Einige Experten argumentieren, dass SDN eine deutliche Erhöhung der Komplexität mit sich bringt. Eine zuverlässige Umsetzung von SDN im Netzwerk erfordert, dass mehrere verteilte Controller die genutzten Algorithmen verteilt im Netzwerk bearbeiten müssen. Nur so lässt sich eine redundante Netzsteuerung garantieren, um den Ausfall eines Controllers zu kompensieren. Hinzu kommt, dass gegebenenfalls mehrere parallele Übertragungsstrecken bereitgestellt werden müssen. Nur so ist gewährleistet, dass bei einem Netzausfall einzelne Switches beziehungsweise Router nicht von den Controllern isoliert werden.
In den Switches müssen neue Kontrollmechanismen für die Paketweiterleitung integriert werden. Die Kommunikation zwischen der Netzsteuerung (Control-Plane) und der Paketweiterleitungsebene (Forwarding-Plane) in den heutigen Switches und Routern erfordert bereits heute eine sehr hohe Geschwindigkeit. Daher besteht die Befürchtung, dass die Trennung von Control- und Forwarding-Plane in SDN-Lösungen zwangsläufig mit einer Erhöhung der Komplexität einhergeht.
Auf kurze Sicht muss jede SDN-Implementierung die notwendigen Schnittstellen zu den bisher installierten Netzsystemen bieten. Es müssen eine Reihe klassischer Protokolle (STP, OSPF, EIGRP, BGP, Policy Routing, QoS etc.) bereitgestellt werden. Dementsprechend wird auch bei SDN die Komplexität nicht sinken.
Von der Netzwerkindustrie wurden in der Vergangenheit ähnlich schwierige Probleme bereits gelöst. Daher bin ich zuversichtlich, dass in den kommenden Monaten/Jahren neue Ideen umgesetzt werden, die die derzeitigen SDN-Probleme elegant lösen werden. Leider kenne ich die Antwort auf viele SDN-Fragen noch nicht und wir müssen abwarten, welche SDN-Lösungswege in den kommenden 3 bis 5 Jahren entwickelt werden.
Von den Marketingabteilungen der diversen Hersteller wird propagiert, dass die SDN-Revolution die Möglichkeit bietet die heutigen Netzstrukturen zu vereinfachen und die Komplexität der Netzwerkkonfiguration und -Steuerung zu reduzieren. Ich finde die bisher gehörten Argumente überzeugend. Die unzähligen Protokolle, die in den derzeitigen Netzwerken erforderlich sind, gleichen meiner Meinung einer schweren Wunde, die mit einer Vielzahl von kleinen Verbänden abgedeckt wird. Jedes Mal, wenn die Netzwerkindustrie vor einer neuen Herausforderung im operativen Bereich steht, erfinden wir ein neues Protokoll. Die Netzwerker müssen mühsam herauszufinden, wie dieses neue Protokoll mit allen anderen Protokollen zusammenarbeitet, um das Netzkonstrukt am Leben zu halten. Diese Arbeitsweise ist nicht nachhaltig. Es macht Sinn, dass QoS, Call-Admission-Control, Policy-Routing und L2/L3-VPNs alle enger miteinander verzahnt und über einen gemeinsamen Steuerungsmechanismus verwaltet werden.
Fazit
Es gibt genügend Wettbewerb in der Netzwerkbranche , dass ich nicht bezweifle, dass SDN wegen ein paar schlechten Implementierungen in den Anfangstagen, sich nicht durchsetzen wird. Aller Anfang ist schwer und die frühen Pioniere werden sich mit vielen Praxisproblemen herumschlagen müssen. Erst nachdem SDN dieses Jammertal verlassen hat, werden sich die Dinge verbessern. Sicherlich wird die Komplexität in der nahen Zukunft noch zunehmen. Eine erhebliche Effizienzsteigerung wird sicherlich erst von späteren SDN-Versionen erreicht. Ähnlich wie beim Auto werden wir feststellen, dass durch den Einsatz von computergesteuerten Einspritzmotoren eine höhere Effizienz und ein verbesserter Bedienkomfort erreicht wird. Wir werden im Netzwerk auch durch SDN nicht sofort ans Ziel gelangen und es bleibt die Gewissheit, dass Netzwerke auch weiterhin komplexe Systeme darstellen und diese kluger Leute bedürfen, die wissen wie die Netzwerkkonstrukte funktionieren beziehungsweise diese bei Problemen schnell und effizient reparieren können.