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Channel muss auf Simyo-Trend reagieren

Channel muss auf Simyo-Trend reagieren. Der Mobilfunk-Markt wächst wieder kräftig ? aber der Channel kann von dieser Entwicklung nur teilweise profitieren. Weil hunderttausende Kunden zu Discount-Anbietern wie Simyo wechseln, muss sich der Handel neue Strategien zur Kundenbindung einfallen lassen.

Autor:Redaktion connect-professional • 8.3.2006 • ca. 3:05 Min

Channel muss auf Simyo-Trend reagieren

Nach mehreren Jahren Stillstand präsentieren die Mobilfunk-Carrier wieder satte Zuwachsraten. Noch beeindruckender ist allerdings der Run auf die No-Frills-Angebote: Aldi konnte im vergangenen Jahr für seinen Mobilfunk-Tarif »Aldi Talk« innerhalb von zwei Wochen 200.000 Kunden gewinnen. Gemessen an der bisher kurzen Verfügbarkeit wächst das Angebot des Lebensmittel-Discounters damit wohl noch schneller als die E-Plus-eigene Billig-Marke Simyo.

Simyo nennt zwar keine Kundenzahlen, gilt jedoch als mit Abstand kundenstärkster Billiganbieter. »Wir haben eine Zielgruppe von rund 17 Millionen Menschen ausgemacht«, erläutert Simyo-Sprecherin Ira Reckenthäler. Sie widerspricht damit der Einschätzung von Arun Sarin, Chef des Mobilfunkkonzerns Vodafone, der No-Frills-Angebote lediglich für eine Marktnische hält. »Die Verbraucher wollen mehr als nur eine simple Mobilfunkkarte: Sie wollen das Call-Center anrufen oder in unser Geschäft kommen. Und sie wollen alle zwei Jahre das neueste Handy haben«, sagte Sarin in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus.

Den Erfolg der Tochter Simyo sieht Frank Demmer, Director Dealer bei E-Plus, mit einem lachenden und einem weinenden Auge: »Fakt ist, dass immer mehr Menschen bereit sind, auf subventionierte Handys zu verzichten, wenn sie dafür günstiger telefonieren können.« Diesen Kundenwunsch könne und dürfe die Mobilfunkbranche nicht ignorieren. Ein günstiger Tarif sei aber nur eine ? nämlich die rationale ? Seite bei der Kaufentscheidung. Die zunehmende Entkoppelung von Handy und Vertrag bedeute nicht, dass Kunden sich nicht mehr für Handys interessieren würden. Der Mobilfunk lebe nach wie vor von Emotionen, die durch schicke, neue Handys geweckt würden.

»Auf jeden Fall befindet sich der Markt im Wandel«, resümiert Frank Wessel, Leiter Produktmarketing Mobilfunk beim Nordhorner TK-Distributor Eno Telecom. Einen Nachfrage-Einbruch stellt Eno durch Simyo & Co. bislang nicht fest ? im Gegenteil: »Wir verzeichnen ein zweistelliges Wachstum«, freut sich der Produktmanager. Auch ein Wegbrechen des klassischen Vertrags-Geschäfts sei bislang ausgeblieben. Der Fachhandel müsse sich jedoch stärker darauf einstellen, künftig »nackte Hardware« zu vermarkten oder aber dem potenziellen No-Frills-Kunden durch die weiterhin bestehenden Prepaid-Angebote oder günstige Vertrags-Tarife Alternativen aufzuzeigen. Fakt sei, dass durch No-Frills der nüchterne Blick auf die Gesprächskosten stärker in den Mittelpunkt rücke und insbesondere junge, nicht so zahlungskräftige Kunden den klassischen Vertragsangeboten den Rücken kehren. Eno prüfe angesichts dieser Entwicklung gerade die Einführung alternativer Tarife, erläutert Wessel.

Der Preis entscheidet

Eine Umfrage des Mobilfunkanbieters Simply gibt weiteren Aufschluss über die Wechselabsichten der Handynutzer: Bei über 60 Prozent dominiert demnach der Wunsch nach günstigen Mobilfunk-Verbindungspreisen. Knapp dahinter rangiert das Nein zum Mindestumsatz, wobei jüngere Handynutzer im Alter zwischen 14 bis 24 Jahren eine weniger starke Abneigung gegen monatliche Fixkosten haben als ältere Personen. Wechselwillige vermutet die zur Drillisch AG gehörende Simply angesichts der eigenen Untersuchung überwiegend unter den 25- bis 39-Jährigen: Diese Altersgruppe spiegele das »enorme Potenzial der Discountprodukte wider«.

Die Fachhandelskooperation Aetka und der Mobilfunkanbieter »blau.de« haben auf das Simyo-Angebot bereits reagiert. Aetka-Partner können seit Mitte Dezember ein eigenes Discountprodukt anbieten und damit den expandierenden No-Frills-Markt erschließen. Aetka-Chef Uwe Bauer gibt sich kämpferisch: »Wir können die Discount-Vermarktung nicht verhindern. Aber wir können dafür sorgen, dass der Fachhandel nicht außen vor bleibt. Deswegen gehen wir in die Offensive.«

Hartmut Korte von Michael Telecom bleibt ebenfalls gelassen: »Einerseits hat die Distribution nur geringe Chancen, bei dieser von den Mobilfunkbetreibern angestoßenen Entwicklung einzugreifen«, erläutert Korte. Andererseits habe der Handel durchaus die Möglichkeit, von Providern wie Debitel angebotene Alternativen aufzuzeigen. An einen gemeinsamen »Protest-Bund« der deutschen TK-Distributoren gegen die Billigtarife der Carrier glaubt Korte nicht. Obwohl die Distribution gemeinsam große Macht hätte, sei sie trotz immer mehr Billig-Angeboten zu uneinig.

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Kommentar

Das Mobilfunk-Geschäft wird durch die neuen Billigtarife komplizierter. Eine lebensbedrohliche Situation muss der Handel durch Simply und Simyo jedoch erst einmal nicht befürchten: Prepaid, No-Frills und Vertragsangebote existieren künftig nebeneinander. Dabei zeichnet sich ab, dass No-Frills eher dem Prepaid-Segment Marktanteile abjagt als dem Vertragsgeschäft. Für den Reseller bedeutet dies: Er kann seinem Kunden entweder ein nicht-subventioniertes Handy in die Hand geben oder ihn wie bisher über ein subventioniertes Handy als Kunden gewinnen. Klar ist allerdings, dass der Markt nicht ewig weiter wachsen wird und es zu einer zweiten Konsolidierungswelle kommen wird. Gerüchte über eine Fusion von Debitel, Mobilcom und Talkline deuten bereits darauf hin.