Nur kurz nachdem Raja Koduri überraschend seinen Abschied von AMD erklärt hat, schlägt er bei Intel auf und übernimmt dort die neu geschaffene Core and Visual Computing Group.
Bei der Entwicklung von Grafikchips tut sich Intel seit langem schwer und wird zunehmend von seinen Konkurrenten unter Druck gesetzt. AMD etwa punktete zuletzt oft mit seiner integrierten Prozessorgrafik, während Nvidia seine rechenstarken Chips gekonnt im HPC-Bereich platziert, wo KI und Machine Learning den Bedarf an Rechenkraft stark wachsen lassen. Das ganze Intel-Dilemma offenbarte sich in der vergangenen Woche, als der Chipriese einen Prozessor vorstellte, der eine integrierte Radeon-Grafikeinheit von AMD mitbringt. Der zählt zur achten Generation der Core-Prozessoren und soll schlankere Notebooks, 2-in-1-Hybridgeräte und Mini-Desktops ermöglichen.
Klar ist, für Intel besteht im Grafikbereich einiger Handlungsbedarf. Daher wurde nun eine neue Core and Visual Computing Group ins Leben gerufen, die nicht nur die integrierten Grafiklösungen des Herstellers verbessern, sondern auch Highend-Grafikchips entwickeln soll – unter anderem für Grafik- und Videoverarbeitung, aber auch für den Datacenter-Bereich und KI-Anwendungen. Geleitet wird die neue Sparte von Raja Koduri, der erst vor wenigen Tagen überraschend bei AMD seinen Abschied verkündet hatte. Dort war er Chefarchitekt und zuletzt für die Entwicklung der »Vega«-Chips verantwortlich. Nachdem die zäh starteten, nahm Koduri im September eine Auszeit, kündigte damals aber noch an, im Dezember zurückzukehren und neue Aufgaben bei AMD zu übernehmen.
Koduri startete 2001 bei ATI, das später von AMD übernommen wurde, und wechselte 2009 zu Apple, wo er den Grafikbereich leitete. 2013 kehrte er zu AMD zurück. »Raja ist einer der erfahrensten, innovativsten und angesehensten Grafik- und Systemarchitektur-Visionäre in der Branche«, sagte Murthy Renduchintala, Chief Engineering Officer und President der Client and Internet of Things Businesses and System Architecture Group bei Intel, und ergänzte: »Wir haben große Pläne, unsere Computing- und Grafikfähigkeiten aggressiv auszubauen.«
Koduri wird seinen Posten bei Intel im Dezember antreten. Bei AMD soll es trotz des Abgangs des Chefentwicklers keine Änderungen an der Grafik-Roadmap geben. Die Aufgaben von Koduri werden, bis ein Nachfolger gefunden ist, weiter von AMD-CEO Lisa Su übernommen, die ihn schon während seiner Auszeit in den letzten Wochen vertreten hatte.
Intel hat sich mit Koduri fraglos einen Spitzenmann im Grafik-Business geholt, allerdings in der Branche auch für einige hochgezogene Augenbrauen gesorgt – zu schnell erfolgte der Wechsel von AMD zum großen Konkurrenten Intel. Gegenüber der US-Zeitschrift »Fortune« kündigte ein AMD-Sprecher bereits an, man werde das geistige Eigentum von AMD im Grafikbereich energisch verteidigen. Und der langjährige AMD-Topmanager Patrick Moorhead twitterte, er sei von dem Wechsel schockiert gewesen; noch nie habe er einen so großen Unterschied gesehen zwischen dem, was gesagt wurde, und dem, was passierte. Damit bezieht er sich auf die Abschiedsmail von Koduri an die AMD-Mitarbeiter, in der dieser ankündigte, er wolle künftig mehr seinen Leidenschaften abseits der Hardware nachgehen, und versprach, er werde privat und beruflich ein leidenschaftlicher Fan und Nutzer von AMD-Technologien bleiben.