Am 1. August hätten Online-Shops schon schließen, ja das komplette Wirtschaftsleben eigentlich schon ruhen müssen. Ab diesem Tag lebt die Menschheit nämlich auf Öko-Pump. Nachhaltig handeln? Das ginge beim Interneteinkauf von heute auf morgen.
Es ist ein Irrsinn, wenn sich kurz vor Weihnachten vier Paketwagen in einer engen Münchner Straße im Wege stehen und einen 100 Meter langen Stau verursachen. Nichts geht mehr, weder vor noch zurück. Und drinnen in einem Haus wartet der Kunde auf vier Pakete, wovon er mindestens eines, wenn nicht zwei oder drei zurückschicken wird. Schuhe, Kleider, Pullover werden selbstverständlich in mehreren Farben und Größen bestellt, Kopfhörer und Bügeleisen von zwei Herstellern geordert. Man kann ja alles wieder kostenlos zurückschicken. Belastung durch Überbelastung des Straßenverkehrs ist eine Sache. Eine andere ist, was dann mit den Retouren in den Logistikzentren passiert. Das bleibt dem shoppenden Couch-Potato verborgen oder interessiert ihn schlicht nicht.
Wenn sich das Topmanagement des Online-Versenders noch einen Funken Gewissen bewahrt haben sollte, landet die unverkäuflich gewordene Ware vielleicht bei Innatura.org - eine Plattform, die Sachspenden für soziale Zwecke vermittelt. Wenn nicht, werden viele Retouren verbrannt, gehäckselt, gepresst oder sonst wie vernichtet. Vielleicht sieben Milliarden Euro landen so jedes Jahr im Müll, genaue Zahlen für den deutschen Markt gibt es.
Notorische Retouren-Käufer tragen zum skandalösen Wohlstandsmüll ebenso bei wie das Finanzamt. Vernichten ist oft billiger als Rückläufer wiederzuverwerten oder gar zu spenden. Bei Sachspenden fällt nämlich Umsatzeuer an, weil sie wie ein regulärer Warenverkauf gewertet werden. Nur im »medialen Notfall«, wie die Wirtschafts Woche über den »Brötchen-Blödsinn« in Sachsen berichtete, erlässt der Staat einem Bäcker 5.000 Euro Steuern, weil er Brot und Brötchen vom Vortag an die Tafel gespendet hatte. Warenberge zu vernichten ist fiskalisch gesehen sehr klug, ökologisch und sozial freilich eine Dummheit.
Doch Dummheit ist per se nicht strafbar und heute sogar meist folgenlos. Zu Zeiten einer Marie-Antoinette hat man mit dieser »Nach-mir-die-Sinnflut-Haltung« noch zu Lebzeiten den Kopf verloren. Heute sind wir soweit, dass betrügende Zahlenjongleure in den Vorstandetagen noch Dankbarkeit fordern, weil sie Tausende Arbeitsplätze zu erhalten bemüht seien und tapfer gegen scharfe Umweltschutzgesetze kämpfen.
Doch weder ein Autobesitzer noch ein Online-Käufer macht sich über die Folgen seines Einkaufsverhaltens Gedanken. Beispiel: Die schiere Masse der retournierten Waren. Sie bleibt in der ausgefeilten Logistik des Online-Handels für Konsumenten unsichtbar. Sie wächst rasant. Jeder achte Online-Kauf in Deutschland wird laut Bitkom zurückgeschickt. Vor zwei Jahren waren es noch zehn Prozent. »Die Retourequoten sind gerade in speziellen Warengruppen wie bei Kleidung enorm hoch und steigen von Jahr zu Jahr«, sagt Bitkom-Expertin Julia Miosga.
Trotz aller Bemühungen der Etailer, das haptische Erlebnis mit 360-Grad-Bildern, Nahaufnahmen und auch Videos der Waren einigermaßen zu ersetzen, steigen die Retouren-Quoten Jahr für Jahr. Dafür sorgen vor allem junge Menschen zwischen 14 bis 29 Jahren und Frauen. Sie zählt der Bitkom zu den häufigen Retouren-Kunden. Jeder zweite Online-Shopper gibt an, Waren im Internet hin und wieder mit der festen Absicht zu bestellen, diese wieder zurückzuschicken, etwa um Kleidung in verschiedenen Größen auszuprobieren.