Beim Thema digitale Souveränität dürften die wenigsten an Firmenhandys denken. Warum man sich in Unternehmen genau darüber Gedanken machen sollte, welche europäischen Alternativen es gibt und wie sich der Umstieg auf europäische Varianten bei Funktionalität und Preis auswirken können.
connect professional: Herr Rödiger, bei Datensouveränität und möglichen Abhängigkeiten von US-amerikanischen Unternehmen denken viele als erstes an Cloudanbieter sowie deren Lösungen im Businessbereich. Wie sieht das Bewusstsein aus, wenn es um Mobile Strategien – sprich das Firmenhandy – geht?
Michael Rödiger: Wir raten Unternehmen beim Thema der mobilen Endgeräte schon seit längerem zu einem Umdenken. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Geräte in der Hosentasche gerne als Sicherheitsrisiko unterschätzt und vergessen werden.
connect professional: Merken Sie aufgrund der geopolitischen Lage in ihrem Bereich – dem Mobile Device Management – eine höhere Nachfrage?
Rödiger: Ja, auf jeden Fall. Man sieht es mittlerweile schon in den Ausschreibungen. Dort werden explizit Serverstandorte in Europa oder Deutschland gefordert. Unsere Kunden aus dem KRITIS-Umfeld – also Krankenhäuser, Pflegedienste, Städte, Gemeinden, aber auch Energieversorger – sagen, dass sie froh sind, bereits souverän aufgestellt zu sein.
connect professional: Kann Cortado die Anforderung nach einem europäischen Serverstandort erfüllen?
Rödiger: Ja, wir sind einer von wenigen deutschen MDM-Anbietern. Unser Firmensitz ist in Berlin und unsere Server stehen in Frankfurt am Main.
connect professional: Nun muss man andererseits auch sagen, dass die großen US-Player gewisse Vorteile haben, indem sie zum Beispiel ein sehr umfassendes Produkt-Angebot haben.
Rödiger: Das stimmt, US-Player sind für Unternehmen interessant, weil sie Lösungen in einem großen Bundle anbieten. Das verstärkt aber natürlich auch den Lock-in-Effekt, wenn man zum Beispiel ein Mobile Device Management-System im Ökosystem von vielen anderen ineinandergreifenden Produkten bekommt. Wir sehen das gerade auch auf Länder- und Bundesebene. Da sind Städte und Gemeinden teilweise so umfassend mit Produkten von US-Anbietern ausgestattet, dass ein Wechsel ein sehr langfristiger Prozess wäre und von jetzt auf gleich praktisch nicht realisierbar ist.
connect professional: Was passiert, wenn man sich in einer solchen Abhängigkeit befindet?
Rödiger: Wenn sich ein Unternehmen mehrere tausend Geräte von einem US-Anbieter ins Haus geholt hat, und dann die Ansage käme, dass Services für den europäischen Markt eingestellt werden, stünden diese Unternehmen vor einer sehr großen Herausforderung. Vor ein paar Jahren wäre das noch nicht so schlimm gewesen. Damals hat man mit dem Berufshandy mal eine E-Mail gecheckt oder eine kurze Nachricht versendet. Aber heutzutage sind Smartphones aus dem Unternehmensalltag nicht mehr wegzudenken. Sie sind als Werkzeuge komplett in die Prozesse integriert. Das geht schon los beim Öffnen der Bürotür. Das wäre dann vielerorts nicht mehr möglich, weil das Firmenhandy der Authenticator für den Zutritt ist. Und wenn diese Geräte erst einmal über ein MDM-System verwaltet sind, ist ein Wechsel zu einem anderen Anbieter sehr aufwendig.
connect professional: Was käme bei einem Wechsel des MDM-Systems auf ein Unternehmen zu?
Rödiger: Das geht in der Regel mit einem Zurücksetzen der Endgeräte einher. Da nicht jeder der Mitarbeitenden in der Lage ist, ein Gerät eigenständig zurückzusetzen, muss man die Geräte einsammeln, zurücksetzen, neu in Betrieb nehmen und auf ein anderes System wechseln.
connect professional: Schauen wir mal auf die Hardwareseite: Welche europäischen Smartphone-Alternativen sehen Sie für den Einsatz im Unternehmen?
Rödiger: Aus meiner Sicht am sinnvollsten ist ein Fairphone, das von einem Hardware-Hersteller aus den Niederlanden kommt. Zudem hat sich Fairphone den Nachhaltigkeitsgedanken auf die Fahnen geschrieben – man kann die Geräte beispielsweise einfach auseinanderbauen und reparieren. Zu denken wäre aber auch an HMD mit den Nokia-Smartphones. Es gibt in jedem Fall einige europäische Hersteller, wenn auch nicht sehr viele.
connect professional: Wir können also festhalten, dass es in jedem Fall Geräte-Alternativen zu denen großer amerikanischer Tech-Konzerne gibt. Wobei man auch sagen muss, dass Fairphones laut eigenen Angaben nicht in Europa zusammengebaut werden, sondern in Fabriken in Asien. Allerdings hat das Unternehmen die Fair Cobalt Alliance mitbegründet, eine Organisation, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Minenarbeiter:innen einsetzt. – Kommen wir zum Thema Betriebssystem. Wäre denn ein Zurücksetzen eines Android- oder iOS-Betriebssystems ein gangbarer Weg?
Rödiger: Es gibt Hersteller deren Geräte lassen sich nicht so weit zurücksetzen, dass man es mit einem anderen Betriebssystem bespielen kann. Das ist natürlich eine Schutzmaßnahme und war vor einigen Jahren ein großes Thema. Bei iOS-Geräten spricht man dabei von Jailbreak, bei Android-Geräten von Rooten. Das wurde hauptsächlich deswegen gemacht, weil es viele Anwendungen noch nicht in den App Stores gab. Und so wurde das System quasi aufgebrochen, um an diese Anwendungen heranzukommen. Damit gingen viele Sicherheitslücken einher, weil diese Apps aus Dritteranbieterquellen völlig ungeprüft und teilweise mit Schad-Code in den Geräten installiert wurden. Daher ist das aus Herstellersicht nachvollziehbar, dass dem kompletten Zurücksetzen ein Riegel vorgeschoben wurde.