IBM startet Client-Initiative. Mit einer neuen Middleware will IBM schlanke Clients fördern und Microsoft das Wasser abgraben. Höhere Produktivität und niedrigere Kosten sollen die Anwender überzeugen.
"Wir haben noch einmal über das Frontend des Computings nachgedacht."
Ambuj Goyal, General Manager Lotus Software bei IBM.
Foto: IBM
Seit langem beherrscht Microsoft die IT auf den Schreibtischen, doch muss das nicht auf ewig so bleiben, meinen Linux-Anbieter, Sun Microsystems und nun auch IBM. Big Blues neue Infrastruktur-Software für Clients ist in die Workplace-Produktlinie eingeordnet, die Kollaborations- und Bürosoftware auf Basis des Java-Applikationsservers Websphere und der relationalen Datenbank DB2 vereint. Dadurch sollen Informationsabfragen in den geschäftlichen Kontext gestellt und die Zusammenarbeit unterstützt werden. "Die Anwender schauen heute mehr auf Geschäftsprozesse als auf individuelle Produktivität", erläutert Ambuj Goyal, General Manager für Lotus Software bei IBM, und kritisiert: "Bei Microsoft Office geht es weiterhin nur um die Produktivität des einzelnen, nicht um die von Teams."
Bei Anwendungen aus der Client-Server-Zeit bietet die Benutzerschnittstelle, meist auf PCs unter dem Betriebssystem Windows, viele Informationen und die gängigen grafischen Bedienungsmöglichkeiten wie Drag-and-Drop. Dafür sind die Verwaltungskosten relativ hoch. Bei herkömmlichen Web-Anwendungen sind die Betriebskosten deutlich günstiger, doch dafür ist die Bedienung weniger komfortabel - ähnlich den Terminals aus dem Mainframe-Zeitalter. Das Ziel, das IBM verfolgt, besteht Goyal zufolge nun darin, mit Portal-Techniken die Bedienung und den Gehalt von Web-Anwendungen zu verbessern, ohne bei der Verwaltung Abstriche zu machen.
Zwar greift IBM Microsoft nicht frontal an, aber die Office-Programme und -Dokumente schrumpfen zu einigen Quellen neben vielen anderen. Um die verschiedenen möglichen Systeme anzuzapfen, gebe es von IBM Tausende vorgefertigter Adapter, versichert Goyal. Was auch immer am Frontend eingesetzt wird, vom traditionellen Desktop-Rechner bis zum Mobilfunkgerät: die neue Middleware Workplace Client Technology von IBM soll die Informationsversorgung steuern. Auch Benutzer, die nur zeitweilig mit dem zentralen System verbunden sind, werden berücksichtigt. Zurzeit läuft die neue Client-Middleware von IBM unter Windows und Linux, hinzukommen soll noch das Betriebssystem für die Apple-Rechner. Außer Java-Anwendungen unterstützt die Software auch .Net- und C++-Applikationen. Dezentral gehaltene Daten werden angeblich automatisch synchronisiert. "Der Provisioning-Server sorgt dafür, dass der Benutzer die gewünschten Möglichkeiten bekommt, zum Beispiel Zugang zu E-Mail und Kalender. Wenn sich der Bedarf ändert, kann er zum Beispiel auch noch Zugang zu einer CRM-Anwendung geben", erläutert Goyal.
In den 90er Jahren versuchten IBM und andere Hersteller schon einmal, schlanke Clients auf den Weg zu bringen - damals ohne großen Erfolg. "Technologien wie XML, Java und mobile Datenbanken hat es damals nicht gegeben", erklärt Goyal. Heute sei diese Software verfügbar und die Zeit reif für den nächsten Evolutionsschritt: "Wir können einen server-gemanagten Client liefern." Jede IT-Abteilung, die Probleme mit dem Desktop-Management hatte, könne nun Kosten sparen und die Endanwender schneller und einfacher mit den gewünschten Möglichkeiten versorgen. Zum Tragen kommt dabei Software der Systemmanagement-Produktlinie Tivoli von IBM.
Etliche IT-Hersteller haben bereits angekündigt, die Workplace Client Technology zu unterstützen: in ihre eigenen Produkte einzubauen oder den Zugriff über die IBM-Middleware zu ermöglichen. Dazu gehören Applikationsanbieter wie Adobe, Peoplesoft und Siebel, aber auch Infrastrukturspezialisten wie Cisco oder RIM.
IBM Workplace Software Technisch basiert die neue Middleware IBM Workplace Client Technology auf dem Java-Framework Eclipse 3.0. Darüber werden Programme bereitgestellt, um Benutzerschnittstellen zu gestalten und das Zusammenwirken von Softwarekomponenten zu organisieren. Eine spezielle Micro Edition ist für kleine mobile Geräte gedacht. Außerdem bietet der Lotus-Bereich von IBM in seiner Workplace-Produktlinie neue Applikationen an, die diese Middleware nutzen: Messaging für browser-bezogene E-Mail und Documents für die Bearbeitung von Dokumenten. Die Middleware kostet pro Benutzer und Monat etwa zwei Dollar, jede Applikation zusätzlich etwa einen Dollar. Größere Einnahmen will IBM offenbar mit der erforderlichen Websphere-Infrastruktur auf den Servern erzielen.