Ingram Micro ? der letzte Broadliner?

24. März 2005, 0:00 Uhr | Samba Schulte

Ingram Micro ? der letzte Broadliner?. Ingram-Chef Gerhard Schulz sieht sein Unternehmen nicht nur in der klaren Marktführer-Position, sondern dem Broadline-Wettbewerb sogar um einige Jahre voraus. Die Herausforderung für den Distributor lautet nun: Marktanteile über spezialisierte Vertriebsbereiche ausbauen. Doch gerade im Software-, Netzwerk- oder CE-Umfeld trifft Ingram Micro auf emsige Konkurrenten.

Ingram Micro ? der letzte Broadliner?

In punkto Umsatz, Breite der Händlerbasis oder Größe des Produktangebotes liegt Ingram Micro unter den deutschen Distributoren klar vorne. Aber ist der Vorsprung des Dornacher Distributors auf die Broadline-Mitbewerber Tech Data und Actebis Peacock mittlerweile uneinholbar? »Zumindest wird es schwer für unsere Konkurrenten, in den nächsten Jahren aufzuholen«, betont IM-Chef Gerhard Schulz im Gespräch mit Computer Reseller News. Immerhin habe der Distributor seine Prozesse rechtzeitig optimiert und könne so besonders kosteneffektiv arbeiten. Die beiden Broadline-Wettbewerber hingegen müssen laut Schulz in dieser Hinsicht noch nachsitzen. Die Integration der ehemaligen Tochtergesellschaft für Netzwerke-Distribution, Compu-Shack, habe man beispielsweise vorbildlich vollzogen: »Das Netzwerk-Geschäft läuft nun wieder richtig gut«, versichert Schulz, »in punkto Logistik sogar noch besser als vorher«. Hingegen stehe dem fleißigsten Ingram-Verfolger, Tech Data, die Integration seiner VAD-Gesellschaft Azlan erst noch bevor. TD will Azlan im zweiten Quartal ? im Rahmen der Umstellung von Azlan auf das SAP/R3-System der Muttergesellschaft ? in den Konzern integrieren (siehe CRN 11/Seite 10).

Mitbewerb reduziert Portfolio

Außerdem stellt der Ingram-Chef fest, dass man in der Münchner Kistlerhofstraße (Tech Data) wie auch in Soest (Actebis) das Produktportfolio deutlich reduziert habe. Da stellt sich die Frage: »Sind Tech Data und Actebis Peacock überhaupt noch richtige Broadliner«? Gerhard Schulz hält dies zwar für eine Frage der Perspektive, auf jeden Fall biete aber »Ingram den Händlern alles aus einer Hand« ? und das sei mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal. So macht Schulz bei Actebis mittlerweile eine sehr starke Fokussierung auf den Hersteller-Partner Hewlett-Packard aus: Dadurch entstünden aber Abhängigkeiten, die problematisch werden können ? wenn beispielsweise einmal Rückvergütungen des Fokus-Herstellers ausbleiben.

Satt ist Ingram Micro allerdings noch lange nicht: Schulz will den Marktanteil von derzeit rund 24 Prozent auf 30 Prozent erhöhen. Zum Beispiel über den Wachstumsbereich Consumer Electronics. Dort trifft er allerdings auf potente Gegner, denn bei der Eroberung des Home-Entertainment-Bereichs liegt Ingram keineswegs so klar vor seinen Wettbewerbern. Auch Tech Data und Actebis Peacock sind bei der Markterschließung sehr aktiv. Bei Tech Data beispielsweise bedeutet Home Entertainment nicht nur Retail-Vertrieb, der Distributor versucht im Rahmen seiner »LivingIT«-Initiative gezielt Handelspartner für das Lösungsgeschäft, vor allem bei der Heimvernetzung, zu rüsten. Auch Gerhard Schulz rechnet damit, dass in diesem Bereich Lösungsanbieter erfolgreich agieren werden. »Das kann allerdings noch ein wenig dauern«, schätzt der Ingram-Chef. Denn die Produkte müssten noch preiswerter werden und außerdem fehlten die nötigen Standards für den reibungslosen Datenaustausch. In drei bis vier Jahren würden aber auch in Deutschland, wie jetzt schon in den USA, »Installer« in diesem Segment erfolgreich agieren.

Auf dem Weg zur geplanten Marktdominanz setzt Schulz außerdem auf ein neues Selbstverständnis: Kein Kundenfang um jeden Preis ? der Volumendistributor möchte seinen Partnern in verschiedenen Produktsegmenten mehr Value bieten und so »das Geschäft mit den bestehenden Partnern steigern«. Gleichzeitig würde man die Handelspartner dadurch enger an sich binden und eine kosteneffektive Verzahnung der Prozesse zwischen Lieferant und Händler fördern. Neben dem Thema Netzwerke forciert der Broadliner die VAD-Betreuung im Bereich Software, vor allem bei CAD-Lösungen.

Doch auch hier wird die Rechnung nicht ganz ohne den Mitbewerb gemacht. Tech Data hat schließlich mit dem Azlan-Bereich und vor allem auch mit dem Geschäftsbereich TD Midrange ebenfalls starke VAD-Units. Auch im Autodesk-Vertrieb ist TD bereits sehr erfolgreich unterwegs, vor allem auch bei den vertikalen High-End-Lösungen. Actebis hat sich mit der Integration der Peacock VAD-Beratungskompetenz ins Haus geholt, beispielsweise bei HP-Produkten aus den Bereichen Netzwerke und Drucker.

Nischendistributoren als Konkurrenz

Außerdem treffen alle Broadliner in den VAD-Segmenten auf die starke Konkurrenz der Spezialdistributoren. Diese punkten nicht nur durch telefonische Beratung und ausgewählte Schulungsangebote, sondern durch die persönliche Rundum-Betreuung der Reseller, von der Vor-Ort-Unterstützung bis hin zu umfassenden technischen Supports. Vieles davon kann und will ein Broadline-Distributor nicht leisten. Doch Schulz sieht auch Vorteile gegenüber den spezialisierten Distributoren: »Wir bieten die bessere Logistik und das breitere Produkt-Portfolio.« Für die Hersteller sei es wiederum wichtig, dass Ingram innerhalb des Unternehmens »den kompletten Lebenszyklus eines Produkts abbilden kann«.

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Kommentar

Gerhard Schulz kann zu Recht selbstbewusst in die Zukunft blicken, denn Ingram Micro ist in Deutschland unangefochtener Marktführer. Das belegen auch die Ergebnisse der CRN-Händlerbefragung »Channeltracks«: Ingram ist nicht nur der bekannteste und meist genutzte Distributor Deutschlands, sondern erhält auch bei der Bewertung der Basisleistungen durch die Reseller sehr ordentliche Noten.

Doch aufgepasst! Die Konkurrenz ist wach. Davon zeugen aggressive Preise und verbesserte Dienstleistungen bei Actebis und TD. Außerdem: Nicht die Größe des Portfolios entscheidet über den Erfolg, sondern wie gut man sein Produktportfolio im Griff hat.

Trotzdem, gerade weil Ingram auch seine Prozesse gut im Griff hat, wird der Broadliner auch in den nächsten Jahren den deutschen Distributionsmarkt anführen.

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INFO

Ingram Micro Distribution GmbH
Heisenbergbogen 3
D-85609 Dornach bei München
Tel. 089 4208-0, Fax 089 423679
www.ingrammicro.de


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