Biometrie im Pass kein Allheilmittel. Die Identifizierung von Personen mittels körpereigener Merkmale, wie sie in ePass-Projekten postuliert wird, stellt enorme technische Anforderungen. Und sie wirft viele Fragen in bezug auf die informationelle Selbstbestimmung auf.
Die Bundesregierung macht ernst. Mit Antragsstellung ab 1. November dieses Jahres werden auf den neuen elektronischen Reisepässen (ePässen) biometrische Daten hinterlegt sein. Für www.netzwelt.de war das Grund genug, die deutschen Bürger, die Wert auf ihre Privatsphäre legen, kurz vor Torschluss aufzufordern, ihren Reisepass zu verlieren. So könnten sie schnell noch den alten beantragen.
Ulrike Müller, Sprecherin des Hessischen Datenschutzbeauftragten in Wiesbaden, besänftigt die Gemüter: »Die ePässe, die jetzt ausgegeben werden, werden vorerst nur ein digitales Personenporträit enthalten«. Die Hinterlegung eines Satzes der Zeigefingerabdrücke, so Müller weiter, werde laut EU-Verordnung erst ab Ende 2008 zur Pflicht. Bei einer Gültigkeit von zehn Jahren wird es damit bis weit ins Jahr 2018 dauern, bis alle EU-Bürger durch den neuen ePass mit beiden biometrischen Merkmalen, digitalem Foto und Fingerabdrücken, ausgewiesen sein werden. In Deutschland soll schon ab März 2007 damit begonnen werden, die digitalen Fingerabdrücke in die neuen Pässe aufzunehmen.
Doch zunächst kommt die Gesichtserkennung. Prinzipiell sind hier zwei Erkennungsverfahren möglich, ein merkmalbasierendes oder ein holistisches. Marcus Rubenschuh, Senior-Berater IT-Sicherheit bei Ernst & Young meint dazu: »Bei der ersten Methode werden einzelne Gesichtsmerkmale extrahiert und klassifiziert. Bei der holistischen Methode wird das gesamte Gesicht betrachtet und bewertet«. In der Praxis würden meist beide Verfahren kombiniert werden, um die Personenidentifikation zu verbessern. Rubenschuh warnt dennoch davor, den Zugewinn an Sicherheit durch die alleinige Hinterlegung biometrischer Gesichtsmerkmale zu überschätzen. »Es ist hilfreich, wenn die Personenidentifikation durch Gesichtserkennung technisch unterstützt wird. Die Kontrollsicherheit muss jedoch durch geeignetes Personal gewährleistet werden«.
»Die Identifikationssicherheit ist von der Qualität der Erfassung abhängig«, pflichtet die Sprecherin des Hessischen Datenschutzbeauftragten bei. Für die ePass-Aspiranten hieße das, bei der Aufnahme stur geradeaus zu schauen und bloß nicht zu lächeln. Nicht zu unterschätzen sind nach Müller die Identifikationsrisiken durch eine unzureichende Beleuchtung bei der Aufnahme. »Beim digitalen Porträtfoto kommt hinzu, dass sich die Gesichtsmerkmale durch Alterung, Narbenbildung nach Verletzungen, Gewichtszu- oder -abnahme, kosmetischen Eingriffen sowie Haarwuchs beträchtlich ändern können«, führt André Hohner, Senior-Consultant beim Beratungshaus Unilog Avinci, weitere Unsicherheitsfaktoren für eine verlässliche Personenidentifikation mittels des Gesichts ins Feld. Zudem wüchsen mit der Größe der Bevölkerung die Risiken, dass sich physiognomische Merkmale einzelner Personen zum Verwechseln ähnelten. Umso erstaunlicher sei es, so Hohner, dass sich auch die internationale Zivilluftfahrtsbehörde für das Gesicht als erstes biometrisches Merkmal in den neuen europäischen Reisepässen ausgesprochen habe. Diese Unsicherheit des Verfahrens ginge zu Lasten beider Seiten: »Bürger, die verwechselt werden, und Kontrollorgane, die falsche Identifikationen bearbeiten beziehungsweise die gesuchten Personen nicht finden«.