Actebis Open Talk: Mit mehr Fokus gegen Direktvermarkter

6. Mai 2004, 0:00 Uhr | Samba Schulte

Actebis Open Talk: Mit mehr Fokus gegen Direktvermarkter. Mehr Fokussierung auf Kunden- und Produktebene und mehr Know-how forderten die Hersteller FSC, HP und IBM von den Resellern auf der Actebis-Diskussionsveranstaltung Open Talk zum Thema »Zukunft des Fachhandels«, die CRN-Redakteur Samba Schulte moderierte. Die Systemhäuser hielten dagegen: »Das Gesicht zum Kunden habe ich!«

Actebis Open Talk: Mit mehr Fokus gegen Direktvermarkter

CRN: Das Ergebnis, zu dem Diskussionsrunden über das Thema »Zukunft des Fachhandels« immer wieder kommen, lautet: Der Handel muss sein Service-Geschäft konsequent ausbauen. Die Handelsunternehmen in dieser Runde haben diesen Weg ja schon beschritten ? ich denke da beispielsweise an die Taskarena GmbH, die ihr Handelsgeschäft mit Hardware an den Logistik-Dienstleister MSH-Lazero ausgegliedert hat. Ist Ihr Unternehmen nach dieser Maßnahme besser gerüstet für die Zukunft?

Schlüter: Dieses Konzept ist vor allem für die Systemhauslandschaft ein sehr zukunftsträchtiges Modell. Für unser Unternehmen bringt die Ausgliederung des Hardware-Geschäfts an einen externen Dienstleister eine deutliche Verbesserung, denn die Mitarbeiter können sich nun auf das Kerngeschäft konzentrieren. Dazu gehört nicht die Logistik. Der Handel muss sich auf seine Kundenbeziehungen und sein Know-how konzentrieren. Das sind seine Stärken.

Koczwara: Die Wertschöpfung liegt im Bereich Dienstleistung. Wer sein Geld nur mit Hardware-Verkauf verdienen will, wird nicht überleben. Nur wer auf Grundlage dieser Hardware den Kunden eine Lösung bietet, wird am Ende Gewinn erwirtschaften. Viele Händler denken immer noch, dass sie mit zehn vertriebenen HP-Laserjet-Druckern ihren Deckungsbetrag erwirtschaftet haben. Sie verkennen, dass sie über Verbrauchsmaterialien, Wartungsvertrag, Installationsservices, Umzugsservices und eine Archivierungslösung noch mehr Geschäft generieren könnten. Wir haben auf einen Dienstleistungsanteil von rund 60 Prozent umgestellt. Aber die Vertriebsmitarbeiter haben sich sehr schwer getan, auf einmal aktiv Lösungen zu verkaufen.

CRN: Droht also das Ende der vielen kleinen Ladengeschäfte, die immer noch vom Hardware-Verkauf leben?

Deubner: Wer bis 2010 nicht 50 Prozent seines Umsatzes über Services generiert, wird sterben. Das liegt am Kaufverhalten der Kunden. Hundert Prozent Handelsgeschäft wird es nur noch bei den Discountern geben. Aber wir ziehen uns nicht aus dem Hardware-Geschäft zurück. Wir versuchen Dienstleistung über die Hardware zu verkaufen. Man kann mit Hardware immer noch beachtliche Margen erzielen.

Fischer: Ich glaube auch, dass Systemhäuser diesen Weg einschlagen müssen. Wir müssen raus aus der Diskussion, wer welches Blech zu welchem Preis liefern kann. Der Nutzen muss im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet für den Händler Hardware, Software und Services. Es gibt exzellente Online-Tools, die zeigen für alle Komponenten Preise, Verfügbarkeit und technische Spezifikationen auf. Dafür brauche ich die Fachhändler in dieser Runde nicht.

Wysuwa: Doch in den USA gibt es erstaunlicherweise auch eine Renaissance der kleinen Fachhändler, die mit Freundlichkeit und Erreichbarkeit die Lücke stopfen, welche die großen Systemhäuser gar nicht ausfüllen können.

Reubelt: Es gibt auch sehr profitable Händler, die nur einen Service-Anteil von 20 Prozent haben. Viele Systemhäuser, die kein Handelsgeschäft mehr machen wollten, mussten schon bald wieder einen Schwenk zurück machen, denn Produktverkauf und Service-Angebote sind eng miteinander verbunden.

CRN: Welche Rolle spielen für den Trend hin zum Service-Anbieter die schwache Geschäftsentwicklung und der Margenverfall der letzten Jahre?

Schlüter: Ich denke, dass in Zukunft die Kapitaldecken nicht ausreichen, um noch größere Handelsvolumen zu finanzieren. Auch deshalb ist es ein Vorteil, wenn der Händler die Hardware-Abwicklung abgibt.

Fischer: Die schwache Wirtschaftslage hat diese Entwicklung nur beschleunigt. Sie hat nur den Handlungsdruck erhöht. Und das auf allen Seiten: beim Hersteller, Distributor und beim Fachhändler. Wir alle müssen es schaffen, den Endkunden klar zu machen, dass das Intel-basierte und das PC-Geschäft nicht nur aus Commodity besteht, sondern aus Lösungen. Denn wenn alles in diesem PC- oder Intel-basierten Umfeld Commodity würde, dann bräuchten wir keine Integratoren und Systemhäuser.

Schlüter: Der Umsatz pro Artikel ging im vergangenen Jahr um 30 Prozent zurück. Das bedeutet für die Zielerreichung: Systemhäuser und auch Distributoren müssen mehr Volumen absetzen und mehr Prozesskosten aufwenden. Das heißt auch, mehr Kundenkontakte generieren, um im Ergebnis das Ziel zu erreichen, das die Kreditgeber interessiert.

Weitz: Der Handel braucht heute immer mehr kaufmännisches Know-how. Wir alle kommen aus einer Handelslandschaft, die traditionell Produkte verkauft hat. Zunehmend wird erwartet, dass wir ganz einfach in ROI rechnen können. Auch sollen wir künftig garantieren, dass die Wirkungen, die wir errechnen, auch greifen.

Schlüter: Das ist nicht einfach.

Wysuwa: Vielleicht haben wir zu viele Player im Markt. Wir befinden uns in einem Ausleseprozess, der nicht ungewöhnlich ist für einen Markt, der reifer wird. Der Markt wird nun schlanker, und es bleiben nur die gesunden und innovativen Unternehmen übrig.

CRN: Wie sieht der Wunschhändler der Hersteller und der Distribution aus? Wie kann sich der Fachhändler für den schlanken Markt rüsten?

Wysuwa: Der Fachhändler sollte ein klares Rollenverständnis haben. Die Rollenverteilung zwischen Hersteller, Distributor und Händler ist häufig diffus. Der Fachhändler sollte nicht PCs schrauben, sondern sich auf seine Stärke, die Nähe zum Kunden. konzentrieren.

Schmidt: Die Systemhäuser kennen ihre Kunden sehr viel besser als Direktvermarkter. Auch die Erreichbarkeit für den Kunden ist wichtig. Das kann kein anderer Anbieter leisten.

Wysuwa: Das geschickte Systemhaus konzentriert sich außerdem auf Subbranchen. Das können Fußballvereine oder Windanlagenbetreiber sein. Der Händler sollte lieber eine bestimmte Zielgruppe bedienen, als in die Breite zu gehen.

Schmidt: Viele Systemhäuser sind zu breit aufgestellt. Das führt nur dazu, dass sie nicht in allen Bereichen gleich gut sind, weil das Know-how fehlt. Aber ein Systemhaus kann für große Kunden auch sehr interessant sein, wenn es sich auf bestimmte Zielmärkte und Produktmärkte spezialisiert hat.

Fischer: Ganz klar muss man auch sagen: Der Händler darf sich nicht immer Hersteller-neutral verhalten. Gerade in schwierigen Zeiten ist Tiefe statt Breite gefragt. Systemhäuser müssen zu bestimmten Produkten auch Nein sagen können, ihr Portfolio durchforsten und überlegen, wo sie wirklich Mehrwert bieten können.

Deubner: Wir sind gut damit gefahren, nur mit wenigen Herstellern zusammenzuarbeiten und uns ausschließlich auf Druckerlösungen zu spezialisieren. Unser strategischer Partner ist Hewlett-Packard. Wir können nicht in derselben Qualität alle Druckerhersteller der Welt betreuen. Der FH sollte keine Angst haben sich nur einem Hersteller zu verschreiben. Das ist der Weg, auf dem sich überleben lässt.

Koczwara: Das ist abhängig vom Geschäftsmodell. Wenn ein Fachhändler ausschließlich produkt- und lösungsorientiert arbeitet, mag das richtig sein. Wir haben uns aber auf den Betrieb danach spezialisiert. Es ist ja gerade unser eigentlicher Mehrwert, Multivendor Support zu leisten. Das können nicht viele. Es wäre also gegen das Geschäftsmodell, wenn wir eine Fokussierung vornehmen.

Ebner: Ob Fokussierung auf ein bestimmtes Kundensegment, einen Hersteller oder auch eine Produktgruppe ? dort wird es hingehen. Der Fachhändler muss sich auf ein bestimmtes Thema spezialisieren, beispielsweise Security oder Storage, und über verschiedene Hersteller hinweg Know-how aufbauen.

CRN: Welche Rolle würde der breit aufgestellte Broadline-Distributor bei dieser Entwicklung einnehmen?

Schmidt: Auch für die Distribution ist Fokussierung ein wichtiges Thema. Das spiegelt sich auch in unserer Organisationsstruktur: Wir haben Teams, die sich ausschließlich um einen Hersteller kümmern. Die Mitarbeiter in diesen Business Units kennen ihre Kunden genau. Natürlich gibt es wenig Fokus-Reseller. Häufig weiß der Händler, welches Standard-Produkt er haben will, und wir schicken es schnellstmöglich auf den Weg. Aber immer wenn es um komplexere Projekte geht, können wir die Reseller durch unsere Fokusteams sehr effizient unterstützen von der Konfiguration bis hin zum Support.

Wiederroth: Entscheidend ist, dass die Kompetenzanforderung in den letzten drei Jahren wesentlich gestiegen ist. Aber hat jeder Fachhändler wirklich die nötige Kompetenz? Aufgrund des Kostendrucks in den letzten Jahren wurde wenig in die Mitarbeiterqualifikation investiert. Früher waren die Lösungen nicht so kompliziert.

CRN: Was wünschen sich die Systemhäuser von den Herstellerpartnern und den Distributoren, um sich besser zu positionieren zu können?

Schlüter: An einem komplexen Projekt sind Hersteller und Distributor beteiligt. Es gilt, ein Partnernetzwerk aufzubauen, welches das Know-how des jeweils anderen akzeptiert. Wir bieten den Kundenzugang. Da brauchen wir das Vertrauen, dass alles, was vor Ort geschieht, auch abgesprochen ist. Es wird immer wieder vorkommen, dass der Hersteller plötzlich mit einer Know-how-Truppe beim Kunden auftaucht und Dienstleistungen übernimmt, die man gerne selber hätte machen wollen. Der Kunde aber möchte einen einzigen Ansprechpartner und keine zehn. Ich habe und behalte das Gesicht zum Kunden. Es sind meine Vertriebsmitarbeiter, die mit dem Kunden sprechen.

Wysuwa: Aber viele Fachhändler, die von den Herstellern mehr Channeltreue einfordern, fahren da selbst einen Schlingerkurs. Entzieht doch den Herstellern, die direkt gehen, den Support. Seid Euch Eurer Stärke bewusst, aber seid auch konsequent.

Koczwara: Dann dürfte ich aber Hewlett-Packard und Fujitsu Siemens nicht mehr verkaufen.

Wysuwa: Wir haben heute im Volume-Produkt-Bereich einen indirekten Anteil von über 80 Prozent. Und der wird immer mehr steigen.

Reubelt: Mit einem Geschäftsmodell allein kann man nicht mehr erfolgreich sein. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Pepita. Wir stehen zum indirekten Modell, aber es gibt Kunden, die erwarten, dass HP direkt liefert und auch Dienstleistungen direkt macht. Der Anteil des Direktgeschäfts beträgt rund 20 Prozent. Aber auch dort praktizieren wir das Modell des engen Schulterschlusses: HP liefert nicht zuletzt, um die finanzielle Basis für den Partner besser darzustellen, und der Händler ist als Dienstleister involviert.

Koczwara: Das ist völlig in Ordnung, solange die Abgrenzungen sauber gezogen wurden, denn das Collaborative Modell hilft den Resellern, Ausschreibungen zu gewinnen.

Schlüter: Direkt oder indirekt darf für den Systemhaus-Kanal kein Problem sein. Letztendlich entscheidet der Kunde. Innerhalb einer Direktbelieferung des Endkunden fallen auch Dienstleistungen an, und die muss ich beim Kunden unterbringen.

Schmidt: Die Direktvermarktung ist keine Gefahr für den Handel. Das Problem ist: In den USA ist Dell ein großer Angstgegner des Channels. Diese Angst wurde ohne zwingende Grün-
de aus den Vereinigten Staaten übertragen. Doch für den hiesigen Handel ist Dell keine Bedrohung.

Fischer: Dell hat sogar gut getan. Es gibt nun mehrere Kooperationsarten. Es wird nicht mehr nur mit religiösem Eifer über direkt und indirekt gestritten, sondern an Zwischenlösungen im Sinne der Kunden gearbeitet.

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Teilnehmer

Bärbel Schmidt
Geschäftsführerin Actebis Holding

Jürgen Wiederroth
Director Sales Actebis Peacock

Steffen Ebner
bis vor kurzem Director Productmarketing Actebis Peacock

Marc Fischer
Geschäftsführer IBM Deutschland

Hans-Dieter Wysuwa
Director LoB SME und Channels Fujitsu-Siemens

Emilie Reubelt
Vertriebsleiterin Handel Hewlett-Packard

Reinhard Weitz
Geschäftsführer Computer Compass

Heino Deubner
Geschäftsführer Druckerfachmann.de

Ralph Koczwara
Geschäftsführer RCE Computer Products

Oliver Schlüter
Geschäftsführer Taskarena IT-Solutions

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Die Zukunft des Fachhandels

Thema der Diskussionsrunde »Open Talk«, die Broadliner Actebis regelmäßig mit einer IT-Fachzeitschrift veranstaltet, war: »Die Zukunft des Fachhandels«.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass die IT-Fachhändler sich künftig auf spezielle Kundensegmente oder Produktgruppen spezialisieren müssen, um im Wettbewerb mit Direktvermarktern zu bestehen. Außerdem müsse der Fachhandel weiter sein Service-Geschäft vorantreiben, denn für reine Produktverkäufer wird der Markt immer enger.

Im Projektgeschäft arbeiten Hersteller, Distributoren und Systemhäuser bereits jetzt eng zusammen. Gerade deshalb sei es von entscheidender Bedeutung, dass alle Beteiligten sich streng an ihre Kompetenzen halten.


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