Biogas fürs Rechenzentrum
Biogas fürs Rechenzentrum Die IT-Branche springt voll auf den grünen Zug auf. Motor dafür sind unter anderem RZ-Betreiber und Großkunden.





Patrick Pulvermüller, Geschäftsleiter und Prokurist beim Hosting-Dienstleister Host Europe, ist spürbar stolz: Gerade erst hat sein neues, besonders umweltfreundliches Rechenzentrum in Frankfurt den Betrieb aufgenommen. Hinsichtlich der Energieeffizienz entspricht das Gebäude, das auf 2500 Quadratmetern einmal 18000 Rechner fassen soll, modernsten Maßstäben: Wärmeschutzhülle ums Gebäude, die Rechner-Abwärme heizt Büros, effiziente Doppelwandler-Notstrom-Aggregate, freie Kühlung und stufenlos regelbare Ventilatoren. Bleibt zu hoffen, dass auch die Kunden sich bei ihren Servern für sparsame Prozessoren entscheiden. Die neue Technik erhöhte die Bausumme um 12 Prozent, verringerte aber die Amortisationszeit auf drei Jahre, weshalb der Hauptgesellschafter Pixel PLC schnell grünes Licht gab. Umsetzungspartner zu finden, war schwierig: »Nur eine einzige Klimafirma hatte den vertrieblichen Fokus auf TCO«, erinnert sich Pulvermüller. Honorieren die Bestandskunden die Bemühungen? Pulvermüller: »Die Resonanz war neutral bis nicht existierend.« Im zweiten Bauabschnitt ist noch mehr geplant: Eine Solaranlage kommt aufs Dach, regenerierbare Energie – entweder aus Beteiligung an Wasserkraftwerken oder aus Brennstoffzellen, gekoppelt mit Absorptionsklimatechnik, die durch Biogas versorgt wird – soll das RZ treiben.
»Neue Infrastruktur nötig« In Zukunft werden wohl die meisten RZ-Neubauten so sein, glaubt jedenfalls Dr. Bernd Aebischer, einer der wenigen europäischen Fachleute für IT- und TK-Energieverbrauch. Er forscht am CEPE (Centre for Energy Policy and Economics) der ETH (Eidgenössischen Technischen Hochschule) Zürich. »Die alten Rechenzentren sind das Problem«, sagt Aebischer stirnrunzelnd. »Und es ist die gesamte Infrastruktur für Wärmeverteilung. Oft gibt es in der Nähe eines Rechenzentrums keinen gut erreichbaren Kunden für die Abwärme.« Eine ganz neue, nachhaltige Infrastruktur müsse man erfinden. Es klingt nicht so, als halte er das für wahrscheinlich. Doch es gäbe Grund genug, schleunigst damit zu beginnen: In Regionen mit großer Technologiedichte verschlingen Mobilfunk, Telekommunikation und Computerei heute bis zu zehn Prozent des verfügbaren Stroms. »Der Verbrauch pro Transaktion habe sich seit den Anfängen der IT unglaublich verringert, aber die Masse hat das mehr als neutralisiert«, stellt Aebischer fest. Server, Rechenzentren und UMTS-Infrastrukturen verdoppelten nach Daten aus den USA zwischen 2000 und 2005 ihren Strombedarf. »Eine sichere Stromversorgung und Alternativenergien wie Wasserkraft könnte in Zukunft zum wichtigen Faktor bei der RZ-Standortwahl werden«, prognostiziert der Forscher.
Genf plant Energieeffizienzvorgaben für Rechenzentren Da empfiehlt sich vorausschauendes Handeln: Der Kanton Genf will jetzt Energieeffizienzstandards für Datenzentren definieren. Höchstens ein Drittel des Gesamt-Strombedarfs soll in den Betrieb der Infrastruktur fließen. Aebischer ist skeptisch: »Ich bin für freiwillige Vereinbarungen, weil zu dem Thema noch viel zu wenig geforscht wurde«, sagt er. Immerhin scheint die Industrie nun begriffen zu haben, dass sich das (IT-)Klima wandelt. Energieeffizienz ist plötzlich Priorität und Werbebotschaft (siehe Kasten). Auch Selbstkritik hört man, zum Beispiel vom frischgebackenen HDS-Deutschland-Chef Richard Evans: »Eigentlich ist unerklärlich, warum bei Hitachi, das selbst IT und Kühltechnik herstellt, nie über Wärmerückgewinnung in Rechenzentren nachgedacht wurde.« Nun kommt der Druck von den Kunden. Besonders in der Finanzbranche ist CO2 – und damit Energie sparen in. Swiss Re will 2013 klimaneutral arbeiten, das heißt, nicht mehr Klimagase produzieren, als durch andere Maßnahmen kompensiert werden. Der Bank-Gigant HSBC verpflichtete sich 2004 zum Kauf von Emissionszertifikaten und der Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Und JP Morgan plant, bis 2009 den Energieverbrauch zu halbieren. Andere Vorreiter kommen aus der Telekommunikation: British Telecom hat sich jüngst selbst verpflichtet, in den nächsten Jahren so viel Kohlendioxid einzusparen, wie 300000 Haushalte erzeugen, Vodafone will bis 2011 seinen CO2-Ausstoß nahezu halbieren. Egal, was die Motive dafür sind, eines dürfte es auf jeden Fall bewirken: dass schnell neue, energieeffiziente IT-Produkte für Profis auf den Markt kommen, von denen dann alle Anwender profitieren können.