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Große Koalition zwischen Windows und Linux (Fortsetzung)

Autor:Redaktion connect-professional • 23.11.2005 • ca. 2:15 Min

Inhalt
  1. Große Koalition zwischen Windows und Linux
  2. Große Koalition zwischen Windows und Linux (Fortsetzung)

Fehlersuche mit ­Lasttestverfahren
Neben den Konzepten für die verschiedenen Projektschritte musste ein umfassendes Ausfallkonzept entwickelt werden, um die Arbeitsfähigkeit des Bundestagsbetriebes über den gesamten Zeitraum sicherzustellen. Für jede Migrationsstufe war eine Fall-Back-Option auf die alte Infrastruktur vorgesehen, um innerhalb kürzester Zeit eine arbeitsfähige Umgebung wiederherstellen zu können.
Die Migration der Clients wurde zügig im laufenden Betrieb durchgeführt. Dabei übernahm die interne IT-Abteilung des Bundestags die etwa 2000 Rechner in der Verwaltung, während der externe IT-Dienstleister den Roll-Out-Prozess für die Umrüstung der zirka 3000 PCs in den Abgeordnetenbüros organisierte. Im Zuge der Client-Migration analysierten die Verantwortlichen auch die eingesetzten Anwendungen mit dem Ziel, den über die Jahre entstandenen Wildwuchs einzugrenzen. Von den ursprünglich über 160 Client-Applikationen blieben am Ende rund 60 übrig. Bis Mitte 2004 war diese Phase des Projektes ohne Zwischenfälle abgeschlossen.
Mit der Einführung des Anmeldedienstes begann der kritische Teil des gesamten Projekts. Allein die Größe der Domain mit 5000 angeschlossenen Clients und 10000 Nutzerkonten stellte eine Herausforderung dar, zumal es bislang weltweit noch keine Samba-Installation in dieser Größenordnung gab. Allen umfangreichen Planungen zum Trotz scheiterte der erste Migrationsversuch am 11. Oktober 2004: Als die Abgeordneten und Angestellten sich morgens anmelden wollten, brach der Anmeldedienst zu­sammen.
Das externe Projektcontrolling der Bundestagsverwaltung empfahl daraufhin, ein Expertenteam aus der Open-Source-Gemeinde hinzuziehen. Mit vereinten Kräften wurden Simulationstests durchgeführt, Schwachstellen aufgespürt und Teile von Samba geändert. Zur Ursachenforschung wurde ein umfangreiches Lasttestverfahren entwickelt. Es dauerte fast drei Monate, bis der Ausfall nachgebildet werden konnte. Das schwerwiegendste Problem war die vorliegende Samba-Version, die mit der Verwaltung einer Domain mit 10000 Nutzerkonten und weiteren zahlreichen Konten für Administrationszwecke überfordert war.
Für Abhilfe sorgt schließlich eine aktualisierte Version von Samba, die auch in sehr großen Domains stabil läuft. Darüber hinaus mussten einige Konfigurationen zwischen Open­LDAP und Samba angepasst werden. Im Zuge umfangreicher Integrationstests der Bundestagsverwaltung stellten sich auch bislang unbekannte Fehlerquellen in der Zusammenarbeit zwischen Windows und Linux heraus. So gab es beispielsweise diverse Probleme mit Dateinamen und Zeichenübersetzungen in der Kommunikation zwischen den beiden Umgebungen. Nicht zuletzt wegen der umfangreichen Integrationstests wurde der zweite Anlauf für die Migration des Anmeldedienstes bis zum 23. Juli 2005 verschoben. Nun verlief alles nach Plan, seitdem funktioniert die Anmeldung fehlerfrei.
Da die Migration der 83 Datei- und Druckserver sowie über 20 Infrastrukturserver aus betrieblichen Gründen erst nach der abgeschlossenen Umstellung des Anmeldedienstes durchgeführt werden konnte, musste nun ein neuer Zeitplan entwickelt werden. Erschwerend kam die Ansetzung  vorgezogener Neuwahlen im  September hinzu. Somit war das Zeitfenster für eine Migration sehr eng. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit wusste Lunze, dass nach dem Zusammentritt des neuen Bundestags praktisch alle Ressourcen seiner Abteilung durch etwa 1500 PC-Umzüge und -Umkonfigurationen gebunden sein würden. Eine Migration nach dem Wahltermin wäre somit erst Anfang 2006 möglich gewesen. Deshalb entschied die Projektleitung in Absprache mit der IuK-Kommission des Ältestenrates, die Server-Migration noch vor dem Wahltermin durchzuführen. Am 12. September um 6:17 Uhr morgens wurde der letzte Datei-Server in Berlin auf Linux in Betrieb genommen ? wie geplant und ohne Zwischenfälle. Die Last- und Integrationstests hatten diesmal negativen Überraschungen vorgebeugt.