Durch zahlreiche Akquisitionen hat der britische Hersteller Dicom- Group seine Marktposition erheblich ausgebaut und dabei so manchen Partner irritiert. Der neue CEO Rob Klatell will nun mit einem einheitlichen Markenauftritt das Profil des Hard- und Softwareanbieters schärfen. Das Projektgeschäft rund um die Digitalisierung von Dokumenten ist für Systempartner hoch interessant.
»Das papierlose Büro wird es nicht geben, ebenso wie es keine papierlose Toilette geben wird«, sagt ausgerechnet ein Geschäftsführer eines Systemhauses, der vom Trend zur Digitalisierung von Dokumenten sehr gut lebt. Ein offensichtlicher Widerspruch, der aber keiner ist. Denn viele Unternehmen, die sich Gedanken über Rationalisierung ihrer Geschäftsabläufe machen, kommen zur Einsicht, dass die Lösung nicht etwa »Papier oder Bytes«, sondern »Papier und Bytes« heißen muss. So etwa die auf Hypothekenkredite spezialisierte Westdeutsche Immobilienbank. Täglich laufen dort in der zentralen Poststelle in Münster über 6.000 Schriftstücke wie Kreditanträge, Gutachten, Korrespondenzen und Fotos auf. Seit das Walldorfer SAP-Systemhaus xft ein Capturing-System der Dicom-Tochter Kofax installiert hat, werden sämtliche Unterlagen bei der WestImmoBank noch am selben Tag gescannt und die Daten fallbezogen an das SAP Data Repository übertragen. Die elektronische Akte kann ohne zeitliche Verzögerungen in jeder Filiale sofort bearbeitet werden, binnen 48 Stunden erhält der Kunde ein Angebot. Früher dauerten die Kreditentscheidungen doppelt so lange.
Information Capture (IC), wie man solche Prozesse nennt, ist ein Segment, das mittlerweile die Milliarden-Umsatzgrenze überschritten hat und mit jährlichen Wachstumsraten von fast 20 Prozent glänzt, wie Marktforscher berichten. Die Dynamik kommt nicht von ungefähr: Mittlerweile kann Software mit hoher Zuverlässigkeit unterschiedlichste Dokumente erkennen, die darin enthaltenen Informationen anhand einzelner Felder analysieren und so beispielsweise Rechnungen von Lieferscheinen unterscheiden. Das ist wichtig, um die Dokumente an Systeme wie ERP oder CRM anzubinden und weitere Schritte automatisch anzustoßen. Tätigkeiten wie Rechnungskontrolle bestellter Ware, Lagerverwaltung und Kreditorenmanagement lassen sich so weitgehend automatisieren. Geschäftsprozesse werden schneller, vor allem aber kostengünstiger. Ein Riesengeschäft nicht nur für Hersteller von Hochleistungsscannern und DMS-Anbieter, sondern vor allem für Systemhäuser, die Endkunden beraten, solche Lösungen implementieren und warten, gegebenenfalls sogar den Betrieb übernehmen. »Mit jedem Euro, den wir verdienen, können unsere Reseller acht bis zehn Euro umsetzen«, umreißt Andrew Pery, Vice President Marketing Dicom, die Chancen für Systempartner, ihre Umsatzbasis mit Services auszuweiten. Möglicherweise war das ein Grund dafür, warum unlängst über 480 Reseller aus über 31 Ländern nach Prag reisten, um sich auf der jährlichen Dicom-Partnerkonferenz aus erster Hand über Innovationen vom britischen Hersteller und dessen Partnern, unter anderem Cancon, Fujitsu, HP und Boewe Bell & Howell, unterrichten zu lassen.
Der neue Dicom-Chef Rob Klatell, der im März dieses Jahres den seit zwölf Jahren an der Spitze von Dicom stehenden Schweizer Arnold von Büren ablöste, nutzte das Forum, um die Partnerschaften zu festigen. Der Amerikaner warb vor allem mit dem Hinweis, dass die Dicom-Gruppe mit ihren 1.100 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 209 Millionen britischen Pfund (plus 16 Prozent) Marktführer im Segment Information Capture (IC) sei, zudem ihren Gewinn jährlich zweistellig steigere und weiter 17 bis 20 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren werde. Verkaufsargumente, die bei Endkunden sicher ziehen, wenn man sie nebenbei noch auf finanzielle Schieflagen bei einigen DMS-Herstellern hinweist. Der Weg zur Marktführerschaft führte bei Dicom über Akquisitionen und hier verschwieg Klatell nicht, dass die Übernahmepolitik seines Hauses für Verunsicherung bei so manchem Partner gesorgt hat und sie bisweilen noch anhält.