Digitaler Profifunk für Sicherheitskräfte

19. Mai 2004, 0:00 Uhr |

Digitaler Profifunk für Sicherheitskräfte. Der Analogfunk von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten in Deutschland soll abgelöst werden. Drei digitale Funksysteme wetteifern um den Zuschlag.

Digitaler Profifunk für Sicherheitskräfte

Beim Katastropheneinsatz müssen Helfer Gruppenruffunktionen nutzen können.

Foto: Vodafone

Man munkelt, im September 2004 soll es soweit sein. Die offizielle Ausschreibung zum Aufbau und Betrieb des bundesweiten Digitalfunknetzes für Behörden (BOS) soll dann endlich eröffnet werden. Es ist an der Zeit, denn die derzeit noch genutzte analoge Funktechnik wurde vor Jahrzehnten entwickelt. Sie dient ausschließlich der Sprachkommunikation und weder die Übertragung von Daten, noch der Zugriff auf das Internet ist damit möglich. Darüber hinaus lassen sich die Gespräche über im Elektrohandel erhältliche Scanner leicht abhören. Bereits 2002 hatte sich die Regierung deshalb für den Aufbau eines bundesweiten digitalen Sprech- und Datenfunksystems ausgesprochen. Dieses soll sich in das europaweite System einfügen und damit eine grenzüberschreitende Sicherheitslösung bieten.

Die Technologieanbieter stehen in den Startlöchern, doch noch warten sie auf den Beginn der Ausschreibung, der sich immer weiter verzögert. Unterdessen fragt sich manch einer bereits, ob die Einsatzkräfte bei möglichen Terrordrohungen mit ihrer derzeitigen technischen Ausstattung die Sicherheit eines Großereignisses wie der Fußballweltmeisterschaft 2006 gewährleisten können. Und ob überhaupt noch eine Chance besteht, den analogen Sicherheitsfunk rechtzeitig zum Anpfiff 2006 durch eines der drei zur Wahl stehenden digitalen Systeme zu ersetzen.

Offener Bündelfunkstandard Tetra

Motorola und T-System nehmen voraussichtlich gemeinsam an der Ausschreibung teil. Sie gehen mit dem Standard Terristrial Trunked Radio (TETRA) ins Rennen. Der offene digitale Bündelfunkstandard Tetra wurde durch das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) definiert und im Gegensatz zu GSM als Mobilfunkplattform für professionelle Nutzer entwickelt. Ein Vorteil der Technologie ist die Offenheit des Standards, da dadurch Hardware- und Softwarekomponenten miteinander kompatibel sind. Der Anwender bindet sich nicht an einen Anbieter und kann die beste Lösung zum kleinsten Preis auswählen. Auch spricht für TETRA, dass diese digitale Funktechnologie bereits den analogen Behördenfunk BOS in zwölf europäischen Ländern, unter anderem in Belgien und Irland, erfolgreich abgelöst hat. Auch in Deutschland hat sich die Technologie bereits in einem Pilotprojekt bei Polizei, Feuerwehr, Zoll und Bundesgrenzschutz in Aachen bewährt. Die Aachener Beamten nutzen sogar nach Abschluss des Projekts weiter den offenen Bündelfunkstandard TETRA.

Maßgeschneidert: TETRAPOL

Mit der digitalen Funktechnik kann zum Beispiel auch auf Datenbanken zugegriffen werden, die Fahndungsfotos enthalten.

Foto: Vodafone

Auch bereits bewährt hat sich der digitale Funkstandard TETRAPOL. Er wurde von dem französischen Rüstungskonzern Matra entwickelt und jetzt bietet ihn die European Aeronautic Defence and Space Company EADS an. In Betrieb ist er derzeit in 34 Ländern, und wird als Sicherheitsfunknetz zum Beispiel von den Einsatzkräften im Kosovo genauso wie von der französischen Polizei genutzt. Auch in Deutschland hat er sich bereits bei Audi in Ingolstadt oder am Frankfurter Flughafen bewährt. TETRAPOL arbeitet nach dem Frequenzmultiplex-Verfahren (FDMA), das für weiträumige Anwendungen geeignet ist. TETRA nutzt im Gegensatz dazu das Time Division Multiple Access-Verfahren, welches auf die Mehrfachnutzung einer Betriebsfrequenz setzt. Sende- und Empfangssignal werden hier in verschiedenen Zeitschlitzen auf einer Frequenz übertragen. Damit ist der Duplexbetrieb zwischen zwei oder mehreren Endgeräten ohne Netzinfrastruktur und ohne technisch hohen Aufwand im Endgerät möglich. Im Prinzip besitzt TDMA eine geringere Reichweite als FDMA, die Leistung der Verfahren ist jedoch stark von der Implementierung abhängig.

Behördennetz auf GSM-Basis

Auch GSM arbeitet mit dem TDMA-Verfahren. Daher hält Vodafone den öffentlichen Mobilfunkstandard tauglich für den Behördenfunk und wirbt für den Aufbau eines BOS-Netzes auf GSM-Basis. Als Vorteile preist der Netzbetreiber die niedrigen Kosten von rund 2,3 Milliarden Euro inklusive zehn Jahre Netzbetrieb an, statt 3,6 bis 7,3 Milliarden Euro, die für TETRA und TETRAPOL aufzuwenden wären. Auch sei der Aufbau der Lösung schnell - innerhalb von rund 22 Monaten - umzusetzen, da dafür keine neue Netzinfrastruktur aufgebaut werden müsste. Das bestehende GSM-Netz kann um besondere Leistungen mittels Advanced Speech Call Items (ASCI) erweitert werden. Die ASCI-Features werden von dem European Telecommunications Standards Institute genormt. Mit Hilfe der Installation von Softwarebausteinen, die im klassischen GSM-Mobilfunknetz nicht vorhanden sind, lassen sich dann Funktionalitäten wie Gruppenruf, Verdrängung und Priorisierung realisieren. Bereits heute nutzen private Mobilfunkbetreiber wie die Deutsche Bahn diese Funktionen in ihren Netzen. Bei der Bahn heißt das Netz entsprechend GSM-R für Rail.

Je nach Bedarf lassen sich über Softwarebausteine so auch spezielle Anwendungen wie der Abgleich von Fahndungsfotos oder gar die GPS-unterstützte Koordinierung von Rettungskräften umsetzen. Insgesamt steht BOS-GSM laut Vodafone den Lösungen TETRA und TETRAPOL um nichts nach. Einen Pferdefuß hat diese Lösung allerdings dennoch: Behördennetze auf GSM-Basis gibt es heute noch nicht. Kein europäisches Land setzt auf GSM, wenn es um Sicherheitsnetze geht. Behördennetze werden hauptsächlich auf Basis von TETRA und TETRAPOL realisiert.

Jede Technologie hat so ein Für und Wider. Am Ende ist es eine Frage der Prioritäten und der Politik, welche Technologie das Rennen macht. Ob diese technisch dann auch hält, was sie verspricht, steht auf einem anderen Blatt. Welche herausragenden Erfolge die deutsche Politik mit ihren Entscheidungen für innovative Informationstechnologien feiert, hat ja bereits Toll Collect gezeigt.

Anforderungen an Behördenfunknetze Endgerät zu Endgerät Kommunikation mit und ohne Zwischenschaltung einer Leitstelle Kommunikation von Leitstellen zu einer Vielzahl an Endgeräten Schneller Wechsel der Kommunikationsteilnehmer

Ständiges Mithören der Endgerät-??Kommunikation durch die Leit-stelle Permanente Konferenzschaltung auch bei Großeinsätzen Alarmierung der Teilnehmer per Messaging und Quittierung des Nachrichtenempfangs Funkruf an Großgruppen Möglichkeit der schnellen Kommunikation, Führung und Zusammenschaltung ständig wechselnder Teilnehmer bundesweit Kommunikation der Einsatzkräfte direkt miteinander vor Ort Datenübermittlung Abhör- und Manipulationsschutz durch Verschüsselung Ausreichend Frequenzen für alle Einsatzszenarien Roaming 100-prozentige Verfügbarkeit des Netzes bundesweit rund um die Uhr Möglichkeit des grenzüberschreitenden Funkbetriebs in Europa


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