Energiesparen als Management-Herausforderung

Weniger ist manchmal mehr

4. August 2007, 23:05 Uhr | Jürgen Grimmer und Horst Wittmann/jos Jürgen Grimmer ist IT-Business-/Interim-Manager und Geschäftsführer der JG Consulting & Wirtschaftsberatung in Niedernberg, Horst Wittmann ist Geschäftsführer bei Septacon in Rosenheim.

In Zeiten, in denen die Energiekosten immer mehr wachsen, steigt für viele IT-Verantwortliche der Handlungsbedarf hinsichtlich einer nachhaltigen und dauerhaften Energiekostensenkung. Spätestens seit Mitte 2006 dürften bei diesem Thema viele IT-Verantwortliche nachdenklicher gestimmt sein, nachdem zum Beispiel die Analysten der Gartner Group die Ansicht vertraten, dass viele IT-Betriebe in den kommenden drei Jahren, sowohl beim Energie- als auch beim Raumbedarf an die Grenzen des mit derzeitigen Systemen Machbaren gelangen.

Bei aller Vorsicht gegenüber dem Blick in die Zukunft: Das Statement der Gartner-Analysten kann
sicher als realistische Trendeinschätzung herhalten. Andererseits muss aber auch der technische
Fortschritt ins Kalkül eingehen.

Vor allem die neuen Servertechniken wie zum Beispiel Blade-Architekturen, Multi-Core-CPUs sowie
die Möglichkeiten der Virtualisierungstechnik implizieren eine "schleichende" Steigerung der
Leistungsdichte in den Rechenzentren. Den Untersuchungen zufolge gab es in den zurückliegenden zehn
Jahren ein Wachstum um den Faktor 10. Der steigende Bedarf an Rechen-Power macht jedoch auch eine
entsprechende Stromversorgung erforderlich. Gleichzeitig hat sich das IT-Management um die
entstehende Abwärme zu kümmern. Gerade in älteren Rechenzentren gilt oft als praktischer
Erfahrungswert, dass nahezu 70 Prozent der vorhandenen Stromquellen für die Systemkühlung arbeiten.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass viele Rechenzentren auf dem Energiesektor bereits heute an
der oberen Grenze angekommen sind.

Nicht alle Rechner brauchen Non-Stop-Verfügbarkeit

Wenn man von der Mainframe- und Midrange-Klasse (in der häufig das
24-Stunden-an-sieben-Tagen-der-Woche-Prinzip gilt) absieht, gilt die Aussage, dass viele
Serversysteme nicht während des gesamten Tags und/oder während der Nachtstunden unter "Volllast"
laufen müssen. Sofern der IT-Verantwortliche die realen Lastzeiten kennt, kann er den
Stromverbrauch oft nach diesem Bedarf ausrichten und damit das IT-Budget entlasten. Die wirksame
Maßnahmen dabei sind: Adaption der Betriebsabläufe, Rightsizing, skalierbare und modulare Systeme,
bedarfsgerechte Neuinvestitionen in Serversysteme und eine adaptive Klimatisierungslösung.

Wenn man die Stromrechnung vieler Rechenzentren näher untersucht, ist leicht erkennbar, dass
diese mittlerweile zu den Hauptposten der Betriebsausgaben zählen. Interessant ist, dass nur rund
20 Prozent des Energiebedarfs für die tatsächlichen Serveraufgaben erforderlich sind. Es ist ein
Irrglaube, dass stets neue und effizientere Systeme nötig sind, um die geforderte
Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Oft hilft bereits eine sorgfältige Untersuchung der tatsächlich
benötigten Leistung in Verbindung mit den exakten Lastzeiten. Auch eine Anpassung der
Betriebsabläufe kann sich positiv auf den Energieverbrauch auswirken. Die Praxis zeigt, dass
Netzwerkfachleute bereits mit kleineren Betriebsablaufsadaptionen die "Energie-Peaks" auf einen
längeren Zeitraum verteilen und somit die Energieaufnahme optimieren können.

Die Dimensionierung (das "Rightsizing") der Serversysteme sowie der Klimatisierung kann
ebenfalls eine sinnvolle Maßnahme sein. Die realen Energiekosten lassen sich senken, wenn die
Systeme realistisch an den tatsächlich erwarteten Leistungsbedürfnissen ausgerichtet sind. Dies ist
ein weiterer Grund für das IT-Management auf den Einsatz gut skalierbarer und modularer Systeme zu
achten. Eine in vernünftigem Maße restriktive Investitionspolitik hat den Vorteil, dass eine
geringere System-/Rechneranzahl eine bessere Nutzung/Auslastung und somit eine höhere Effizienz
implizieren kann. Da auch ungenutzte und "unterforderte" Rechner Energie verbrauchen, sollte sich
das IT-Management einen aktuellen Überblick über die IT-Infrastruktur verschaffen.

Auch der Klimatechnik schadet ein gewisses Augenmerk sicher nicht. Werden etwa die Luftströme
sachgerecht gelenkt, hilft dies Energie zu sparen. Dies bedeutet unter anderem, dass der
Doppelboden nicht "überladen" sondern "strukturiert/aufgeräumt" sein muss. Werden Racks für Server
und/oder Netzwerkkomponenten platziert, ist hier eine sachgerechte sowie adaptive Klimatisierung zu
empfehlen. In der IT-Praxis setzen sich Klimatisierungslösungen durch, bei denen sich die erzeugte
Kühlleistung an der Abluftwärme orientiert.

Deutschland in einer Vorreiterrolle beim Energiesparen

Die USA stehen offenbar nicht in allen IT-Fragen auf dem "ersten Platz". Dies belegt eindeutig
die Situation in vielen amerikanischen Rechenzentren, in denen das Bedürfnis zur Energieeinsparung
kontinuierlich wächst. Deutsche Firmen haben dagegen schon seit einiger Zeit die Vorteile der
Energie(kosten)senkung erkannt und in die Praxis umgesetzt. US-Untersuchungen ergaben ebenfalls,
dass der Energieverbrauch von Serversystemen sowie Internetinfrastrukturen in den vergangenen
Jahren stark angestiegen ist. Dies sei auf eine verstärkte Nutzung von Internetdiensten wie zum
Beispiel Musik-Downloads, Video on Demand, Internettelefonie, E-Mail-/Messaging-Services etc.
zurückzuführen. Die Schätzungen gehen davon aus, dass sich der Serverenergiebedarf auf globaler
Basis in der Zeit von 2000 bis 2005 nahezu verdoppelt hat. Vom Gesamtenergiebedarf der USA
benötigen die dortigen Serversysteme zirka 0,6 Prozent. Wenn man den Energiebedarf vollständiger
Rechnerinfrastrukturen (einschließlich Klimatisierung) betrachtet, bewegt sich der
US-Gesamtenergiebedarf dafür bei 1,2 bis 1,3 Prozent des Gesamtverbrauchs.

Es ist mittlerweile Realität, dass ein steigender Rechen- und Speicherleistungbedarf das in der
Industrie realisierbare Einsparpotenzial bereits überragt. Durch die Vorteile der
Kombinationsmöglichkeiten, die sich aus dem Einsatz von Multi-Core-Prozessoren, Blade-Systemen und
der Virtualisierungstechnik ergeben, können performante und effektive Systeme geschaffen werden,
die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit eine rückläufige Entwicklung bei den Rechnerzahlen bewirken.
Die logische Konsequenz ist, dass der Raumbedarf sinkt, da weniger Rechenzentrumsflächen benötigt
werden. Ein gutes Beispiel für diesen Trend ist Hewlett-Packard. Das Unternehmen hat die
Rechenzentrumsanzahl in den USA in einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne von 85 auf sechs
herunterfahren können.

Durch den verstärkten Einsatz der Blade-Architekturen ist die Packungsdichte in den Racks
bekanntlich deutlich höher. Der Betrieb vieler CPUs setzt allerdings eine ausreichende
Energieversorgung auf engem Raum voraus. Neben dem Betriebsenergiebedarf ist in etwa noch einmal
eine ähnliche Energiemenge zur Klimatisierung der dicht gepackten Blade-Server-Racks einzuplanen.
Eine Konsequenz: Aufgrund der steigenden Energiepreise sind (Outsourcing-)Serviceanbieter bereits
dazu übergegangen, die Servicegebühren an den europäischen Stromindex zu koppeln. Diese
Preisgestaltung bietet sich für die Serviceanbieter geradezu an, wenn die Kunden die eigenen
Rechner/Systeme beim Serviceanbieter betreiben lassen. Sofern der Index ansteigt, erhöhen sich die
in Rechnung zustellenden Servicekosten für die Benutzer proportional. Trotz steigender
Energiekosten zeigt sich bei der System-/Rechnerauswahl (Investitionsentscheidung), dass der
Energieverbrauch nur von untergeordneter Bedeutung ist. Hier ist der Fokus des IT-Managements meist
viel stärker auf die zum Einsatz kommende Architektur gerichtet (zum Beispiel, ob
Mainframe-ähnliche Unix-Großrechner oder ein Blade-Rechner-Verbund). Neben der Architekturthematik
nehmen heute Kompatibilitätsüberlegungen meist einen höheren Stellenwert als die Frage ein, ob ein
Rechner, der auf der Intel-Technik basiert womöglich mehr oder weniger Energie als sein
AMD-basierendes Pendant verbraucht.

Ein hoher Energieanteil wird von den Serversystemen selbst sowie den dazu gehörenden
Klimatisierungslösungen verbraucht. Bei den Überlegungen zur Energiekostensenkung sowie den
Möglichkeiten der Energieeinsparung sollten aber auch die vielen Peripheriegeräte in den
IT-/Netzwerklandschaften nicht vergessen werden. Hier zeigt die Realität leider, dass die
Peripheriegeräte meist bei den Effizienzkontrollen außen vor bleiben. Beispielsweise im
kontinuierlich wachsenden Storage-Bereich nehmen die zu Buche schlagenden Energiekosten durchaus
beachtenswerte Größenordnungen an. Die durchschnittlichen Kosten für 1 GByte Managed Storage
bewegen sich in einer Bandbreite zwischen vier und zehn Euro – der anteilige Energieaufwand liegt
bei 0,3 bis 0,6 Prozent.

Energiekosten haben signifikanten IT-Budgetanteil erreicht

Zurzeit ist davon auszugehen, dass die Energiekosten etwas fünf bis zehn Prozent der jährlichen
budgetierten Rechenzent-rumsbetriebskosten betragen. Wenn sich die Energiekosten weiterhin nach
oben entwickeln und der Energieverbrauch beständig ansteigt, könnte in einigen Jahren der
Sachverhalt eintreten, dass die Energiekosten 30 bis 40 Prozent (oder auch mehr) der jährlichen
Rechenzentrumsbetriebskosten betragen. Herstellerseitig will man diesem Trend entgegen wirken. So
hat etwa Transtec das Ziel definiert, die Organisation von Racks für Blade-Serversysteme zu
optimieren und dabei die Stromversorgung der einzelnen Chassis zu konsolidieren. Dies soll den
Wirkungsgrad signifikant verbessern. Abhängig vom Rack und dessen Belegung könnte der Benutzer auf
diese Weise schätzungsweise zwischen 5000 und 6000 Euro pro Rack einsparen.

Die größten Energieeinsparungspotenziale ergeben sich allerdings sinnigerweise durch die Geräte,
die nicht benötigt oder nicht eingesetzt werden. Durch die verstärkte Nutzung der
Virtualisierungstechnik, durch die Möglichkeiten der Partitionierung sowie durch die Vorteile des
Load-Balancings lassen sich gute Einsparungen realisieren.

Fazit

Bei der Energiekostenbetrachtung spielen ökonomische und ökologische Überlegungen eine
gewichtige Rolle. Das IT-Management befasst sich somit verstärkt mit Themen wie dem Stromverbrauch
und dem Kohlendioxidausstoß im Rechenzentrum. Dies ist mit einer der Gründe, warum sich unter dem
Namen "The Green Grid" ein Branchenkonsortium gebildet hat, das sehr stark auf die
Energieeffizienzoptimierung von IT-Infrastrukturen ausgerichtet ist. Zu den Mitgliedern der nicht
kommerziellen Vereinigung, die es seit Ende Februar dieses Jahres gibt, zählen Unternehmen wie AMD,
Intel, Dell, HP, IBM, Rackable Systems, Sun, Microsoft, VMware, APC oder Spraycool.

Energieeffizienz im Rechenzentrumsbetrieb zählt heute zu den essenziellen Herausforderungen, mit
denen das IT-Management, die IT-Hersteller und -Ausrüster sowie die Benutzer tagtäglich zu tun
haben. Aufgrund der immer leistungsfähigeren Serversysteme und der mittlerweile immer enger
belegten Blade-Server-Racks war ein kontinuierlicher Stromverbrauchsanstieg für den
Serverfarmbetrieb sowie die hierzu benötigte Klimatisierung in den zurückliegenden Jahren
unvermeidlich. Das Thema der Energieeinsparung im IT-/RZ-Betrieb wird folglich noch länger auf der
Watch-Liste des IT-Managements bleiben.


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