Google attackiert Microsofts Online-Strategie
Nachdem Google bereits seit einiger Zeit mit einer Reihe von Office-Anwendungen online ist, präsentiert das Unternehmen jetzt ein kostenpflichtiges Paket mit internetbasierten Business- Applikationen. Der Suchmaschinen- Betreiber etabliert sich damit als direkter Konkurrent von Softwaregigant Microsoft.
Als der Softwarekonzern Microsoft Ende vergangenen Jahres zum Launch von »Office Live« einlud, gab es eine mittelgroße Überraschung: Ausgerechnet der Erfinder von Microsoft Office präsentierte unter dem bewährten Markennamen lediglich eine Sammlung von teilweise kostenpflichtigen Business-Programmen. Dabei hatte der Suchmaschinen- Betreiber Google bereits unter dem Namen »Google Docs and Spreadsheets« eine internetbasierte Tabellenkalkulationsund Textverarbeitungssoftware vorgelegt. Nun wagt Google im Bereich Online-Anwendungen den frontalen Angriff auf Microsoft: Mit »Google Apps« präsentiert das Unternehmen einen neuen kostenpflichtigen Dienst, der die Funktionen von »Google Docs and Spreadsheets« mit dem Angebot von »Office Live« verknüpft.
Für eine arbeitsplatzbasierte Gebühr von 50 Dollar pro Jahr stehen Benutzern von »Google Apps« eine Reihe von Services offen: Dazu zählen die Instant-Messagingund VoIP-Funktion von Google- Talk, der E-Mail-Dienst Gmail, Google Calendar, Tools zum Erstellen von Webseiten, Tabellenkalkulations- und Textverarbeitungsanwendungen sowie 10 GByte Speicherplatz. Mit Avaya, Proctor & Gamble und Salesforce.com kann Google zum Start seines Web-Office-Dienstes bereits eine Reihe namhafter Kunden vorweisen. Zwar wird »Google Apps« ausschließlich direkt vertrieben, doch erklärte Rajen Sheth, Produktmanager von Google Enterprise, das Unternehmen könne sich bei dem Service eine gute Zusammenarbeit mit VARs und Software- Entwicklern vorstellen.
Microsoft reagiert zurückhaltend
Bei Microsoft reagiert man derzeit noch betont zurückhaltend auf das Konkurrenzangebot und erklärt, die neue Wettbewerbssituation als Chance zu betrachten. So verglich Microsofts Chef-Softwarearchitekt Ray Ozzie den Effekt des Google-Angebots mit der Auswirkung, die der Launch von Sonys Playstation auf den Softwarekonzern gehabt habe. In der Folge habe Microsoft nicht nur mit der Xbox eine eigene Spielkonsole auf den Markt gebracht, sondern auch darüber hinaus eine Reihe von Aktivitäten im UEBereich gestartet. »Die Konkurrenz durch Google hat Microsoft dazu gebracht, zwei wesentliche Punkte zu erkennen«, so Ozzie. Einer davon sei die Bedeutung von Werbung als Einnahmequelle, der zweite dagegen die Bedeutung einer servicebasierten Infrastruktur. »Nachdem die unterschiedlichen Abteilungen begriffen hatten, dass jedes Microsoft- Produkt künftig auch eine Online-Komponente benötigen würde, galt es herauszufinden, auf welche Weise sich diese zu einer Plattform verknüpfen ließen «, erklärt der Chef-Softwarearchitekt. Die SaaS-Dienste »Office Live« und »Windows Live« seien bereits erste Bestandteile eines solchen Systems, in das künftig auch Partner und Entwickler einbezogen werden sollten.
Wie Finanzanalysten im Anschluss an die Gesprächsrunde verlauten ließen, versprühten Ozzies Äußerungen größtenteils Zweckoptimismus. Im Online-Bereich begnüge sich Microsoft bisher damit, vergangene Entwicklungen zu analysieren und aufzuzeigen, wie einzelne Produkte in diesem Kontext passten, kritisierte Paul DeGroot, Analyst von Directions on Microsoft. »Eine kohärente Vorwärtsstrategie für dieses Geschäftsfeld ist mir bisher aber noch nicht bekannt«, so DeGroot. Microsofts SaaS-Vorstöße seien halbherzig, da der Konzern befürchte, mit Online- Diensten sein eigenes Software- Geschäft zu kannibalisieren.
Als ein Indiz für diese Sichtweise kann man wohl auch die Organisationsstruktur des Softwaregiganten betrachten: So ist Chef-Softwarearchitekt Ray Ozzie zwar dafür verantwortlich, die Online-Aktivitäten der einzelnen Geschäftsbereiche zu koordinieren, besitzt gegenüber den jeweiligen Abteilungen aber keine Entscheidungsgewalt.
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