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Auch Muttergesellschaft Tiscon ist zahlungsunfähig

Chaos-Tage in Linden

Autor:Samba Schulte • 4.8.2009 • ca. 2:00 Min

Völlig überraschend traf die Insolvenz-Nachricht die über 180 Mitarbeiter in der COS-Zentrale in Linden, die – wie zahlreiche anonyme Hinweise an die CRN-Redaktion nahe legen – vom Rückzug des russischen Investors bis dahin nichts ahnen konnten. »Die Mitarbeiter sind natürlich nicht glücklich über diese Situation«, erzählt Christoph Runge, Head of Productmarketing and Purchase beim Distributor. Nichtsdestotrotz betonte der COS-Manager kurz nach der Insolvenzanmeldung, dass der Geschäftsbetrieb ohne Einschränkungen bei Lieferung und Services fortgesetzt werde. Fachhandelpartner hätten diesbezüglich nichts zu befürchten. »Viele Partner stärken uns jetzt den Rücken«, freute sich Runge über die Treuebekundungen vieler Partner. Doch wenig später stellte sich die Situation völlig verändert dar: Der Händlershop wurde wegen Inventur geschlossen. Schon zuvor berichteten Händler von auftretenden Verfügbarkeits- und Lieferproblemen. Wie der »Giessener Anzeiger« berichtet, hätten besorgte Lieferanten bereits kurz nach der Meldung versucht, Warenbestände zurückzuholen, was der vorläufige Insolvenzverwalter Ralf Diehl aber verhindern konnte.

Insolvenzverwalter Diehl zeichnet nach seinen ersten Einsatztagen ein schonungsloses Bild von der Situation in Linden: Die Situation sei schwierig, da die COS als Zwischenhändler keine Alleinstellungsmerkmale aufweise und der Geschäftsbereich einer immensen Schnelllebigkeit unterliege, zitiert ihn die Giessener Zeitung. »Derzeit ist nur der halbe Tagesumsatz an Barvermögen vorhanden«, sagt Diehl. Diehl sei darüber hinaus vor allem in Verhandlungen tätig: Etwa mit den Lieferanten, die bei Lieferungen an die COS jetzt verstärkt auf Vorkasse bestünden. Auch mit Bundesagentur oder Kreditgebern, welche die Lohnfortzahlungen für die Mitarbeiter sicherstellen sollen. Zumindest für Juli und August sollen diese schon gesichert sein. Und nicht zuletzt mit Investoren: Erste Gespräche fanden bereits statt, dadurch erhöht sich die Hoffnung auf die Rettung des Unternehmens.

Der ehemalige COS- und Tis-con-Chef Michael Krings, der vor der Zusage an Greengold bereits ein eigenes Konzept mit einem strategischen Investor mit Branchen-Kompetenz entwickelt hatte – das Gerüchten zufolge nun wieder verhandelt werde –, sieht gute Möglichkeiten für eine Rettung des Unternehmens: »Es gibt auch jetzt noch Potenzial, die COS zu retten.« Der Distributor habe sich eine gute Reputation bei Fachhandelskunden und Herstellern erarbeitet. »COS hat einen Zahlungsengpass – ist aber nicht überschuldet. Als ich das Unternehmen verlassen habe, war noch alles in Ordnung«, betont er. Doch nicht zu übersehen ist, dass sich COS, einst der viertgrößte Distributor des Landes, bereits seit mehreren Jahren in einer schweren Krise befindet. Der Umsatzrahmen hat sich von einstmals gut 400 Millionen Euro auf zuletzt zirka 230 Millionen verkleinert. Dementsprechend drücken den Distributor die überdimensionierte Logistik, die teure IT-Infrastruktur und das große Gebäude in Linden.

Die Rettungsversuche werden dadurch nicht einfacher, dass mit der Insolvenz der Muttergesellschaft Tiscon nun auch deren andere Beteiligungen ins Trudeln geraten: Mit Internet-Vermarkter Avitos und der Eigenmarkengesellschaft Topedo ist COS traditionell eng verzahnt. Die Lage in Linden wird dadurch in jedem Fall noch unübersichtlicher.