelnen Telegramme der Datenformate kompatibel und auswertbar sind. Das Herzstück einer jeden Hausautomationslösung bildet der Gebäude-Server – auch Home-Server oder Facility-Server genannt. Er sammelt alle Daten der verschiedenen Schnittstellen und bereitet diese auf. Der Home-Server leistet dabei eine weitere wichtige Aufgabe: Er bereitet das Feldbussystem so auf, dass auch über das IT-Netzwerk Schaltbefehle möglich sind und sich auf diese Weise beispielsweise ein PC hochfahren lässt.
 
Daneben können auch mobile Endgeräte wie Smartphones einen Teil des Systems darstellen. Dank spezieller Software für Android-Geräte oder das Iphone ist es möglich, eine individuelle Visualisierung umzusetzen. Doch auch einfachere Mobiltelefone können die Gebäudetechnik steuern, indem sie Aktionen im System durch einen Anruf und die Eingabe bestimmter Codes für eine Schalthandlung auslösen.
 
Nachdem die Auswahl der einzelnen Komponenten erfolgt ist, die der Home-Server steuern soll, erfolgt noch beim Installationsunternehmen jeweils die Programmierung der so genannten „physikalischen Adresse“ der EIB/KNX-Geräte, um später vor Ort die Geräte nicht alle einzeln ansteuern zu müssen. Bei dieser Erstprogrammierung wird somit eine physische Teilnehmeradresse auf den Geräten für deren eindeutige Zuordnung gespeichert. Dadurch lässt sich dann während der Installation alles Weitere über eine zentrale Schnittstelle programmieren.
 
Wohnkomfort XXL
 
Für Musik- und Filmliebhaber bietet ein intelligent vernetztes Gebäude mit einem Home-Server viele Möglichkeiten. Ein Heimkinosystem, die Stereoanlage oder auch andere Abspielgeräte im Haus können über das Netz auf den Server zugreifen und Medien wiedergeben.
 
Komfortaspekte durch Hausautomation finden sich aber auch in vielen anderen Bereichen: Mittlerweile sind sogar schon Duschköpfe mit IP-Adressen im Angebot. Auf dem Home-Server lassen sich diese visualisieren. Mit der entsprechenden Software kann der Bewohner dabei individuelle Duschszenarien programmieren, bei denen sich das Licht, die Musik im Badezimmer, die Wassertemperatur und der Druck der Düsen festlegen lassen.
 
Es existieren aber auch Beispiele für die sinnvolle Nutzung externer Websites durch den Home-Server – beispielsweise der Zugriff auf die Internet-Präsenz des lokalen Abfallwirtschaftsbetriebs. Dort kann das System etwa die Daten der Müllabfuhr herunterladen, und der Nutzer erhält auf dem Bildschirm seines Tablet-PCs oder Smartphones den Hinweis, den Mülleimer rechtzeitig hinauszustellen.
 
Energie effizient nutzen
 
Besonders lohnend erscheint die intelligente Gebäudetechnik für das Energie-Management – vor allem dann, wenn dieses mit Photovoltaik und Stromspeichern kombiniert ist. So kann der Home-Server die Leistung einer Photovoltaikanlage erfassen und jederzeit grafisch aufbereiten, sodass der Hausbesitzer auf einen Blick erkennen kann, zu welchen Tageszeiten die Solaranlage besonders viel oder besonders wenig Strom erzeugt. Nutzer von Elektrofahrzeugen könnten sich bei einer solchen Management-Lösung beispielsweise darauf verlassen, dass ihr Fahrzeug dann aufgeladen wird, wenn der Strom besonders günstig ist – denn der Home-Server wertet in Echtzeit die aktuellen Stromtarife aus.
 
Informationsquellen wie Websites lassen sich an den Server anbinden, um diesen mit nützlichen Daten zum Energie-Management zu versorgen. So kann der Home-Server über das Internet etwa auf die Vorhersageseiten eines Wetterdiensts zugreifen und entsprechend die zu erwartende Menge an Solarstrom für die kommenden Tage planen. Stehen Informationen über die Strompreise aus dem öffentlichen Versorgungsnetz zur Verfügung, lassen sich diese in die Kalkulation mit einbeziehen und eine maximale Kosteneffizienz gewährleisten.
 
Eine wichtige Rolle im Energie-Management kann zudem der Energiespeicher im Haus übernehmen, wenn dieser via Feldbus mit den Verbrauchern verbunden ist. Über eine intelligente Steuerroutine ist es für das System dann möglich, jederzeit den aktuell günstigsten Strom zur Verfügung stellen – also die Energie aus dem Speicher zu nutzen oder aber den Speicher durch Sonnen- oder Netzstrom aufzuladen.
 
Zu guter Letzt
 
Sind alle KNX/EIB-Aktoren installiert, lassen sich weitere Applikationen auf die Geräte laden. Aufgespielte Applikationssoftware kann der Installateur durch Verändern von Parametern an eine individuelle Situation oder Aufgabe anpassen. Aus diesem Grund ist beim EIB meist von „Parametrierung“ statt von „Programmierung“ die Rede.
 
Im nächsten Schritt lassen sich die ersten Schaltszenarien testen. Nach Abschluss der Elektroninstallationen folgt der Aufbau des Server-Schranks sowie dessen Ausstattung mit NAS-System, Router, Videoüberwachung und der Schaltzentrale der Gegensprechanlage. Auf der Netzwerkfestplatte lassen sich sämtliche Bilder, Videos und Musikdateien speichern, auf die dann DLNA-kompatible Systeme (Digital Living Network Alliance) wie TV-Geräte oder das Heimkinosystem via LAN-Verbindung zugreifen können. Der Anwender steuert diese Systeme beispielsweise über ein Touchpanel in Form eines Tablet-PCs oder Smartphones.
 
Anschließend lässt sich am Internet-Router ein Port Forwarding einrichten, um die Hausautomationslösung auch aus der Ferne – etwa über UMTS am Smartphone – steuern zu können. Zudem kann der Installateur die Telefonanlage so konfigurieren, dass der Home-Server über einen ISDN-Port erreichbar ist. Dann lassen sich beispielsweise durch die Auswertung der anrufenden Nummern bestimmte Schalthandlungen auslösen.
 
Auch die Brandmeldezentrale lässt über eine EIB-Schnittstelle an den Home-Server anbinden, damit dieser im Fall eines Feuers automatisch eine hinterlegte Nummer wählt und eine vorbereitete Sprachaufnahme abspielt. Entsprechendes gilt für die Alarmanlage und andere Überwachungssensoren. Um die Sicherheit noch weiter zu erhöhen kann der Installateur auch die Videoüberwachung so einstellen, dass sie immer dann ein Bild von den Kameras speichert, wenn beispielsweise ein Bewegungsmelder Alarm schlägt oder wenn es an der Haustür klingelt.
 
Erst wenn alle diese Einrichtungen und Konfigurationen erfolgt und getestet sind, kann der Installateur das System freigegeben. Trotz detaillierter Planung kommt es häufig vor, dass Anwender nach einiger Zeit feststellen, dass die eine oder andere Einstellung nicht exakt den Vorstellungen entspricht. Da sich aber nach der Installation praktisch alle Komponenten und Funktionen zentral steuern und modifizieren lassen, sind kurzfristige Anpassungen jederzeit und ohne großen Aufwand realisierbar.

Einrichten des Server-Schranks in einem Privathaus, das auf intelligente Gebäudetechnik setzt. Bild: Hummel Systemhaus

Der Home-Server lässt sich über eine grafische Benutzeroberfläche an einem Touchscreen-Monitor bedienen, der im Wohnbereich installiert ist. Bild: Gira
LANline.

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