Abgeholzt. Messechef zu sein ist heutzutage kein reiner Spaß mehr. Rückläufige Besucherzahlen und vor allem Ausstellerschwund machen den Messegesellschaften in München, Hannover, Berlin oder Köln gleichermaßen zu schaffen. Die letzte schockierende Meldung zu diesem Thema: Microsoft spielt mit dem Gedanken, die Cebit, die Mutter aller Computermessen, zu boykottieren.
Ob man sich nicht alle diese »Wald-und-Wiesen-Messen« sparen könne, überlegt Microsoft-Chef Gallmann allen Ernstes und subsumiert unter dieser respektlosen Bezeichnung auch die Cebit.
Wenn er nun aber mit seiner Spezifizierung der Cebit als »Wald-und-Wiesen-Messen« richtig liegt, hätte Microsoft-Chef Gallmann seinem Chef-Kollegen Raue von der Deutschen Messe AG zumindest einen Anhaltspunkt geliefert, weshalb dessen Hannoveraner Computer-Expo im März so leidet. Sicher ist: An der »Wiese« kann es ganz offensichtlich nicht liegen. Den Beweis trat grade eben die »Münchner Wiesn«, das Oktoberfest an, das seine Pforten soeben hinter rund sechs Millionen freude- und alkoholtrunkenen Gästen schloss.
Wäre also zu eruieren, ob der »Wald« Schuld an der sinkenden Akzeptanz der Cebit trägt. Das stellt auch weiter kein Problem dar. Ist doch die einzige nennenswerte Baumansammlung bei Hannover das Wäldchen Eilenriede, und das ist für einen kräftigen kanadischen Holzfällertrupp, der sich sicher ohne große Zusatzkosten während der Cebit 2005 vom kanadischen Gemeinschaftsstand in Halle 6 rekrutieren lässt, eine Sache von schlappen 20 Minuten.
Sollte es sich jedoch herausstellen, dass diese Maßnahme greift, und die Ausstellerzahlen für die Cebit 2006 sprunghaft in die Höhe schnellen, steht es allerdings schlecht um den deutschen Wald. Große Probleme hätte natürlich zu allererst München: Denn dort ist es nicht mit einer kurzen Abholzsession getan. Dort müsste nämlich nicht nur der stadtmittige Englische Garten und der Nymphenburger Park mit ihrem Jahrhunderte alten Baumbestand zugunsten des Aufschwungs der Münchner Systems weichen, sondern auch der Perlacher, der Ebersberger, der Forstenrieder, der Fürstenrieder und der Hofoldinger Forst. Wenn´s reicht. Denn noch ist nicht nachgewiesen, wie eng der Zusammenhang von Messe-Erfolg und restloser Entfernung der Waldfläche wirklich ist. Indizien liefert immerhin die Games Convention in Leipzig: Mitten im schönsten Braunkohletagebau- und Chemierevier gelegen, stört dort der Wald den Messeaufschwung nicht.
Einzigen Anlass zur Skepsis an dieser Theorie liefert derzeit die Comdex Fall, die vor ihrem gänzlichen Zusammenbruch in Las Vegas stand. In einem Wüstenareal, in dem nun mal beim besten Willen kein Waldbestand auszumachen ist. Doch vielleicht gelten ja in den USA wie so oft auch andere Regeln. Oder die deutschen Messechefs sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.