E-Mail der nächsten Generation. IBM, Microsoft und Oracle arbeiten an einer neuen Generation von Unternehmenssoftware für Kommunikation und Kollaboration.
Bei der IT-gestützten Verständigung und Zusammenarbeit ist derzeit einiges in Bewegung. Erstens läuft der Informationsaustausch über immer vielfältigere Kanäle. Gängige Übertragungswege sind neben der traditionellen E-Mail inzwischen Instant Messaging, Diskussionsforen und Weblogs. Zweitens geht es verstärkt um zweckgerichtete Aktivitäten, bei denen Workspaces virtuelle Räume bieten, in denen mehrere Personen mit gemeinsamen Ressourcen und Tools kooperieren können. Kommunikation und Kollaboration ergänzen sich dabei gegenseitig; Kanäle dienen oft der Zusammenarbeit, eignen sich aber nicht selbst dafür. Das wird jeder bestätigen können, der schon einmal versucht hat, ein größeres Projekt allein mit Hilfe seines E-Mail-Systems zu koordinieren.
Ein dritter Trend zeigt sich bei kontextbezogenen Mitteilungen und Aktivitäten. Hier konzentrieren sich die Angestellten auf ihre fachlichen Aufgaben und benutzen ihre bevorzugten IT-Hilfsmittel für Kommunikation und Kollaboration, die in verschiedene Programme integriert sind. Die Benutzer müssen und wollen nicht länger zwischen mehreren Applikationen hin- und herwechseln. Viertens setzen sich Standards durch. Proprietäre Content-Formate werden heute weitgehend durch HTML und XML abgelöst und proprietäre Schnittstellen durch solche auf Basis der Structured Query Language (SQL), von Web-based Distributed Authoring and Versioning (WebDAV) sowie in der nahen Zukunft XML Query (XQuery) ersetzt. Weitere Trends in diesem Zusammenhang sind der Einsatz von Webservices-Standards für den Datenaustausch zwischen Applikationen sowie die Übernahme von XML-Techniken in Datenbanksysteme.
IBM MIT VIEL LEGACY
Die Abbildung unten verdeutlicht die zunehmende Überschneidung von Software für Kommunikation, Kollaboration und Content. Während diese drei Bereiche in der Vergangenheit von weitgehend eigenständigen Softwareprodukten abgedeckt wurden, verschwimmen die Grenzen angesichts der aktuellen Markt- und Technologietrends zusehends. Die Tabelle auf Seite 37 verdeutlicht, wie sich die diversen Anwendungen und Technologien in konkreten Produkten wiederfinden.
IBM ist mit Notes/Domino, Instant Messaging sowie Web Conferencing (ursprünglich unter dem Namen Sametime bekannt) derzeit Marktführer für asynchrone sowie sichere synchrone Kommunikation und Zusammenarbeit. Die Lotus-Produktgeneration Notes/Domino geht in eine neue Phase über, in der nun die neue Workplace-Produktfamilie von IBM im Zentrum der Strategie für E-Mail und Verwandtes steht. Notes/Domino und Sametime verfügen beide über eine sehr breite installierte Basis und große Entwickler-Communities. Workplace hingegen ist einerseits eher dem Produktangebot der Konkurrenten Microsoft und Oracle vergleichbar und andererseits enger auf die an Java ausgerichtete Softwarestrategie von IBM abgestimmt. Die Client-Technologie von Workplace ist beispielsweise die strategische Client-Umgebung für alle zukünftigen Softwareprodukte der IBM. Die wichtigste Herausforderung liegt zurzeit darin, das durch Notes/Domino gewonnene Know-how zu sammeln und nutzbar zu machen und die wichtigsten Aspekte des Metamodells von Notes/Domino in Workplace zu übernehmen.
IBM wird Notes/Domino noch mehrere Jahre pflegen. Das Unternehmen hat schon 2003 angekündigt, Notes/Domino noch mindestens weitere zehn Jahre zu unterstützen, und darüber hinaus Pläne für Notes/Domino 7 und 8 bekannt gegeben, so dass es offenbar noch mindestens zwei weitere größere Releases dieser Produktlinie geben wird, bevor sie vollständig zerlegt und in der neuen Workplace-Architektur aufgehen wird. Die Burton Group hält diese Stoßrichtung für richtig, trotz einiger unvermeidlicher Diskontinuitäten für Notes/Domino-Kunden angesichts der nun rund zwanzig Jahre alten Systembasis sowie der Änderungen in den vergangenen Jahren. Wenngleich diese Strategie für IBM das Risiko birgt, dass einige Kunden eine Migration zur Microsoft-Plattform oder zu Oracles Collaboration Suite der Umstellung auf die Workplace-Produktfamilie vorziehen.
IBM investiert bei beiden Produktfamilien, Notes/Domino und Workplace, in die Kompatibilität mit Microsoft-Produkten. Der Hersteller unterstützt beispielsweise Outlook als Client eines Domino-Servers und wird ab Notes/Domino 7 auch die Technologie der Smart Tags aus Office 2003 berücksichtigen. Darüber hinaus integriert IBM Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationen auf der Basis von OpenOffice mit Workplace. Dadurch ergänzt die Workplace-Software Microsoft-Produkte zwar einerseits, andererseits stärkt sie jedoch auch den Wettbewerb.