Eine neue Generation von Internet-Anwendungen lässt den Datenverkehr im Internet weltweit stark wachsen. Diese Applikationen, bisweilen als "Web 2.0" bezeichnet, umfassen IPTV (Internet Protocol Television) sowie von Benutzern erstellte Videos, Peer-to-Peer-Applikationen, Musik- und andere Datentauschaktivitäten sowie so genannte "soziale Netzwerke". Darüber hinaus erhöhen immer größere Bandbreiten im Teilnehmerzugangsbereich auch die Anforderungen in den Netzwerkkernbereichen.
Zu den schnelleren Zugangstechniken zählen in Deutschland der massive Ausbau des VDSL-Netzes
sowie in Amerika und Asien das Verlegen von Glasfaserleitungen bis in die Haushalte (Fiber to the
Home, FTTH). Neue Funkübertragungsapplikationen inklusive 3G Wireless und Wimax machen zudem auch
im Mobile-Bereich immer höhere Bandbreiten verfügbar. Zahlreiche Industriestudien über die
Wachstumsraten von IP-Netzwerken stimmen darüber überein, dass jährlich mit einer Verdopplung des
Internetdatenverkehrs zu rechnen ist und dies eine verlässliche Größe der Wachstumsrate darstellt
(Bild 1).
Das Wachstum der Core-Kapazität in IP-Netzwerken stellt in Zukunft verstärkt erhebliche
Anforderungen an die Skalierbarkeit der zugrunde liegenden optischen
Transportnetzwerkinfrastruktur, über die der Datenverkehr fließt. Die Zunahme der Bandbreite in den
IP-Netzwerken verstärkt zudem die Notwendigkeit, die Verbindungen von Router zu Router direkt
skalieren zu können, um große Datenverkehrsmengen besser handhaben und effiziente Multiplexing- und
Datenverarbeitungstechniken auf den Datenstrom anwenden zu können. Dies soll sicherstellen, dass
auch die für IP-Datenverkehr typischen Burst-Traffics – etwa die tageszeitabhängigen
Nutzungsspitzen von Diensten – übertragen werden.
Peer-to-Peer-Router-Verbindungen, die zunächst aus einer oder mehreren "Digital-Signal-Level-3"
-Verbindungen von je 50 MBit/s (DS-3) in den frühen 1990er-Jahren bestanden, skalierten auf STM-1s
(Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 155,52 MBit/s) und weiter bis zu STM-16-Bandbreiten (2,5
GBit/s) in den späten 1990er-Jahren. Seitdem erfolgte eine weitere Steigerung auf eine oder mehrere
10Gbit/s-Strecken. Heute führen Internet-Service-Provider die nächste Generation von
IP-Core-Routern ein, die Schnittstellen mit 40 GBit/s verwenden. Zudem planen sie bereits den
Einsatz von superschnellen Ethernet-Interfaces mit 100 bis 160 GBit/s.
Die gesamte IP-Netzwerkkapazität wächst, und die Einführung von IP-Schnittstellen mit sehr hoher
Bandbreite stellt die Betreiber, die nach Möglichkeiten zum Skalieren ihres optischen
Transportnetzwerks suchen, vor eine immense Herausforderung: Ihre Glasfasern werden voraussichtlich
eine Kapazität von jeweils bis zu 10 TBit/s bereitstellen müssen, ihre Serviceschnittstellen
zwischen den Routern bis zu 100 GBit/s. Doch existierende Hochleistungs-WDM-Transportsysteme
(Wavelength Division Multiplex) skalieren nicht effizient genug, um die genannten Anforderungen zu
erfüllen. Bei der Skalierung ist es wichtig, viele unterschiedliche Kriterien einzubeziehen, etwa
Systemgröße und Port-Dichte, Stromverbrauch, Zahl der benötigten Schaltkreiskomponenten, Umfang der
Glasfaserverkabelung innerhalb und zwischen Baugruppenträgern, die spektrale Effizienz und die
Möglichkeit, schnellere Leitungsdatenraten über die bestehende Glasfaserinfrastruktur zu
übertragen.
Welche Herausforderung eine Skalierung darstellt, zeigt folgendes Beispiel: Ein heute
installiertes, typisches WDM-System würde mit einer IP-Backbone-Kapazität von 640 mal 10 GBit/s bis
zum Jahr 2012 soweit skalieren, dass es aus über 650 Schnittstellenkarten, 14 Baugruppenträgern und
350 Verbindungen innerhalb und zwischen den Baugruppen bestehen würde. Dabei würden die
Betriebskosten für die Grundfläche und den Stromverbrauch stark steigen und die Komplexität bei dem
Ausbau des Systems, beim Betrieb und bei der Wartung erheblich zunehmen. Ersichtlich sind neue
technische Fortschritte gefragt, um die geforderte Skalierbarkeit überhaupt ökonomisch möglich
machen zu können.
Eine Einzellösung ist die Erhöhung der Leitungsdatenraten pro Wellenlänge, wodurch weniger
Schnittstellenkarten nötig wären – dies wiederum würde das Glasfasermanagement vereinfachen und die
Platzprobleme lösen. Mittlerweile sind bei Leitungsgeschwindigkeiten von 40 GBit/s arbeitende
WDM-Transportsysteme erhältlich. Sie adressieren die genannten Herausforderungen bereits aus
technischer Sicht, sind aber noch teuer. Derzeitige Anstrengungen in der Industrie sind darauf
fokussiert, diese Lösungen im Vergleich zu Systemen, die 10 GBit/s pro Wellenlänge übertragen
können, ökonomisch verfügbar zu machen. Doch kaum jemand erwartet, dass 40-GBit/s-WDM-Techniken
innerhalb der nächsten Jahre auf breiter Front zum Einsatz kommen.
Und während in der Industrie Einigkeit darüber herrscht, dass die verstärkte Entwicklung von
40-GBit/s-WDM-Systemen diese Technik tatsächlich preiseffizient verfügbar machen wird, bestehen
doch erhebliche Zweifel daran, dass bestehende Netzwerke sich für die Übertragung noch weiter
erhöhter Datenraten, etwa auf 100 GBit/s pro Wellenlänge, überhaupt eignen. Die Zweifel gründen
sich auf verschiedenen Faktoren: Bei solch hohen Leitungsgeschwindigkeiten treten optische
Schwachstellen verstärkt zu Tage, etwa die chromatische Dispersion und die
Polarisations-Moden-Dispersion. Weiterhin bereitet die Realisierung des nötigen optischen
Signal-Rausch-Abstands (Optical Signal-to-Noise Ratio, OSNR) und des Qualitätsfaktors (Q) für die
Übertragung über typische Glasfaserstreckenlängen Probleme. Kritische Fragen sind auch die
Machbarkeit, Haltbarkeit und Verfügbarkeit von optischen und elektronischen Komponenten wie
PIN/APD-Detektoren (PIN = Positive Intrinsic Negative, APD = Avalanche Photo Diode),
Transimpedanz-Verstärkern (TIA), Modulatoren und Modulatortreibern, die bei derartig hohen Bitraten
funktionieren.
Die Hersteller in diesem Bereich reagieren, und so will etwa Infinera mit der Entwicklung von
hoch integrierten, monolithischen photonischen Schaltkreisen (Photonic Integrated Circuit, PIC) auf
Indium-Phosphit-Substrat (InP) zusammen mit der kommerziellen Verfügbarkeit von PIC-basierenden
WDM-Transportsystemen einen alternativen Ansatz für das Design von WDM-Systemen und die Skalierung
der Netzwerkkapazität von IP-Core-Netzwerken bieten. Das in Sunnyvale, Kalifornien, ansässige
Unternehmen ist ein Anbieter von optischen Systemen, die um selbst entwickelte und gefertigte PICs
herum aufgebaut sind. Der fundamentale Vorteil der so genannten photonischen Integration sei die
signifikante Konsolidierung von optischen Komponenten auf einem gemeinsamen Substrat
beziehungsweise in einem Chip. Dadurch lassen sich zahlreiche WDM-Kanäle und optische Funktionen
(inklusive Laser, Modulation, Multiplexing/Demultipexing, Detektion, Dämpfung und Verstärkung) auf
einer einzelnen Komponente mit lediglich einer Kopplungsfaser implementieren. Die derzeit
kommerziell verfügbaren PICs der I-PIC-100-Serie erreichen eine Übertragungskapazität von 100
GBit/s auf einem Chip, der kleiner ist als ein menschlicher Fingernagel (Bild 2).
Die photonische Integration ermöglicht eine signifikante Reduktion der Kosten der
optisch-elektrisch-optischen (OEO) Konversion in Netzwerken. Die Infinera-Netzwerkarchitektur mit
der Bezeichnung "Digital Optical Network" nutzt dies, indem sie den häufigeren Einsatz solcher
Netzwerkknoten im Netzwerk ermöglicht. Netzwerkbetreiber können den Datenverkehr an diesen Knoten
auf- und abschalten, switchen und verteilen und ihn gleichzeitig überwachen. Diese "digitale"
Architektur soll sich damit besonders für dicht bevölkerte Regionen wie Westeuropa eignen, wo
Betreiber damit Services auch in kleineren Städten anbieten und hier Umsatz generieren können. Mit
konventionellen DWDM-Systemen wäre dies in vielen Fällen nicht ökonomisch.
Ein PIC bietet auch signifikant höhere Durchsatzvolumen. Dies lassen sich mit PIC-basierenden
WDM-Systemen nutzen, was wiederum die Anforderungen an die Skalierung der Netzwerkkapazität
adressiert. Dazu zählt die "Kapazitätsvirtualisierung", die die Bereitstellung von Services hoher
Bandbreite (etwa für 100-Gigabit-Ethernet-Services) vom Betrieb mit niedrigeren
Leitungsgeschwindigkeiten entkoppelt. Dies ermöglicht eine erhebliche Reduktion von
Glasfaserverbindungen innerhalb und zwischen den Baugruppen, von Platzbedarf und Stromverbrauch für
eine gegebene Systemkapazität. Gleichzeitig vereinfacht sich die Systemarchitektur, verbessert sich
die Systemzuverlässigkeit und die Ende-zu-Ende-Verfügbarkeit von Services.
Die integrierten monolithischen PICs ermöglichen im Vergleich zu diskret aufgebauten optischen
Komponenten eine Verdichtung der Systemfunktionalität. Sie bietet die Möglichkeit, das für die
Integration von Transistoren auf Silizium geltende Gesetz von Moore (Verdoppelung der
Transistorenzahl pro Flächeneinheit alle 18 Monate) auch auf optische Komponenten anzuwenden. Genau
wie bei der Silizium-IC-Produktion macht es die optische monolithische Integration und die
Verkleinerung der Gehäuse möglich, dass die PIC-Technik durch effiziente Massenproduktion immer
günstiger wird, mehr Funktionen vereint und die Komponentendichte weiter zunimmt.
Die Gegenüberstellung der Skalierung von Silizium-Chips und InP-PICs zeigt, dass die Performance
der PICs über der Zeit genauso gut skaliert, wie es Moores Gesetz für Silizium-ICs vorhersagt – und
weit über der Leistung von diskret aufgebauten optischen Komponenten liegt. Daraus folgt, dass die
Entwicklung von PIC-basierenden WDM-Systemen das größte Potenzial für eine effiziente Skalierung
von optischen Transportsystemen aufweist (Bild 3).
Bereits heute sind WDM-Systeme auf der Basis von 100-GBit/s-PICs in den Carrier-Netzwerken der
nächsten Generation bei Unternehmen wie Level(3) Communications, Global Crossing, XO Communications
und Broadwing im Einsatz. Sie bieten höhere Effizienzen beim Netzwerkbetrieb und vereinfachen die
Bereitstellung von neuen Diensten hoher Bandbreite. Im Jahr 2005 hat auch Freenet – einer der
führenden deutschen Internet-Service-Provider – sein bundesweites Netzwerk mit solchen Systemen
ausgerüstet.
Gleichzeitig haben erhöhte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in der PIC-Technik gezeigt,
dass noch wesentlich mehr möglich ist: So hat Infinera nach eigenen Angaben bereits einen einzelnen
monolithischen PIC mit einer Kapazität von 1,6 TBit/s demonstriert, der 40 WDM-Kanäle mit jeweils
40 GBit/s überträgt (Bild 4).
Die durch neue Techniken wie die hoch integrierten photonischen Schaltkreise erzielten Vorteile
ermöglichen eine Neudefinition optischer Transportsysteme durch die Service-Provider. Gleichzeitig
erhalten sie die Möglichkeit, ihre IP-Netzwerke der nächsten Generation zu skalieren und die neuen
und geänderten Anforderungen ihrer Kunden an Breitbanddienste schnell zu erfüllen. Dabei erhöhen
sie noch die Flexibilität und vereinfachen den Betrieb ihrer Netzwerke.