KI-Tools für die Lehre

Baustein für bessere Bildung

4. April 2025, 11:30 Uhr | Diana Künstler
© Panya_photo – shutterstock.com

Was mehrere Hochschulen in Brandenburg gemeinsam schaffen, könnte Vorbild für viele sein: Ein Rahmenvertrag mit Fobizz soll KI-Werkzeuge in die Seminarräume bringen – und Lehrende wie Studierende befähigen.

Die Digitalisierung der Hochschullehre ist vielerorts ein Kraftakt – besonders in Regionen mit kleinen, oft personell begrenzten Hochschulen. In Brandenburg hat man nun darauf eine gemeinsame Antwort gefunden: Zehn Hochschulen des Landes können seit Ende 2024 auf eine Rahmenvereinbarung mit der KI-Plattform Fobizz (Eigenschreibweise „fobizz“) zurückgreifen. Diese eröffnet ihnen für vier Jahre den Zugang zu einer Vielzahl an KI-basierten Tools für die Lehre – datenschutzkonform, skalierbar und praxisorientiert. Für Martha Damus, Referentin für Digitalisierung in der Lehre an der Technischen Hochschule Brandenburg (THB), ist das ein logischer Schritt: „Wir wollten nicht warten, bis eine eigene Lösung für brandenburgische Hochschulen da ist – wir wollten jetzt loslegen. KI darf kein Nice-to-have bleiben, sondern muss ein aktives Gestaltungsthema der Hochschulen sein.“

Doch was macht dieses Modell besonders? Und welche Herausforderungen und Chancen birgt es? connect professional hat mit Martha Damus von der THB sowie Fobizz-Geschäftsführerin Diana Knodel darüber gesprochen.

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Bottom-up statt zentralistisch

Martha Damus, THB
Martha Damus, Referentin für Digitalisierung in der Lehre an der Technischen Hochschule Brandenburg: „KI darf kein Nice-to-have sein. Sie muss ein didaktisches Werkzeug werden.“
© Andreas Nitsch

Die Initiative für die Vereinbarung kam aus dem E-Learning-Netzwerk Brandenburg (eBB), einem informellen Zusammenschluss von aktuell sieben Hochschulen des Landes. Als das Interesse an KI wuchs, startete das Netzwerk eine landesweite Umfrage unter Lehrenden. Die Ergebnisse waren eindeutig: 95,7 Prozent der Antworten zeigten großes Interesse an KI – zur Unterstützung der Lehre, aber auch im Sinne von Partizipation. Lehrende wollten eigene KI-Assistenten entwickeln und sich aktiv in die Gestaltung von KI-Anwendungen einbringen. „Das war ein starkes Signal“, so Damus. „Es ging nicht nur um Funktionen wie automatisierte Zusammenfassungen oder Schreibassistenz. Es ging auch darum, mit KI kreativ und reflektiert zu arbeiten – gemeinsam mit den Studierenden.“

Da Brandenburg keine zentralisierte Hochschulinfrastruktur wie etwa Nordrhein-Westfalen hat, wurde ein pragmatischer Weg gewählt: Eine Hochschule – in diesem Fall die THB – übernahm die Rolle der Vorreiterin, führte den Beschaffungsprozess durch und initiierte den Rahmenvertrag mit Fobizz, einer Plattform, die ursprünglich aus dem Schulbereich stammt. Inzwischen ist sie aber auch für Hochschulen attraktiv geworden ist. „Wir wollten nicht länger zuschauen, wie andere Bundesländer vorangehen. Wir wollten ein Angebot schaffen, das sofort funktioniert und uns nicht überfordert“, so Damus. Der Clou: Jede Hochschule kann den Vertrag individuell nutzen, mit eigenen Anpassungen und eigener Abrechnung. So bleibt die Flexibilität gewahrt, ohne dass einzelne Hochschulen den organisatorischen Mehraufwand allein tragen müssen.

Warum Fobizz?

Diana Knodel, Fobizz
Dr. Diana Knodel, Geschäftsführerin von Fobizz: „Wir bauen kein starres System – wir entwickeln es mit den Nutzer:innen weiter.“
© Rebecca Marshall

„fobizz wurde gegründet, um Lehrende praxisnah in der digitalen Bildung zu unterstützen“, sagt Diana Knodel, Mitgründerin und Geschäftsführerin der Plattform. Das Unternehmen bietet eine Kombination aus Weiterbildungen, KI-Tools und didaktischer Begleitung. Ursprünglich auf Schulen fokussiert, bedient Fobizz zunehmend auch Hochschulen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen. Über 600.000 Lehrkräfte nutzen die Plattform mittlerweile für Fortbildungen und KI-Tools. Was Fobizz auszeichnet, ist die Kombination aus didaktischem Konzept, Toolangebot und Weiterbildungsinhalten. Ein zentrales Feature ist das sogenannte Prompt-Labor, mit dem auch KI-Neulinge ohne eigenes Prompting-Wissen Aufgaben generieren können – etwa Lernpläne oder Aufgabenformate. Fortgeschrittene Nutzer können eigene KI-Assistenten („Custom GPTs“) erstellen, Dokumente hochladen oder Systemprompts definieren. „Uns ist wichtig, dass die Nutzenden nicht nur anwenden, sondern verstehen, wie KI funktioniert“, erklärt Knodel. „Deshalb zeigen wir zum Beispiel immer, welcher Prompt im Hintergrund entsteht – learning by doing.“ Fobizz zeigt sich dabei flexibel: Im Rahmen der Kooperation mit Brandenburg wurden speziell für den Hochschulbereich Funktionen erweitert, etwa die Möglichkeit, virtuelle Seminarräume für bis zu 100 Studierende anzulegen – deutlich mehr als im schulischen Setting üblich. Auch das zeigt: Die Plattform ist nicht starr, sondern entwickelt sich gemeinsam mit den Anforderungen weiter.

Die Vision von Fobizz: Lehrkräfte sollen mit KI nicht überfordert, sondern ermächtigt werden.

Die THB hat bereits konkrete Use Cases entwickelt. In einem Seminar zur Personalentwicklung etwa nutzten Studierende KI-Bots, um Mitarbeitergespräche zu simulieren. „Wir wollten das echte Gespräch nicht ersetzen, sondern in der Vorbereitung helfen“, so Damus. Andere Szenarien umfassen die Erstellung von Lernmaterialien, die Prüfungsvorbereitung mit Feedbackfunktionen oder den Einsatz von KI als Lerntutor. „Sobald Lehrende einmal angefangen haben, sprudeln die Ideen“, berichtet sie.

Die Praxis zeigt aber auch: KI in der Lehre ist kein Selbstläufer. „Wir hatten gelegentlich technische Probleme, etwa wenn OpenAI zeitweise nicht verfügbar war. Das ist dann besonders ärgerlich, wenn gerade ein Seminar läuft und der Bot gebraucht wird“, so Martha Damus. Dennoch überwiegen die positiven Erfahrungen. Wichtig sei es, Transparenz zu schaffen und Alternativen bereitzuhalten.

Datenschutz, KI-Kompetenz, Open Source

THB KI-Tools
Martha Damus von der THB demonstriert die KI-Tools am PC.
© Norman Giese

Ein zentrales Thema im Bildungsbereich ist Datenschutz. Fobizz verfolgt einen explizit datensparsamen Ansatz. Alle Daten werden per API-Anbindung an Sprachmodelle wie GPT, Claude, Mistral oder Llama übermittelt – stets ohne personenbezogene Informationen. Auch die Nutzung der Prompts zu Trainingszwecken ist deaktiviert. „Bei uns promptet nie ‚Martha Damus‘, sondern immer nur ‚fobizz‘“, bringt es Diana Knodel auf den Punkt. Zudem wurden Sicherheitsmechanismen integriert, die auf versehentliche Eingaben sensibler Daten hinweisen. Gerade in Schulen sei dies essenziell – aber auch in der Hochschullehre ein entscheidender Vertrauensfaktor.

Der Bildungsmarkt rund um KI ist in Bewegung. Manche Hochschulen nutzen bereits Open-Source-Lösungen wie „HAWKI“, ein Interface zur Nutzung verschiedener Sprachmodelle. Damus sieht hierin tolle Entwicklungen statt eines Widerspruchs: „Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um Ergänzung. Jede Lösung hat ihren Platz.“ Für sie ist Vielfalt der Tools ein Garant für bedarfsgerechte Angebote. Auch Diana Knodel bestätigt: „Wir sehen Open Source als wichtigen Bestandteil einer vielfältigen KI-Landschaft. Modelle wie Mistral oder Llama entwickeln sich stark weiter und könnten in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.“

Die reine Bereitstellung von Werkzeugen reicht jedoch nicht aus. Damus und ihr Team setzen auf ein begleitendes Qualifizierungskonzept. Neben Workshops mit Fobizz selbst gibt es hochschulinterne Weiterbildungen, Austauschformate unter Lehrenden und ein eigenes KI-Grundlagenmodul, das aktuell in einer Feedbackschleife liegt. „Die EU-KI-Verordnung verpflichtet uns seit Februar, unsere Hochschulangehörigen fit zu machen“, sagt Damus. „Und genau das wollen wir auch. Es geht nicht nur um Effizienz, sondern um Mündigkeit im Umgang mit KI.“

Vertrag mit Perspektive

Die Rahmenvereinbarung mit Fobizz läuft bis Ende 2028. Neue Sprachmodelle wie Claude, Mistral oder Llama werden laufend integriert. „Wir haben es mit keinem eingefrorenen Zustand zu tun, sondern mit einem wachsenden System“, so Knodel. Für Brandenburg bedeutet das: digitale Souveränität auch ohne zentrale Landesstruktur. „Wir zeigen, dass auch kleine Hochschulen große Impulse setzen können, wenn sie zusammenarbeiten“, konstatiert Damus und führt weiter aus: „Wir wollten ein Werkzeug, das sofort funktioniert und das nicht erst in drei Jahren. Und wir wollten Gestaltungsspielräume – für Lehrende, Studierende und für uns als Institution.“

Die bisherigen Erfahrungen stimmen optimistisch: Von den 79 verfügbaren Lehrenden-Lizenzen an der THB sind bereits 49 im Einsatz – eine hohe Quote, gemessen an den 62 Professor:innen, 95 akademischen Mitarbeitenden und insgesamt 224 Hochschulbeschäftigten. „Und sobald das Grundlagenmodul ausgerollt wird, rechnen wir mit einem weiteren Anstieg“, so Damus. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch außerhalb Brandenburgs Interesse an dem Modell besteht. „Seit der Rahmenvertrag bekannt wurde, melden sich weitere Hochschulen bei uns“, berichtet Knodel. Selbst die Kultusministerkonferenz (KMK) nutzt Fobizz als KI-Lösung für die Mitarbeitenden in der Verwaltung.

Brandenburgs Ansatz ist ein Modell für andere Bundesländer. Er verbindet strategisches Denken mit pragmatischer Umsetzung, technische Innovation mit didaktischer Sensibilität. Die Kooperation mit Fobizz ist dabei mehr als ein Vertrag: Sie ist ein Signal, dass Hochschulen den digitalen Wandel nicht nur verwalten, sondern gestalten wollen. Und dass KI, sinnvoll eingesetzt, mehr sein kann als ein Tool – nämlich ein Baustein für bessere Bildung.

Link zum Bereich „Digitale Lehre“ an der THB: https://qdl.th-brandenburg.de/digitale-lehre/


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