Zwischen technisch Machbarem und der Büro-IT-Realität liegen oft Welten - oder gefühlte Jahrhunderte, wie die CRN-Kopfnuss herausgefunden hat.
Als IT-Redakteur beschleicht einen ab und an das diffuse Gefühl, ein Wanderer zwischen den Welten zu sein. Bei Presseveranstaltungen in den Kathedralen großer IT-Vorreiter wird dem staunenden Schreiberling vor Augen geführt, was IT jetzt sowie in naher und ferner Zukunft leisten kann. Dort funktioniert Internet ohne Kabel und Modem, Bildschirme reagieren auf Fingereingaben und Wolken sorgen nicht nur für Regen oder Schatten, sondern stellen neuerdings auch Daten bereit. In Konferenzen sind die Top-Manager nicht nur auf Erzählungen angewiesen, sondern können jetzt Live und in Farbe sehen, wie der für Ostasien zuständige Kollege vor Neid erblasst, wenn er die neue Vollkarat-Rolex pimped bei Swarovski am Handgelenk funkeln sieht.
Der harte Bruch kommt für viele Normalsterbliche aber spätestens beim Betreten des eigenen Schreibkämmerleins. Statt modisch mattschwarz lackierter Monitore und Gehäuse fühlt man sich in die Anfangszeit der Informationsverarbeitung, in der vor allem Eierschalengelb vorherrschte, zurückversetzt und das Kopfkino beginnt: Will man Programme öffnen, wird die korrekte Lochkarte aus dem Archiv benötigt. Geht es an die Texteingabe, wird der malträtierte Schreiberling nicht von lateinischen Buchstaben sondern von altägyptischen Hieroglyphen begrüßt. Statt QWERTZ heißt es dort Eule, Sonne, Viereck, Mann der seine Arme verdreht, Pyramide und Frau auf Stuhl. Die Übersetzung erfolgt dann per »Stein von Rosette«-Skript ins Altgriechische. Von da an ermöglichen altphilologische Standard-Apps die Übertragung ins Mittelhochdeutsche. Ein exemplarischer Zwischenstand: »Uns ist in neuen maeren wunders vil geseit, von technik lobebaeren, von wenig arebeit.«
Bis das dann in auch für heutige Menschen verständliches Deutsch übersetzt wurde, bedurfte es weiterer unmenschlicher Anstrengung in den Sklavenkellern der IT-Infrastruktur. Immerhin werden die Kollegen mit Tonsur nicht mehr dazu verdonnert, Wochenmagazine mit Auflagen von mehreren tausend Exemplaren per Krähenfeder und mühseliger Handschrift auf Papier zu bringen. Viele Verlage sind in diesem Bereich vorgeprescht und haben in ein hochmodernes System zur Schriftvervielfältigung investiert. Auch wenn die beweglichen Lettern von Gutenberg teuer sind: Die Arbeit erleichtern sie allemal.