Astra: Kampf ums Überleben. Komponentendistribution. Niedrigpreise. Margenverfall. Mitbewerberneid. Kreditlimits gestrichen. Distributor Astra steckt in massiven finanziellen Schwierigkeiten und muss möglicherweise Insolvenz anmelden.
Co-Autor: Samba.Schulte
Am Freitag vor zwei Wochen erfuhren die rund 180 Mitarbeiter des Grossisten die bittere Wahrheit: Bei Astra in Hürth geht es ums Überleben. Die Insolvenz schien nicht mehr zu vermeiden. So weit ist es allerdings noch nicht: »Vorerst wird es keine Insolvenz geben«, erklärt Astras Marketingleiter Joachim Oberhoff gegenüber CRN. Tatsächlich ist beim zuständigen Amtsgericht in Köln bis Redaktionsschluss kein Insolvenzantrag eingegangen. Allerdings habe die Geschäftsleitung, wie Unternehmensinsider gegenüber CRN berichten, bereits die Zahlungsunfähigkeit festgestellt. Das heißt aber: Spätestens drei Wochen nach der Feststellung muss laut Gesetz der Insolvenzantrag folgen. »Die Lage ist ernst«, räumt auch Oberhoff gegenüber CRN ein.
Sicher ist: Die Kreditversicherer haben sich zurückgezogen. Auch die Lieferanten sind schon seit geraumer Zeit vorsichtig geworden ? einige A-Brand-Hersteller liefern nicht mehr. Hersteller Acer beispielsweise macht seit rund einem halben Jahr keine Geschäfte mehr mit dem Hürther Distributor. Was aber nicht im Zusammenhang mit den derzeitigen Gerüchten stehe, betont der deutsche Sales & Marketing Director Oliver Ahrens von Acer: »Wir haben uns im Guten getrennt und kein zerschlagenes Porzellan hinterlassen«. Zuvor haben bereits weitere Hersteller, wie etwa Epson oder Logitech, ihre Zusammenarbeit mit Astra eingeschränkt: Der Distri wurde dabei in die Subdistribution zurück gestuft. Doch auch die Broadline-Distributoren halten sich nun mit ihren Lieferungen an Astra zurück. Außenstände von mehreren Unternehmen mit jeweils mehreren 100.000 Euro sind CRN von Lieferanten gemeldet worden. Daraus ergibt sich ein Betrag von über einer Million Euro. Die Warenbestände des Hürther Distributors sind nahezu auf Null.
Nun stehen Gespräche mit Banken und Lieferanten an. Zweck: Schadensbegrenzung. »Zusammen arbeiten wir hart und konzentriert an einem Sanierungskonzept, das den Fortbestand der Astra sichern soll«, teilt die Astra-Geschäftsleitung mit. Man befinde sich in Verhandlungen mit potenziellen Investoren, heißt es weiter, und habe auch externe Beratungsunternehmen einbezogen, darunter auch einer der großen vier Berater in Deutschland. Die Astra-Geschäftsführung fuhr in den vergangenen Monaten eine strikte »Maulkorbstrategie«: Zu Händlerkritiken an der Service-Leistung sowie zu Branchengerüchten wollten sich die Verantwortlichen nicht äußern. »Viel Feind, viel Ehr?«, erwiderte Astra-Geschäftsführer Guido Mumm auf Presseanfragen lapidar. Bei Astra sieht man nun freilich ein, dass man sich früher zur Unternehmenskrise hätte äußern müssen: Aber man wollte die laufenden Verhandlungen mit Investoren nicht gefährden. Astra wünscht sich nun Ruhe in der Öffentlichkeit, nur so könne man effektiv an der Rettung des Unternehmens arbeiten.
Das Unternehmen hat allen Grund, das Branchengeflüster zu fürchten: Die Firma hat wegen seines preisaggressiven Vorgehens am Markt unter den Vertriebsmitarbeitern der Mitbewerber viele Feinde. Nachdem durchsickerte, dass dem Unternehmen die Insolvenz drohe, sparten die Astra-Gegner nicht an Häme und Spott. Von Fairness keine Spur, denn es kursieren böse Gerüchte, die dem in die Krise geratenen Unternehmen zusätzlich schaden könnten. Selbst Tageszeitungen haben mittlerweile die Witterung aufgenommen und belagerten in der vergangenen Woche den Firmensitz in Hürth. Tatsächlich haben die Reporter vor Ort aber keine Beweise für widerrechtliche Warenverschiebungen gefunden. Der »Kölner Stadt-Anzeiger« fand lediglich heraus, dass Warenlieferungen in der vergangenen Woche nicht mehr angenommen wurden. Angeblich ermittle sogar die Staatsanwaltschaft. Auch diese Information ist falsch. Die Staatsanwaltschaft Köln hat von einer Astra Datentechnik noch nie gehört.
Viel spekuliert wurde auch über die angebliche Neugründung einer »Vito Deutschland GmbH«, die das Geschäft der Astra angeblich fortführen werde. Wahr ist, dass die niederländische Gesellschaft »Astra Benelux« in Kerkrade sich seit dem 16. Juni wieder Vito Computers International BV nennt. Über die tatsächlichen Pläne der Eigentümer, Markus und Sylvia Schulerecki, kann derzeit nur spekuliert werden .
Da sich die Geschäftsleitung des Distributors auch nicht zu möglichen Ursachen, die zur finanziellen Schieflage führten äußert, bleibt auch hier nur die Spekulation. Ein wichtiger Grund für die Krise ist augenscheinlich das zu schnelle Wachstum, vor allem auf dem dünnen Eis der Komponenten-Subdistribution. Bei Margen von etwa 1,5 Prozent ist das Geschäft wirtschaftlich kaum tragbar. Ebenso problematisch ist die Preisfindung, mit der Astra in der Vergangenheit Volumen durchs Lager schaufelte und sich zeitweise bei Lieferanten und Kunden außerordentlich beliebt machte. Aber bei solchen Voraussetzungen kann sich dann eine schlechte Phase, wie sie im April und Mai vorhanden war, zum Todesstoß entwickeln. Zumal die Service-Leistung seit dem Beginn des schrittweise vollzogenen Umzug in das neu erworbene Firmengebäude rapide nachließ und dazu führte, dass unzufriedene Handelspartner dem Unternehmen den Rücken kehrten.
Mieser RMA-Service, immer wieder Probleme bei den Lieferungen ? die Händler gingen auf die Barrikaden (s. CRN 16/Titel). Viele bewährte Mitarbeiter im Einkauf und Vertrieb haben das Unternehmen verlassen. Händler klagten bereits in den vergangenen Monaten, dass sie ihre Ansprechpartner nicht mehr erreichten und mitunter keine Bestellungen aufgeben konnten. Das einstige Prunkstück der Astra Datentechnik GmbH, der Vertrieb, befand sich bereits in Auflösung. Wie aber will das angeschlagene Unternehmen den verärgerten Kundenstamm künftig wieder gewinnen? Vor der Geschäftsleitung liegt ein schweres Stück Arbeit. Wahrscheinlich ist, dass es zu Wechseln im Management und Entlassungen kommt und sich Astra von seiner Eigenmarke »Novita« trennen wird. Die Distributoren jedenfalls haben keinen Grund, sich über die finanziell klamme Situation des Konkurrenten zu freuen. »Insolvenzen in unserer Branche schlagen sich auf alle Distributoren nieder. Banken und Kreditversicherer werden noch misstrauischer«, sagt dazu ein Topmanager eines solventen IT-Großhändlers.
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Die Krise der Astra GmbH bewegt die Branche. Zu unserer Online-Meldung »Astra: Kampf ums Überleben« erhielten wir bis zum Montag sagenhafte 695 Kommentare. Einige Meinungen drucken wir in Auszügen ab.
»Zwischen 2000 und 2002 haben wir 80 Prozent unserer Waren über Astra bezogen. Aber seit Januar 2003 haben die einen miserablen Service und fast nie Standardkomponenten auf Lager. Seit dieser Zeit haben wir nur noch höchstens 5 Prozent unserer Bestellungen dort getätigt.«
»Unternehmenskrisen und Firmenzusammenbrüche gibt es selbst in Zeiten guter Konjunktur. Die Unternehmenskrise der Astra ist aber nicht von außen herangetragen, sondern hausgemacht. Gründe für diese Krise sind Fehlentscheidungen bei der Besetzung von Führungspositionen, Fehler bei der Gestaltung des Produktprogramms (z.B. Excelstore ca. 15 Prozent RMA Quote), Fehlentscheidungen bei der finanziellen Ausstattung und der Betriebsabläufe und die Margenentwicklung in der Komponenten-Distribution«
»Schade, dass wieder ein altes Unternehmen in unserer Branche untergeht. Astra war mir immer sympathisch. Ich hoffe, dass die Leute bald wieder irgendwo unterkommen.«
»Was diese drohende Insolvenz für die ganze Branche vom kleinen Fachhändler bis zum mittleren Distributionsunternhemen bedeutet, versteht scheinbar noch keiner: Fakt ist, dass dadurch Hermes, Gerling und Coface unsere Branche vom Risiko höher einstufen und noch vorsichtiger werden, Kredite einzuräumen.«
»Über solche Insolvenzen, wie bei Astra, sind wir sehr traurig. Das Problem ist, dass nicht nur bei Astra nur noch auf Umsatz geschaut wird und nicht auf den Rohertrag. Uns als kleinen Händler trifft das doppelt hart. Unser EK ist oftmals durch die kleine Stückzahl ein wesentlich höherer, als wenn ein Konzern wie Metro oder Aldi tausende oder zigtausende Stück bestellen kann.«
»Jeder schickt seine Ware einfach zum Distri und sagt, die sei kaputt. Ja, das sind die Helden, denen wir die Servicewüste bei den Distris zu verdanken haben und die Firmen wie Astra oder 4MBO in den Ruin getrieben haben. Von einem Händler kann man erwarten, dass er seine Ware vernünftig prüft und mit detaillierter Fehlerbeschreibung oder Protokoll zum Grossisten sendet. Wir haben in all den Jahren nie Ware mit zweifelhaftem Fehler oder Beschreibung eingesandt. Nur so als Tipp: Man muss nicht jede defekte Floppy einschicken.«
»Hier kommen sicherlich in Kürze Limitkürzung auf gesunde IT-Firmen zu, da die Herren Kreditversicherer unsere Branche noch negativer einschätzen werden.«
1991 Der Beginn
Astra Datentechnik wird von Markus und Sylvia Schulerecki als Komponenten-Spezialdistributor gegründet, auch zwei Einzelhandels-Ladengeschäfte (»PC Planet«) in Hamm und Hürth gehören zum Unternehmen
1996 Expansion
Astra beliefert nun über Astra Benelux auch die Niederlande. Es folgen Niederlassungen in Frankreich und Österreich
1999-2002 Umsatzsprünge
Der Distributor steigert seinen Umsatz von fünf Millionen Euro im ersten Geschäftsjahr auf rund 256 Millionen Euro im Jahr 2000. Im ersten Krisenjahr 2001 erzielte der Distributor nach eigenen Angaben einen Umsatz von 470 Millionen Euro. Im Jahr darauf wollte Astra zur allgemeinen Verwunderung der Branche schon 750 Millionen umsetzen. Laut Handelsregister waren es 2002 aber nur rund 4,6 Millionen Euro. Das Umsatzziel für 2003 lautete ganz bescheiden wieder 600 Millionen Euro.
2002 Mitbewerber-Neid
Der ehemalige Leiter Finanzen bei Astra, Guido Mumm, wird neben Udo Banning Geschäftsführer von Astra. Mumm möchte den ehemaligen Komponentenspezialisten Astra als Broadliner positionieren. Kursierende Gerüchte über Probleme mit den Kreditversicherern tauchen erstmals auf. Astra vermutet dahinter neidische Mitbewerber.
2003 Der Umzug
Astra erwirbt im Oktober 2002 ein neues Firmengebäude in Hürth. Der Umzug in die neue Firmenzentrale wird schrittweise vollzogen und zieht sich bis 2003 hin.
2004 Händlerkritik & finanzielle Schwierigkeiten
Bislang zufriedene Handelspartner des Unternehmens üben massiv Kritik an der schwachen Service-Leistung. Zudem kursieren Gerüchte über Entlassungen und Finanzprobleme. In einer Mitarbeiterversammlung teilt das Management im Juni mit, dass die Insolvenz drohe.
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Astra Datentechnik GmbH
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